CoronakriseAusfälle und hohe Belastung führen zu Personalmangel im Einzelhandel

Coronakrise / Ausfälle und hohe Belastung führen zu Personalmangel im Einzelhandel
Sämtliche Supermarktketten (wie hier im Cactus Bascharage) haben Vorkehrungen getroffen, um ihre Angestellten und Kunden vor dem Coronavirus zu schützen Foto: Editpress/Tania Feller

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Neben den Ärzten und Krankenpflegern zählen die Beschäftigten aus dem Einzelhandel zu den stillen Helden der Coronakrise. Tapfer halten sie die Stellung, damit die Konsumgewohnheiten der Luxemburger möglichst wenig beeinträchtigt werden. Noch bis vor einer Woche hatten weder die Regierung noch die Konzernleitungen besondere Sicherheitsvorkehrungen für das Personal in den Supermärkten vorgesehen. Inzwischen hat ein Umdenken eingesetzt. Wegen der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus ist aber die Personaldecke im Handel geschrumpft. Die Arbeitsbelastung ist hoch, manche Supermärkte befürchten sogar, dass ihnen die Mitarbeiter ausgehen könnten. Die Grundversorgung bleibt derweil trotz Hamsterkäufen gesichert, nur Toilettenpapier ist vielerorts zur Mangelware geworden.

Vor dem Cactus-Supermarkt in Esch-Lallingen regelt am Montag ein Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma den Einlass. Nur eine begrenzte Anzahl an Kunden darf gemeinsam das Geschäft betreten. Die Warteschlange wirkt zunächst abschreckend, doch schon nach kurzer Zeit löst sie sich auf. Der Einlass erfolgt in Schüben. Am Eingang zum Biomarkt Naturata in Esch-Belval verteilt am Samstag ein Sicherheitsbeauftragter Latexhandschuhe. Vor und nach dem Anziehen der Handschuhe müssen sich die Kunden die Hände desinfizieren. Im Delhaize in Belval achtet ein Aufpasser am Montag darauf, dass jeweils nur eine Person einen Einkaufswagen fährt, damit die vorgeschriebenen Abstände eingehalten werden. Einkäufe mit der ganzen Familie sollen unterlassen bleiben und die Kunden werden gebeten, nicht länger als 30 Minuten im Geschäft zu bleiben.

Die Geschäfte dürfen Scheine und Münzen nicht ablehnen, auch wenn es das Kassenpersonal sehr nervös macht

Nicolas Henckes, Direktor des Handelsverbands CLC

„Im Laufe der vergangenen Woche haben sämtliche Supermarktketten Vorkehrungen getroffen, um ihre Angestellten und Kunden vor dem Coronavirus zu schützen“, berichtet David Angel, Zentralsekretär des Syndikats Handel beim OGBL. Schon vor zwei Wochen hatte die Gewerkschaft Druck gemacht. Inzwischen tragen alle Kassiererin und Kassierer Latex-Handschuhe, viele arbeiten mit Mundschutz. Auch Desinfektionsmittel für das Personal müsste mittlerweile überall verfügbar sein, die Lieferengpässe von vergangener Woche sind laut Angel überwunden. Im Delhaize Belval war der Bereich mit den Selbstbedienungskassen am Montag außer Betrieb. In allen Geschäften hängen Hinweise, dass Kartenzahlungen bevorzugt werden. Unseren Beobachtungen zufolge werden Barzahler aber nicht zurückgewiesen. „Die Geschäfte dürfen Scheine und Münzen nicht ablehnen, auch wenn es das Kassenpersonal sehr nervös macht“, bestätigt der Direktor des Handelsverbands CLC, Nicolas Henckes, auf Nachfrage.

Ferner wurden in allen Geschäften Plakate mit den Sicherheitshinweisen der Regierung aufgehängt, in manchen Märkten werden in regelmäßigen Abständen über Lautsprecher Durchsagen gemacht. Vor den Förderbändern wurden Bodenmarkierungen zur Einhaltung eines Sicherheitsabstands von mindestens einem Meter angebracht. An den Kassen wurden Wände aus Plexiglas errichtet. Nachteil der Wände ist, dass sie nur einen begrenzten Bereich abdecken. Wenn die Kunden ihre Einkaufstüten am Ende des Förderbands füllen, kommen sie den Kassiererinnen trotzdem sehr nahe. „Die Lösung ist nicht perfekt, aber man sieht, dass die Supermärkte Anstrengungen unternommen haben. Das Plexiglas trägt sicherlich zum Schutz des Personals bei“, sagt David Angel.

DP-Mittelstandsminister Lex Delles hatte vergangene Woche den Forderungen des OGBL Folge geleistet und die Supermarktketten dazu aufgefordert, Sicherheitsvorkehrungen zur Vorbeugung von Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus zu treffen. Die Geschäftsräume der einzelnen Ketten seien unterschiedlich aufgebaut, deshalb seien die Vorgaben des Ministers eher allgemeiner Natur gewesen und hätten keine detaillierten Einzelmaßnahmen enthalten, erklärt Nicolas Henckes. Innerhalb der „Fédération luxembourgeoise de l’alimentation et de la distribution“ (FLAD) hätten sich die verschiedenen Konzerngruppen aber untereinander abgesprochen.

Nachholbedarf gebe es noch vereinzelt in kleineren Märkten, in denen belgische und französische Supermarktketten als Franchisegeber auftreten, sagt David Angel. Diese Märkte werden von den Franchisenehmern eigenständig betrieben und stehen nicht unter der Kontrolle der Konzernzentralen.

Viele Angestellte sind stolz auf ihren Einsatz und das ist auch gut und wichtig. Aber im Endeffekt ist es schon sauer.

David Angel, Zentralsekretär des Syndikats Handel beim OGBL

Auffallend ist, dass in einigen Supermärkten die Bäckereien, Metzgereien und Frischwarentheken geschlossen sind oder nur noch auf Bestellung verkaufen. Wie David Angel erklärt, würden immer mehr Geschäfte aus Hygienegründen nur noch verpackte Ware anbieten. Laut CLC-Direktor Nicolas Henckes hängt es eher mit der Verfügbarkeit des Personals zusammen. Wegen Krankheitsfällen, Quarantänen und Urlauben aus familiären Gründen sei in vielen Betrieben ein Personalmangel entstanden. Ausfälle in Bereichen wie der Fleisch- oder der Fischabteilung, wo spezifische Ausbildungen und Kompetenzen verlangt seien, könnten nicht so einfach ersetzt werden, erläutert Henckes. Wegen der Hamsterkäufe hätten die Supermärkte zudem ihre ganze Arbeitskraft auf die Wiederauffüllung der Regale lenken müssen.

Durch die Personalausfälle sei die Arbeitsbelastung in der vergangenen Woche enorm gestiegen, berichtet auch Angel. Zehn-Stunden-Tage seien derzeit keine Seltenheit, Ruhetage hingegen rar. „Viele Angestellte sind stolz auf ihren Einsatz und das ist auch gut und wichtig. Aber im Endeffekt ist es schon sauer“, sagt der OGBL-Zentralsekretär. Manche Supermarktketten hätten schon Befürchtungen geäußert, dass ihnen das Personal ausgehen könnte.

Wie Nicolas Henckes berichtet, mussten die Geschäfte der Billigmarktkette Aldi am vergangenen Sonntag in Luxemburg wegen Personalmangel geschlossen bleiben. Die Geschäftsleitung habe entschieden, den noch verbleibenden Angestellten eine Ruhepause zu gönnen. Andere Konzerne hätten stattdessen auf Leiharbeiter zurückgegriffen oder neues Personal in befristeten und unbefristeten Arbeitsverträgen eingestellt. Die Handelskonföderation rät den Supermarktketten, den normalen Betrieb so gut es geht aufrechtzuerhalten, um die Einkaufsgewohnheiten der Kunden nicht durcheinanderzubringen. Alles andere könne falsche Botschaften senden und eine neue Welle von Hamsterkäufen auslösen, meint Henckes.

Noch Uneinigkeit über reduzierte Öffnungszeiten

Der OGBL hält derweil an seiner Forderung nach reduzierten Öffnungszeiten fest, um das Personal zu entlasten. Die Gewerkschaft habe bereits einen entsprechenden Brief an Mittelstandsminister Lex Delles gerichtet. Auch innerhalb der FLAD sei das Thema bereits diskutiert worden, verrät Angel. Zwar sei dort beschlossen worden, die Supermärkte weiter an Sonntagvormittagen zu öffnen, es sei aber keinesfalls sicher, dass dieser Beschluss noch in den nächsten Wochen aufrechterhalten werde.

Um sich bei ihren Angestellten für ihren Einsatz in der Krise erkenntlich zu zeigen, haben einige Supermarktketten bereits eine Belohnung in Aussicht gestellt. Auchan zahlt seinen Beschäftigten eine außergewöhnliche Prämie von 1.000 Euro. Es blieben aber noch Detailfragen zu klären, betont David Angel. Cactus bietet seinen Angestellten 500 Euro. Zusätzlich werden die Überstunden mit einem Zuschlag ausbezahlt. Die Biomarktkette Naturata habe ihren Mitarbeitern eine Gehaltserhöhung von 2 Euro pro Stunde zugesagt. Der OGBL sei zuversichtlich, dass auch andere Konzerne nachziehen werden, bestätigt der Gewerkschaftssekretär.

Die Regale in den Supermärkten sind noch gut gefüllt. Grund zur Panik gibt es derzeit nicht, niemand wird in absehbarer Zeit Hunger leiden oder seine Essgewohnheiten umstellen müssen. Doch das Warenangebot ist weniger komplett als noch vor der Ankündigung der Ausgangsbeschränkung durch die Regierung. Schuld daran sind vor allem die Hamsterkäufe. Trinkwasser in Plastikflaschen, Nudeln und Mehl sind zwar noch vorhanden, doch die Auswahl ist beschränkt. Insbesondere die bekannten und etwas preisgünstigeren Marken sind oft ausverkauft, teurere Produkte oder solche in Bioqualität liegen hingegen häufig noch aus. Bei Obst und Gemüse sei die Situation ähnlich, sagt Henckes. „Die Menschen achten immer noch auf den Preis, sie lagern anscheinend nicht alles, was ihnen unterkommt“, stellt der CLC-Direktor fest.

„Es kommt alles an, es dauert nur etwas länger“

Toilettenpapier ist hingegen nur noch schwer aufzutreiben. Landesweit scheint es Engpässe zu geben, in manchen  Geschäften scheint aber noch ein größerer Vorrat vorhanden. In einem Supermarkt in Esch/Alzette erklärt uns ein Angestellter am Montag, dass es zurzeit an Nachschub fehle. Zwar werde täglich eine begrenzte Menge angeliefert, doch der Bestand sei schon nach kurzer Zeit wieder ausverkauft. „Vielleicht geht es ja bald schon wieder besser“, murmelt der Mann durch seinen Mundschutz.

Die Lebensmittelversorgung bleibe weiterhin gesichert, zu Lieferengpässen werde es nicht kommen, beschwichtigt Nicolas Henckes. Die Grenzen innerhalb Europas seien für den Warenverkehr weiter geöffnet und das werde auch in Zukunft so bleiben. Allerdings müssten die Lastwagenfahrer wegen Kontrollen an manchen Grenzübergängen lange Wartezeiten in Kauf nehmen. „Es kommt alles an, es dauert nur etwas länger“, sagt Henckes.

Mit Preissteigerungen ist laut CLC im Allgemeinen nicht zu rechnen. Nur Obst und Gemüse seien seit Ausbruch der Coronakrise teurer geworden, teilte der Großhändler „La Provençale“ am Wochenende mit. Hauptgrund seien die folgenschweren Infektionswellen in den wichtigen Anbauländern Italien und Spanien, die viele Erntehelfer aus Osteuropa abschrecken würden. Durch die Reduzierung der Wirtschaftstätigkeit in Europa seien zudem die Transportkosten gestiegen.

Ein Sicherheitsmitarbeiter achtet darauf, dass nur noch eine begrenzte Anzahl an Kunden in den Geschäften anwesend ist. Die Warteschlangen wirken zunächst abschreckend, doch meist lösen sie schon nach kurzer Zeit wieder auf.
Ein Sicherheitsmitarbeiter achtet darauf, dass nur noch eine begrenzte Anzahl an Kunden in den Geschäften anwesend ist. Die Warteschlangen wirken zunächst abschreckend, doch meist lösen sie schon nach kurzer Zeit wieder auf. Foto: Editpress/Tania Feller


Wie schützt man sich am besten vor einer Ansteckung?

Die Schutzmaßnahmen sind die gleichen wie bei anderen Infektionen der Atemwege: Hände regelmäßig und gründlich waschen, in den Ellbogen oder in ein Papiertaschentuch niesen und das Taschentuch sofort in einem abgedeckten Mülleimer entsorgen, Händeschütteln und Küssen vermeiden, von engem Kontakt mit kranken Menschen absehen, zu Hause bleiben, wenn man krank ist, und es unterlassen, das Gesicht mit den Händen zu berühren.

Seit dem 2. März 2020 ist eine Hotline für die Öffentlichkeit unter der Nummer 80 02 80 80 in Betrieb.

Menschen mit Symptomen einer Infektion oder solche, die aus einem Risikogebiet zurückkehren, sollen nicht zum Arzt oder in die Notaufnahme gehen, sondern die Nummer 80 02 80 80 (oder im Notfall 112) anrufen. Darüber hinaus sollten sie von Besuchen bei gefährdeten Personen absehen.

Das Coronavirus im Steckbrief

– Name: Coronavirus, Covid-19
– Übertragungsweg: Tröpfcheninfektion
– Am meisten betroffene Körperregion: Lungen
– Symptome: trockener Husten, Fieber, Atemnot
– Inkubationszeit: bis zu 14 Tagen
– Gefährlich besonders für ältere Menschen oder Personen, die schon (schwere) gesundheitliche Probleme haben

Himmelreich
26. März 2020 - 4.26

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