CoronavirusGroßbritannien erlässt allgemeine Ausgangsbeschränkungen

Coronavirus / Großbritannien erlässt allgemeine Ausgangsbeschränkungen
Eine Frau geht über die Golden Jubilee Fußgängerbrücke im Zentrum Londons.  Foto: Dominic Lipinski/PA Wire/dpa

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Nach langem Zögern schwenkt Premierminister Johnson auf den Kurs europäischer Nachbarn ein und schränkt das öffentliche Leben in Großbritannien drastisch ein. Kritiker fürchten, das Land könnte von der Pandemie noch härter getroffen werden als Italien.

Die britische Regierung hat im Kampf gegen das Coronavirus weitreichende Ausgangsbeschränkungen beschlossen. Das verkündete Premierminister Boris Johnson am Montagabend in einer im Fernsehen übertragenen Rede an die Nation.

Johnson wies seine Landsleute an, das Haus nur noch so wenig wie möglich zu verlassen. „Von heute Abend an muss ich dem britischen Volk eine einfache Anordnung geben: Sie müssen zuhause bleiben“, sagte Johnson. Alle Läden, die nicht zur Grundversorgung dienen, werden mit sofortiger Wirkung geschlossen. Sportliche Aktivitäten sind nur noch einmal am Tag und nur gemeinsam mit Mitgliedern desselben Haushalts erlaubt. Ansonsten dürfe das Haus nur noch für den Einkauf wesentlicher Dinge wie Lebensmittel und Medikamente und für den Weg zur Arbeit verlassen werden, sagte Johnson.

Versammlungen von mehr als zwei Personen seien nicht mehr erlaubt und würden von der Polizei aufgelöst. „Wir werden alle gesellschaftlichen Ereignisse stoppen, einschließlich Hochzeiten, Taufen und andere Zeremonien, ausgenommen Beerdigungen“, sagte der Premier.

Zeit im Freien

Am Wochenende hatten unzählige Briten das schöne Wetter für Ausflüge in städtische Parks und Erholungsgebiete genutzt – zu viele, um den notwendigen Abstand einhalten zu können. Das BBC-Fernsehen zeigte noch am Montag Bilder von überfüllten U-Bahnen in London.

Die Zahl der Toten durch die vom Coronavirus hervorgerufene Lungenkrankheit Covid-19 in Großbritannien stieg am Montag unterdessen auf 335. Kritiker der Regierung fordern seit langem schärfere Maßnahmen, um den Ausbruch einzudämmen. Sie fürchten, Großbritannien könnte noch härter getroffen werden als Italien, sollte der chronisch unterfinanzierte Nationale Gesundheitsdienst NHS unter der Last der Epidemie zusammenbrechen.

Die Regierung hatte sich zunächst gegen härtere Maßnahmen gesträubt. Zum einen wollte sie verhindern, dass der Ausbruch zu stark unterdrückt wird und im Herbst mit voller Wucht zurückkehrt. Zum anderen hoffte sie darauf, mit einer raschen Durchseuchung eine sogenannte Herdenimmunität zu erreichen. Von diesem Ansatz distanzierte sich die Regierung aber inzwischen und korrigierte ihren Kurs. Aufgeschreckt wurde sie von einer Studie des Imperial College in London. Die Forscher hatten ausgerechnet, dass die ursprüngliche Strategie der Regierung bis August 250 000 Menschen das Leben kosten könnte.

Der ehemalige NHS-Direktor für Nordwest-England, John Ashton, warf der Regierung vor, sieben Wochen zu spät gehandelt zu haben. Der Gesundheitsdienst werde nicht in der Lage sein, mit der Situation zurechtzukommen, warnte er in einem BBC-Interview. „Viele Menschen werden zuhause versorgt werden müssen und viele Menschen werden zuhause sterben“, sagte Ashton.