Bericht aus ItalienIn Florenz wächst die Angst vor Zuständen wie in den Nachbarregionen 

Bericht aus Italien / In Florenz wächst die Angst vor Zuständen wie in den Nachbarregionen 
Eine menschenleere Piazzale Michelangelo: Florenz hofft noch, dass die strengen Ausgangsbestimmungen die Stadt vor Zuständen wie im Norden Italiens bewahren Foto: AFP/Carlo Bressan

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Auch in der Toskana wächst die Angst vor einem enormen Anstieg der Covid-19-Erkrankungen. Allein zum Freitag starben 16 Menschen, die Zahl der Neuinfizierten wuchs um 152. Strengste Bewegungseinschränkungen scheinen jedoch ein zeitweises Stagnieren zur Folge zu haben. Im Vergleich zu den nördlichen Nachbarregionen sind die Fallzahlen relativ gering, fraglich bleibt, ob von Dauer.

Auch in der Arno-Metropole geht fast nichts mehr. Wo sich sonst Autos fast Stoßstange an Stoßstange bewegen, gähnt heute die Leere. Nur offizielle Fahrzeuge der Sicherheitsbehörden und Feuerwehren sowie die wenigen Einwohner, die dringende Einkäufe, Arzt- oder Apothekenbesuche unternehmen, sind noch unterwegs. Die Viale Antonio Gramsci und Giacomo Matteotti, die das florentinische Stadtzentrum von Arno bis zum Hauptbahnhof wie ein Ring einschließen, sind leergefegt. Kaum ein Mensch ist zu sehen im Viertel um den Beccaria-Platz, wo man sonst gern flaniert, einkauft, sich in den Bars niederlässt oder die Kinos besucht.

Die Maßnahmen der Regierung, Ausgänge nur in bestimmten Situationen zu gestatten, greifen. Regionalpräsident Enrico Rossi sowie der Oberbürgermeister der Arno-Metropole, Dario Nardella (beide Pd), erklärten, dass die lokalen Behörden „noch rigorosere Maßnahmen ergreifen werden“, sollten die Fallzahlen weiter steigen. Derzeit sind 452 Menschen im Stadtgebiet und den anliegenden Gemeinden positiv auf das Coronavirus getestet worden, 47 Fälle allein von Donnerstag zu Freitag. 1.482 Menschen sind bislang in der Toskana von Covid-19 befallen, noch sind die Zahlen deutlich geringer als in den Nordregionen Lombardei, Emilia-Romagna und Venetien. 38 Patienten erlagen bislang der Krankheit, so die offiziellen Daten.

Busse werden in Depots desinfiziert

Zu den Bewegungseinschränkungen in der Stadt gehören auch Reduzierungen der Bus- und Straßenbahnlinien. Zudem hat das örtliche Fuhrunternehmen ATAF den Schutz für die Fahrer erhöht: Der vordere Teil der Verkehrsmittel ist mit rot-weißen Bändern vom Fahrgastbereich abgesperrt, Zustiege sind nur durch die hinteren Türen erlaubt. Öfter als zur üblichen Routine werden die Fahrzeuge in den Depots desinfiziert. Befahren werden vor allem solche Strecken, die an Supermärkten oder den Krankenhäusern vorbeiführen.

Im Serviceangebot der Stadt befindet sich eine Online-Karte, auf der Öffnungszeiten sowie Örtlichkeiten der notwendigen Einkaufsmöglichkeiten verzeichnet sind. Dies soll verhindern, dass die Bürger unnötige Wege in Kauf nehmen. So sind auch bei den großen Ketten wie Coop oder Esselunga die Öffnungszeiten reduziert worden. Sonntags ist nun generell geschlossen, samstags reduziert geöffnet. Die Angst, in der Arno-Metropole könnten Zustände wie in Mailand oder – noch schlimmer – in Bergamo ausbrechen, ist dennoch allerorten gegenwärtig.

Lombardei am Rande des Kollapses

Die Zustände in der Lombardei stehen kurz vor dem Zusammenbruch des öffentlichen Lebens und des Gesundheitswesens. Die Krankenhäuser sind nahezu hoffnungslos überfüllt. Während der letzten Tage stieg die Zahl der Neuinfizierten auf 2.271 Fälle. Besonders betroffen ist die Provinz Bergamo nordöstlich Mailands. Binnen einer Woche waren 348 Sterbefälle zu beklagen. Die örtlichen Friedhöfe besitzen keine Aufnahmekapazität mehr, die Krematorien arbeiten rund um die Uhr. Die Behörden mussten sich entschließen, Militärlastkraftwagen einzusetzen, um die Verstorbenen in andere Regionen zur Einäscherung zu transportieren.

Fernsehstationen übertragen dramatische Bilder: Das Personal arbeitet bis zur Erschöpfung, um so viele Leben wie möglich zu retten. Angehörige versinken in Trauer und Depression, viele von ihnen konnten sich von den Erkrankten und schließlich Verstorbenen nicht verabschieden. „Mein Vater wurde am 4. März mit Fieber ins Krankenhaus eingeliefert, am 6. März verstarb er“, sagte eine in Tränen aufgelöste Frau. So wie ihr geht es vielen Familien in Italiens Norden.

Bilder, die beunruhigen und in den südlichen Regionen die Angst schüren: Dort liegen die Fallzahlen noch nicht so hoch, doch ungewiss ist, ob dies so bleibt. In aller Tristesse die gute Nachricht: Mattia M., 38-jähriger Unternehmer aus Codogno, hierzulande als „Patient Nr. 1“ geführt, ist auf dem Wege der Genesung und kann bald nach Hause entlassen werden.

Die Stadt erholt sich

Einzig die Umweltbehörden in Florenz sehen einen Lichtblick in der gegenwärtigen Situation: Wegen des eingeschränkten Fahrzeugverkehrs und der auf ein Minimum reduzierten Industrie sinkt der Schadstoffausstoß deutlich. Die Arno-Metropole, im Kessel südlich des Mugello gelegen, ist gewöhnlich von einer dichten Smogglocke bedeckt. Sowohl Stickoxide als auch CO2-Emission sind deutlich zurückgegangen, ein klarer Himmel wölbt sich über Florenz.

Die Natur atmet auf, ob es auch die Menschen können, wird sich zeigen, wenn die drastischen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit auch positive Resultate auf den Rückgang von Neuinfektionen zeigen. Noch sind nicht alle Bürger diszipliniert, Polizei und Carabinieri patrouillieren und verhängen gegenüber denjenigen, die sich nicht an die Vorschriften halten, deutliche Geldbußen. 120 solcher Strafen wurden in den vergangenen 24 Stunden ausgesprochen.



Wie schützt man sich am besten vor einer Ansteckung?

Die Schutzmaßnahmen sind die gleichen wie bei anderen Infektionen der Atemwege: Hände regelmäßig und gründlich waschen, in den Ellbogen oder in ein Papiertaschentuch niesen und das Taschentuch sofort in einem abgedeckten Mülleimer entsorgen, Händeschütteln und Küssen vermeiden, von engem Kontakt mit kranken Menschen absehen, zu Hause bleiben, wenn man krank ist, und es unterlassen, das Gesicht mit den Händen zu berühren.

Seit dem 2. März 2020 ist eine Hotline für die Öffentlichkeit unter der Nummer 80 02 80 80 in Betrieb.

Menschen mit Symptomen einer Infektion oder solche, die aus einem Risikogebiet zurückkehren, sollen nicht zum Arzt oder in die Notaufnahme gehen, sondern die Nummer 80 02 80 80 (oder im Notfall 112) anrufen. Darüber hinaus sollten sie von Besuchen bei gefährdeten Personen absehen.

Das Coronavirus im Steckbrief

– Name: Coronavirus, Covid-19
– Übertragungsweg: Tröpfcheninfektion
– Am meisten betroffene Körperregion: Lungen
– Symptome: trockener Husten, Fieber, Atemnot
– Inkubationszeit: bis zu 14 Tagen
– Gefährlich besonders für ältere Menschen oder Personen, die schon (schwere) gesundheitliche Probleme haben