Wildtierstation in DüdelingenExperte rät zur Vorsicht im Umgang mit verletzten Wildtieren

Wildtierstation in Düdelingen / Experte rät zur Vorsicht im Umgang mit verletzten Wildtieren
Pesto, der freundliche Waschbär von Düdelingen, ist nur einer von hundert aktuellen Bewohnern der Pflegestation. Eigentlich dürfte die Art nicht in Luxemburg vorkommen. Dennoch ziehen gerade um die tausend Waschbären durchs Land.  Foto: Editpress/Eric Hamus

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Tiere in Not lassen nur die wenigsten Menschen kalt. Nicht immer aber ist es angebracht, das Tier sofort aufzugreifen, sagt Raf Stasser von der Wildtierstation in Düdelingen. Damit könne man mehr Schaden anrichten als Gutes. Sein Rat: sämtliche Vorgehensweisen per Anruf mit der Pflegestation abstimmen.

Besuch im Gehege: Neugierig schnüffelt Pesto an den Schuhen des Gastes, bevor er seinen Kopf für Streicheleinheiten anbietet. Rasch verliert das Tier auch die letzte Scheu und beginnt, spielerisch an der Hand des neuen menschlichen Freundes zu nagen. Währenddessen klettern seine neun Artgenossen flink am Zaun entlang auf die andere Seite des Geheges. Im Gegensatz zu Pesto meiden sie die Menschen.

Neben dem freundlichen Waschbären sind derzeit noch rund hundert weitere Tiere in der Wildtierstation von Düdelingen zu Gast. Während Pesto und seine neun Freunde aber auf eine Weitervermittlung an Tierparks oder ähnliche Gehege warten, werden die meisten anderen Arten auf ihre Freilassung vorbereitet. „Unsere Mission ist es nämlich, die Tiere, nachdem sie bei uns abgegeben wurden, wieder in ihrem natürlichen Lebensraum zu integrieren“, erklärt Direktor Raf Stassen.

Die besten Absichten

In diesem Zusammenhang liegt dem Leiter der einzigen Pflegestation für wilde Tiere in Luxemburg etwas auf dem Herzen: Mit den Temperaturen wird auch die Zahl der Tiere wieder steigen, die verletzt oder verlassen aufgefunden werden. Bevor diese aber von Menschen aufgegriffen und nach Düdelingen gebracht werden, sollten diese jegliche Vorgehensweise unbedingt mit der Tierstation absprechen. „Die meisten Menschen haben die besten Absichten und wollen den Tieren helfen“, weiß Stassen. Leider bestehe die Möglichkeit, dass damit mehr Schaden angerichtet wird als Gutes.

Um diese Jahreszeit werden etwa viele Häschen in den Feldern gefunden. „Das bedeutet aber nicht, dass die Kleinen von den Eltern im Stich gelassen wurden. Es liegt in der Natur der Hasen, den Nachwuchs tagsüber alleine zu lassen. Die Kleinen werden aber weiter gefüttert“, erklärt der Experte. Leider komme es immer wieder vor, dass wohlwollende Menschen die Häschen aufgreifen. „Die Betroffenen glauben, helfen zu müssen. Allerdings ist das nicht immer der Fall“, so Stassen. Deshalb der Aufruf an die Bevölkerung, die Wildtierstation in Düdelingen zu verständigen: „Zusammen klären wir dann ab, in welchem Zustand sich die Tiere befinden und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen.“

Ähnlich verhält es sich auch mit verschiedenen Vogelarten: Der Nachwuchs wird quasi des Nestes verwiesen, damit er das Fliegen erlernt. Für Laien sieht es dann so aus, als hätten die Eltern die Kleinen verstoßen. „Oft aber brauchen die kleinen Vögel nur etwas Zeit und die Eltern sind nicht weit weg“, erklärt Stassen. Auch höre er immer wieder von Betroffenen, dass sie befürchten, ihre Katzen würden den Kleinen etwas antun. „In dem Fall raten wir, die Katze einige Zeit nicht ins Freie zu lassen“, so der Direktor der Pflegestation. Generell benötigten kleine Vögel zwei bis drei Tage, um das Fliegen zu erlernen.

3.500 Tiere im Jahr

Bis zu 12.000 Anrufe nimmt die Wildtierstation in Düdelingen jährlich entgegen. In den meisten Fällen handelt es sich um Fragen zur weiteren Vorgehensweise bei verletzten oder verlassenen Tieren. Nicht selten sind es Rettungskräfte, die Anrufe aus der Bevölkerung weiterleiten oder selbst mit Tieren konfrontiert wurden, die bei Unfällen verletzt wurden.

Seit 2018 müssen betroffene Tiere auch nicht mehr nach Düdelingen gebracht werden. In Niederfeulen, Clerf und Junglinster wurden sogenannte „Drop-off-Stationen“ aufgestellt, in denen verletzte oder verlassene Arten abgegeben werden können. Die Stationen befinden sich in der Nähe der lokalen Einsatzzentren und wurden mit Zugangscode und Transportkäfigen ausgestattet, in denen die Tiere sicher aufbewahrt werden können, bis dass Hilfe aus Düdelingen eintrifft. „Die Stationen sind für den Fall vorgesehen, dass Tiere aus irgendwelchen Gründen nicht nach Düdelingen gebracht werden können“, erklärt Raf Stassen. Die Pflegestation kümmert sich in der Folge darum, dass das Tier auch schnellstmöglich abgeholt wird.

Insgesamt wurden letztes Jahr rund 3.500 Tiere in Düdelingen aufgenommen. Vor allem im Sommer werden bis zu 100 Tiere am Tag abgeliefert. Beim Großteil davon – etwa 75 Prozent – handelt es sich um Vögel, die beim Flug in ein Fenster verletzt wurden. Der Rest besteht überwiegend aus Säugetieren. „Vor allem Igel und Füchse, aber auch viele Rehe“, betont der Direktor der Station. Die meisten werden bei Unfällen verletzt. „Besonders gegen Ende des Sommers und Anfang Herbst, wenn Jungtiere ein neues Revier suchen. Diese haben kaum Erfahrung mit dem Straßenverkehr. Auch werden die Wälder in Luxemburg immer wieder von Straßen durchzogen, was es dem Wild nicht einfacher macht“, so Stassen.

Immer wieder kommt es vor, dass Tiere von ihren Besitzern ausgesetzt werden. Wie dieser Chinchilla-Rüde, der mit zwei Artgenossen in einer Kiste auf einem Feld gefunden und von Dr. Vale Ossola in der Wildtierstation aufgepäppelt wurde. 
Immer wieder kommt es vor, dass Tiere von ihren Besitzern ausgesetzt werden. Wie dieser Chinchilla-Rüde, der mit zwei Artgenossen in einer Kiste auf einem Feld gefunden und von Dr. Vale Ossola in der Wildtierstation aufgepäppelt wurde.  Foto: Editpress/Eric Hamus

Allerdings kommt es immer wieder vor, dass exotische Tiere in der Luxemburger Wildnis gefunden werden. Waschbären zum Beispiel, die eigentlich nicht in den hiesigen Wäldern vorkommen sollten. Die invasive Art wurde vor Jahrzehnten von Menschen eingeführt und hat sich in der Zwischenzeit deutlich vermehrt. Vorsichtigen Schätzungen zufolge dürfte sich die Waschbärenbevölkerung im Großherzogtum inzwischen auf mehr als tausend Exemplare belaufen.

Zudem werden in Luxemburg auch immer wieder Schildkröten oder Schlangen gefunden, die von ihren Besitzern ausgesetzt wurden. „Vor wenigen Wochen wurde auf dem Escher Galgenberg eine Schlange gefunden, die eigentlich nur in Asien vorkommt“, erklärt Raf Stasser. In einem anderen Fall sei ein Exemplar auf einem Fußballfeld unterwegs gewesen. „Das exotischste Tier in letzter Zeit aber war definitiv ein Chamäleon“, erinnert sich Stasser. Ein Spaziergänger hatte das Tier in einem Wald gefunden, nachdem es von Unbekannten ausgesetzt worden war. „Oder drei Chinchillas, die in einer Kiste auf einem offenen Feld gefunden wurden“, so der Direktor der Pflegestation. „Deshalb auch unser Appell, sich die Anschaffung eines Tieres auch wirklich durch den Kopf gehen zu lassen“, mahnt Stasser. Man sollte sich wirklich sicher sein, dass man dem Tier ein gutes, artgerechtes Zuhause bieten kann.