EU-GipfelDie Einheit ist dahin: Wenn es um Geld für Europa geht, ist der Streit nicht weit

EU-Gipfel / Die Einheit ist dahin: Wenn es um Geld für Europa geht, ist der Streit nicht weit
„Wir haben für das Roaming vor ein paar Jahren mehr bezahlt als wir für Europa bezahlen“: Vielleicht war es dieser Satz von Xavier Bettel, über den Luxemburgs Regierungschef und Österreichs Kanzler Sebastian Kurz zu Beginn des Gipfels so lachen Foto: AFP/Ludovic Marin

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Der erste EU-Gipfel nach dem Brexit dreht sich ums Geld. Das sorgt für Streit – selbst die Benelux-Staaten sind sich nicht einig

Es ist das erste Mal, dass die 27 Staats- und Regierungschefs der EU nach dem Brexit zusammenkommen. Endlich reden sie über den neuen Kurs, den sie nach dem britischen Austritt einschlagen wollen. Doch schon die ersten Wortmeldungen beim Sondergipfel zum EU-Budget machen klar, dass die beim Brexit beschworene Einheit dahin ist.

„Wir sind noch nicht zufrieden“, erklärt Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel bei ihrer Ankunft im Brüsseler Ratsgebäude. Das Zahlenwerk, das Gipfelchef Charles Michel für die Jahre 2021 bis 2027 ausgearbeitet hat, müsse gründlich überarbeitet werden. Unter den Nettozahlern sei „die Balance noch nicht richtig ausgearbeitet“, warnt Merkel.

Es ist ein Seitenhieb auf Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron. Der zeigt sich mit Michels Entwurf zufrieden, denn Frankreich – ein Nettozahler wie Deutschland – kommt dabei recht gut weg. Aber auch Macron fordert noch Nachbesserungen. Es müsse mehr Geld für die Bauern geben, aber auch für die Rüstung oder das „digitale Europa“.

Xavier Bettel gibt sich ausgabenfreudig

Doch nicht nur Merkel und Macron liegen über Kreuz. Auch die Benelux-Staaten sind tief zerstritten. Luxemburgs Regierungschef Xavier Bettel gibt sich ausgabenfreudig: „Wir haben für das Roaming vor ein paar Jahren mehr bezahlt, als wir für Europa bezahlen“, sagt er zu Beginn des Treffens, da bis Samstag dauern könnte. Man dürfe nicht an der falschen Stelle sparen, etwa bei der Verwaltung.

Ganz anders klingt es bei Mark Rutte, seinem niederländischen Amtskollegen. „Der Vorschlag ist echt nicht gut“, sagt der liberale Politiker aus Den Haag bei der Ankunft in Brüssel. Michel wolle zu viel Geld ausgeben und die Nettozahler zu sehr zur Kasse bitten. Der Entwurf sieht ein EU-Budget in Höhe von 1,074 Prozent der Wirtschaftsleistung vor. Rutte will jedoch nur 1,0 Prozent zahlen.

Man streitet um 0,074 Prozentpunkte – dabei fordert das Europaparlament noch deutlich mehr: 1,3 Prozent. Zwischen diesen Zahlen klafft eine Lücke von rund 300 Milliarden Euro für die kommenden sieben Jahre. Wie sie überbrückt werden kann – und wofür das Geld ausgegeben werden soll –, darum dreht sich der Streit. Zumindest vordergründig.

In Wahrheit geht es aber um die Zukunftsfähigkeit, wenn nicht gar ums Überleben der Union. Mehr „Modernität“ fordert Merkel, was Einschnitte bei den Agrarsubventionen und bei den Strukturhilfen für die armen Regionen bedeutet. Mehr „Souveränität“ wünscht sich Macron, was er auch mit „souveräner Nahrungsmittelversorgung“ übersetzt – also mehr Geld für Bauern und eine „grüne“ Agrarindustrie.

Das Europaparlament hingegen will mehr Geld für den „Green Deal“, den Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen vorgeschlagen hat. Die Unterscheidung zwischen Nettozahlern, also Gebern, und Empfängern, sprich Nehmern, sei überholt, warnt Parlamentspräsident David Sassoli beim ersten Gipfeltreffen in großer Runde am Donnerstagabend. „Alle Mitglieder profitieren von der EU“.

Das Problem ist nur, dass jede Regierung anders rechnet. Die einen schauen auf die Höhe ihres EU-Beitrags, die andern auf die Nettozahlungen. Die Osteuropäer blicken eifersüchtig auf die Einnahmen aus den Strukturfonds, die Südeuropäer rechnen vor allem bei den Agrarsubventionen genau nach. Und alle blicken auf Merkel – denn ohne den größten Beitragszahler geht nach dem Brexit gar nichts.

Für die Kanzlerin ist es das letzte EU-Budget – und damit auch die letzte Möglichkeit, vor Beginn des deutschen EU-Vorsitzes am 1. Juli wichtige Weichen zu stellen. Sollte eine Einigung erst danach gelingen, dann muss Merkel einen Kompromiss suchen. Das könnte teuer werden für Berlin. Auch deshalb ist Merkel an einer Einigung interessiert. Wenn nicht bei diesem Gipfel, dann spätestens im Juni.