SchwedenSensationeller Durchbruch im Mordfall Olof Palme: Die Lösung steht kurz bevor

Schweden / Sensationeller Durchbruch im Mordfall Olof Palme: Die Lösung steht kurz bevor
34 Jahre nach dem bis heute ungeklärten Mord an dem damaligen schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme sind die Ermittler der Lösung des Falls nach eigenen Angaben ein Stück nähergekommen Foto: dpa/Tobbe Gustavsson

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Bis heute gilt der ungelöste Mord als nationales Trauma. Auch deswegen hat die Ankündigung diese besondere Sprengkraft. Schwedens Polizei wird „in dieser Jahreshälfte“ den oder die Verantwortlichen für den Mord am linksorientierten sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Olof Palme 1986 präsentieren – und darlegen, was um den Mord herum geschehen ist.

Der Mord an Schwedens betont linksorientiertem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Olof Palme im Jahr 1986 beschäftigt die Schweden weiterhin. Vor allem da er nie aufgeklärt wurde. Wie eine Bombe schlug dementsprechend eine Ankündigung des Chefermittlers der seit 34 Jahren erfolglos ermittelnden Palme-Mordgruppe, Krister Petersson, ein: „Ich bin positiv dazu, dass wir präsentieren können, was um den Mord herum geschah und wer dafür verantwortlich ist“, sagte er im TV. Der Öffentlichkeit werde dies noch in dieser Jahreshälfte enthüllt.

Er selbst wisse bereits, ob Anklage erhoben oder die Voruntersuchung niederlegt wird, so der Chefermittler. Dieser Entscheid soll bereits „in diesem Frühling“ fallen, so Petersson. Laut der Zeitung DN bedeutet dies, dass in den kommenden Monaten entweder ein noch lebender Täter angeklagt wird oder ein bereits verstorbener Täter namentlich genannt wird, zusammen mit allen Beweisen, die ihn und möglicherweise Hintergrundpersonen belasten. Letzteres wäre rechtsstaatlich ungewöhnlich. Aber der Fall Palme hat eine solche Relevanz für Schweden, dass eine reine Niederlegung ohne Erklärung nicht akzeptiert werden würde.

„Das wäre ja sensationell, wenn ihr Anklage gegen den Mörder von Schwedens Ministerpräsidenten erhebt, 34 Jahre nach dem Mord?“, so die TV-Moderatorin. In Schweden duzen sich alle. „Ja, das wäre sensationell. Das kann man sagen“, antwortete der sonst zurückhaltend auftretende Chefermittler fast ein wenig stolz.

Im kollektiven Gedächtnis verankert

Bis heute wird die Debatte um den Palme-Mörder leidenschaftlich geführt. Viele Schweden erinnern sich noch an jenen Tag, als Palme starb. „Ich war ein Kind, aber weiß noch genau, wir saßen auf dem Sofa. Der Fernseher war an. Meine Eltern weinten“, sagt etwa die 44-jährige Helena Westermark gegenüber dem Tageblatt. Viele gewöhnliche Schweden erzählen Ähnliches.

Sonst zumeist von Sicherheitsleuten bewacht, war Olof Palme am 28. Februar 1986 mit seiner Frau Lisbeth im Kino im Stockhomer Stadtzentrum. Auf dem abendlichen Heimweg fiel der tödliche Schuss. Die politisch harmlose Theorie, wonach ein 2004 verstorbener drogenabhängiger Kleinkrimineller den Ministerpräsidenten zufällig erschossen hätte, gilt inzwischen als widerlegt.

Der schwedische Star-Kriminologe Leif Persson glaubt, dass die Täter bereits tot sind. Vermutlich habe die Polizei endlich die Mordwaffe gefunden, so Persson, denn „wenn man sowas ankündigt, muss man wasserdichte Beweise haben“. Persson geht zudem davon aus, dass mehr als nur eine Person in den Mord verwickelt war. „Zweitens werden politische Personen für gewöhnlich aus politischen Gründen ermordet“, so Persson, der davon ausgeht, dass die Mörder genaue Informationen über Palmes örtliche Bewegungen am Mordabend hatten und auch vorab informiert waren, dass er da nicht bewacht wurde. „Das war eine Konspiration kleineren Typs von Personen, die sich in Palmes Nähe aufhielten“, so Persson. Jemand von denen habe gewusst, wo er sich an jenem Abend aufhalten würde.

Rechtsradikale im Sicherheitsapparat

Der altgediente SVT-Journalist Lars Borgnäs (72) hat zudem in dieser Woche ein Buch zum Palme-Mord herausgebracht. Demnach soll die für Personenschutz verantwortliche Geheimpolizei Säpo in den Mord verwickelt gewesen sein. Damals gab es viele Rechtsradikale im schwedischen Sicherheitsapparat. Palme setzte sich sehr gegen Rassismus in Schweden und Südafrika ein. Auch die Oberschicht hasste Palme, wegen Umverteilungsideen, die einige als Enteignung schimpften. So stützte Palme eine Initiative, mit der bis zu 20 Prozent aller Gewinne von Großunternehmen in Arbeitnehmer-Eigentum übergehen sollten. Nach Palmes Mord wurden die staatstragenden Sozialdemokraten deutlich bürgerlicher. Sie sind es auch heute noch. Palme hatte sich lange gegen diese aufkeimende Rechtsorientierung der Arbeiterpartei gestemmt und dadurch auch parteiintern viele Feinde.

Auch in den USA unter Ronald Reagan war er unbeliebt. Seine Linkspolitik im starken, eher westlichen, wenn auch neutralen Industrieland Schweden mitten im Kalten Krieg und sein versöhnliches Verhältnis zum Ostblock wurden als gefährlich wahrgenommen. Schwedens Sozialdemokraten wollten damals einen dritten Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus gehen.

Bekannt sind die Bilder, in denen Palme 1968 als sozialdemokratischer Minister in Washington bei einer Demonstration Seite an Seite mit dem Botschafter des kommunistischen Nordvietnams gegen den Vietnamkrieg demonstriert. Die USA riefen damals ihren Botschafter aus Stockholm zurück. Später sieht man Palme Zigarre rauchend mit Fidel Castro in einer bilateralen Verhandlungspause. Palme war ein zu linker Sozialdemokrat. Kommunist oder Sozialist war er aber nie.