ExplosionEin Jahr nach der Tragödie in Waldhof ist die Ursache noch unklar

Explosion / Ein Jahr nach der Tragödie in Waldhof ist die Ursache noch unklar
Das Unglück im Munitionslager der Armee auf Waldhof hinterlässt eine tiefe Wunde bei den Luxemburger Streitkräften Foto: Editpress/Alain Rischard

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Bei einer Explosion im Munitionslager der Armee auf Waldhof kamen vor exakt einem Jahr zwei Unteroffiziere ums Leben. Zwei weitere Unteroffiziere wurden zum Teil schwer verletzt. Die Ursache ist auch ein Jahr später noch nicht einwandfrei geklärt.

Auf Waldhof, tief im Herzen des Grünewalds, liegt das Camp Major Jules Dominique. Hier, weitab jeglicher Infrastrukturen, befindet sich das Munitions- und Materiallager der Luxemburger Armee sowie das Hauptquartier des „Service de déminage“ (Sedal). Fast täglich muss die Spezialeinheit zu Einsätzen ausrücken, bei denen Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg gesichert werden müssen. Mehr als 250 Mal im Jahr ist das der Fall. Etwa wenn Bautrupps bei ihren Arbeiten auf Bomben oder Artilleriegeschosse stoßen, die seit mehr als siebzig Jahren im Boden schlummerten.

In der Regel wird das hochexplosive Material vom ausgebildeten Fachpersonal des siebenköpfigen Kampfmittelräumdienstes unter höchsten Sicherheitsauflagen entfernt und im Munitionsdepot auf Waldhof zwischen gelagert, bevor es auf einem spezialisierten Gelände in Belgien entsorgt wird. Genau das sollte auch am 14. Februar 2019 passieren. Eigentlich ein Routineeinsatz für die Mitglieder der Spezialeinheit, der an diesem Tag allerdings eine tragische Wendung nahm.

Der Stützpunkt des Kampfmittelräumdienstes liegt tief im Herzen des Grünewalds, fernab jeglicher Häuser oder Straßen
Der Stützpunkt des Kampfmittelräumdienstes liegt tief im Herzen des Grünewalds, fernab jeglicher Häuser oder Straßen Foto: Editpress/Alain Rischard

Adjudant-Major Luc Derneden (47) und Adjudant-Chef Mike van de Berg (39) sollten das 20 Zentimeter dicke und 48 Kilogramm schwere Artilleriegeschoss für den Abtransport am nächsten Tag nach Belgien vorbereiten. Sie wollten den Sprengkörper mit einem Gabelstapler verladen, als er unerwartet explodierte. Für die zwei Männer sollte jede Hilfe zu spät kommen, beide verloren bei der Explosion ihr Leben. Zwei weitere Unteroffiziere, die zu diesem Zeitpunkt in der Nähe der kleinen Lagerhalle Material abholen sollten, wurden von der Druckwelle erfasst und verletzt. Einer der Männer befand sich zunächst sogar in Lebensgefahr.

Adjudant-Major Remy Eiffes ist es wohl zu verdanken, dass Adjudant-Chef John Lanser heute noch lebt. Das Mitglied des Kampfmittelräumdienstes war nach der Explosion rasch zur Stelle und half, die Blutungen des lebensgefährlich verletzten Kollegen zu stillen, bis die Rettungskräfte eintrafen. Für dessen Einsatz wurde der Unteroffizier an Nationalfeiertag mit dem „Chevalier de l’Ordre de la Couronne de Chêne“ ausgezeichnet.

Bei der gleichen Gelegenheit wurden die verstorbenen Adjudant-Major Luc Derneden und Adjudant-Chef Mike van de Berg mit der „Croix d’Honneur et de Mérite Militaire en Verméil avec Palmes“ geehrt – der höchsten Auszeichnung, die der Großherzog posthum verleihen kann. Gleichzeitig wurde in der Militärkaserne in Diekirch eine Ehrentafel enthüllt, auf welcher sämtliche Militärangehörige verewigt wurden, die ihren Dienst am Lande mit dem Leben bezahlen mussten.

Armee zieht erste Konsequenzen

Die Ursache des tragischen Zwischenfalls ist auch ein Jahr später noch nicht ganz geklärt. Fest steht: Das Geschoss war nicht mit einem Zünder versehen, galt zum Zeitpunkt des Unglücks als gesichert. Die beiden Unteroffiziere indessen waren – wie ihre Kollegen in der Spezialeinheit – bestens ausgebildet und galten als erfahren, gewissenhaft und hochprofessionell. Laut Staatsanwaltschaft liegt inzwischen auch ein technisches Gutachten vor, doch wurde die Kriminalpolizei noch mit weiteren Ermittlungen befasst. Einzelheiten sind aufgrund des Ermittlungsgeheimnisses nicht bekannt.

Die Führung der Luxemburger Streitkräfte verweist ebenfalls auf die noch laufenden Ermittlungen. Man verfüge noch nicht über sämtliche Details und Analysen, betont der Befehlshaber des Kampfmittelräumdienstes, Kapitän François Utter. „Allerdings haben wir verschiedene Hypothesen aufgestellt, die es uns erlaubt haben, die Prozeduren anzupassen“, so der Offizier weiter. So werden etwa verschiedene Munitionsarten überhaupt nicht mehr transportiert. Vielmehr werden diese Sprengkörper – wenn möglich – nach einer gründlichen Risiko-Analyse noch am Fundort zerstört.

Im September 2019 enthüllt Großherzog Henri ein Monument, auf dem alle Angehörigen der Streitkräfte verewigt wurden, die im Dienst ihr Leben für das Land lassen mussten. Die zwei letzten Einträge gelten den Unteroffizieren, die beim Unglück auf Waldhof ums Leben kamen.
Im September 2019 enthüllt Großherzog Henri ein Monument, auf dem alle Angehörigen der Streitkräfte verewigt wurden, die im Dienst ihr Leben für das Land lassen mussten. Die zwei letzten Einträge gelten den Unteroffizieren, die beim Unglück auf Waldhof ums Leben kamen. Foto: Editpress/Claude Lenert

„Die Menge der Munition, die auf Waldhof zwischengelagert wird, ist damit gesunken“, erklärt Kapitän Utter. „Außerdem haben wir die Frequenz unserer Fahrten nach Belgien erhöht, um die Munition so schnell, wirksam und sicher wie nur möglich entsorgen zu können.“ Auch seien die Sicherheitsprozeduren im Lager selbst verstärkt worden, etwa was die medizinische Unterstützung der Spezialeinheit anbelangt.

Auch am Rest der Luxemburger Armee sei das vergangene Jahr nicht spurlos vorbei gezogen, betont indessen SPAL-Präsident Christian Schleck. „Es war ein emotionales Jahr für die Armee. Auch wenn es vielleicht nicht den Anschein hat, so ist die Armee wie ein kleiner Betrieb, in dem sich die Leute alle kennen. Viele von uns leben zusammen auf dem Herrenberg. So war jeder gleich tief betroffen vom Unglück und vom Verlust der Kollegen“, betont der Vorsitzende der Personalvertretung der Unteroffiziere. Der Zwischenfall habe eine tiefe Wunde bei den Angehörigen der Luxemburger Streitkräfte hinterlassen. „Vor allem natürlich bei den Kollegen der Spezialeinheit“, so Schleck.

Er selbst habe die Verstorbenen als extrem gewissenhafte Experten gekannt, die nichts dem Zufall überlassen. „Umso tragischer ist es, dass es zu diesem Unglück kommen konnte“, unterstreicht der Gewerkschaftsvertreter im Gespräch mit dem Tageblatt. Stolz ist Schleck auf die Reaktion der Kollegen nach einem Spendenaufruf des „Syndicat Professionnel de l’Armée Luxembourgeoise“. Über den Rettungsfond der Gewerkschaft konnten genügend Mittel gesammelt werden, um den Hinterbliebenen zu helfen, den Kindern der Verstorbenen ein Sparkonto einzurichten und die beiden Verletzten in ihrer Genesung zu unterstützen. „Auch für sie war es ein harter Schlag“, gibt Schleck zu bedenken.