Alain spannt den BogenIn der Philharmonie finden Orchester und Dirigent Janowski nicht zueinander

Alain spannt den Bogen / In der Philharmonie finden Orchester und Dirigent Janowski nicht zueinander
Enttäuschend: Das OPL mit der Solistin Iwona Sobotka und Marek Janowski Foto: Philharmonie/Eric Devillet 

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Mit Richard Wagners Siegfried-Idyll, den Vier Letzten Liedern sowie der Sinfonia domestica von Richard Strauss standen gleich drei sehr attraktive und klangvolle Werke über das Thema Leben, Familie, Tod auf dem Programm des Orchestre Philharmonique du Luxembourg vom vergangenen Freitag.

Am Pult stand kein Geringerer als Marek Janowski, einer der letzten Vertreter der alten deutschen Dirigierkunst. Ein Kapellmeister im besten Sinne, ein Interpret, der die Werke von Wagner und Strauss schon viele Jahrzehnte in und auswendig dirigiert und von dem zwei der besten Ring- Zyklen auf CD existieren. Janowski ist aber weder Stardirigent noch Pulttänzer, sondern eher ein handwerklicher Könner (im positiven Sinne), ein strenger du hartarbeitender Interpret, der sich immer hinter den Komponisten und in den Dienst des Werkes stellt. Wer Janowski im Konzert erlebt hat, der weiß, was dieser Dirigent ohne große Gesten und Mätzchen alles aus einem Orchester herausholen kann.

Farblos und unpräzis

Umso erstaunter waren wir von der, seien wir ehrlich, unterdurchschnittlichen Leistung des OPL an diesem Abend. Besonders die erste Konzerthälfte war z.T. einfach schlecht gespielt. Und daran waren in allererster Linie die 1. und 2. Geigen Schuld, die mit farblosem, völlig unpräzisem und unsicherem Spiel alles andere als eine akzeptable Interpretation boten. Von dem schwebenden, schönen und transparenten Klang, der das Siegfried-Idyll charakterisiert, war aber rein gar nichts zu spüren.

Tadellos dagegen die Holz und Blechbläser, die den ganzen Abend über auch solistisch ihre Klasse zeigen durften. Der Applaus fiel nach dieser eindimensionalen Wiedergabe demnach auch sehr spärlich aus. Nicht viel besser wurde es mit den Vier Letzten Liedern von Richard Strauss, dem vielleicht schönsten Orchesterliederzyklus der Musikgeschichte.

Eigentlich hätte die Klangopulenz und der Farbenreichtum dieses Werkes kein Problem für das Orchester sein dürfen, zieht es sich in den letzten Jahren doch gerade bei solchen Orchesterschinken hervorragend aus der Affäre. Doch die unzufrieden stellende Leistung übertrug sich dann auch teilweise auf das Strauss-Werk. Erst ab dem dritten Lied schienen die Musiker endlich etwas zusammenfinden, von dem gewohnt guten Spiel waren wir aber weit entfernt.

Die Solistin des Abends, die Sopranistin Iwona Sobotka begeisterte mit ihrer schönen, weittragenden Stimme und einer makellosen, sehr frei klingenden Höhe. Allerdings verstand man recht wenig vom Text und ich hatte doch stark den Eindruck, als würde die Sängerin hauptsächlich phonetisch singen. Das beeinträchtigte natürlich Phrasierung und expressive Gestaltung, so dass man auch hier nicht wirklich von einer idealen Interpretation sprechen konnte.

Die selten gespielte Sinfonia domestica

Marek Janowski gab sich mit einer sehr klaren und Gestik viel Mühe, um ein Maximum an Klang aus dem OPL herauszuholen, doch irgendwie schien die Musiker an diesem Abend nicht besser zu können oder vielleicht auch nicht zu wollen. Ein Blick in ihre Gesichter sprach Bände. Von Musizierfreude, Konzentration oder Gestaltungswillen war bei den Streichern nicht viel zu spüren.

Besser geriet dem OPL dann die Sinfonie domestica. Diese ist ein typisches Strauss-Stück, riesig besetzt, voller Klangopulenz und angenehmer Melodien. Strauss’ Einfallsreichtum ist, was die Orchestrierung und die Themenverarbeitung betrifft, wieder einmal enorm und so kann der aufmerksame Hörer in jedem Moment neue, phantasievolle Einfälle in der Domestica entdecken.

Allerdings erfreute sich das Werk nur kurz nach der Uraufführung einer großer Beliebtheit. Heute steht es immer im Schatten von Heldenleben, Alpensymphonie und Zarathustra und nur wenige Orchester und Dirigenten nehmen die Sinfonia domestica in ihr Repertoire auf.

Während 45 Minuten spulten die Musiker nun eine recht ordentliche Leistung ab. Das Orchester funktionierte als Ensemble besser und klang homogener, was der Kompaktheit des Werkes entgegenkam. Blech und Holz waren phantastisch, während sich die Streicher hörbar bemühten, doch trotz einem eindeutig besserem Spiel zu keinem wirklich einheitlichen Klang fanden. Es sollte wohl nicht sein, an diesem Abend.

Und irgendwie hatte man permanent den Eindruck, als gäbe es kein richtiges Einverständnis zwischen dem OPL und Marek Janowski, der wirklich versuchte, eine ordentliche Interpretation zu gestalten, aber irgendwie vom Orchester ausgebremst wurde. Aber vielleicht täten die Programmdirektoren auch gut daran zu überlegen, ob es jetzt – wo das Orchester doch spürbar im Aufwind ist – nicht an der Zeit ist, zu den Basics zurückzukehren, und anstelle von Schostakowitsch, Bruckner, Mahler und Strauss ihre Spielkunst wieder regelmäßig bei den viel feineren und nuancierteren Haydn- und Mozart-Symphonien zu schärfen.