Leben ohne DrogenDas „Centre post-thérapeutique in Schönfels“ ist ein Ort der letzten Chance für Drogenabhängige

Leben ohne Drogen / Das „Centre post-thérapeutique in Schönfels“ ist ein Ort der letzten Chance für Drogenabhängige
15 Personen, die eine Suchttherapie erfolgreich abgeschlossen haben, können in Schönfels Hilfe bekommen Foto: Editpress/Anne Lommel

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Laut dem Drogenbericht 2018 des Gesundheitsministeriums gab es 2017 offiziell 5.285 Drogenabhängige in Luxemburg. Für diejenigen, die eine Therapie abgeschlossen haben, besteht die Möglichkeit einer Nachbehandlung in Schönfels.

Im sechs Ar großen Garten sind zwei Bewohner der Einrichtung damit beschäftigt, eine Grube auszuheben. Ringsum herrscht fast vollständige Stille. Ruhe und Abgeschiedenheit charakterisieren das „Centre post-thérapeutique“ der „Stëmm vun der Strooss“ nahe dem Schönfelser Schloss aus dem 13. Jahrhundert. Die Menschen werden dort auf ein Leben in der Welt abseits der schützenden Mauern des Zentrums vorbereitet. Parallel betreibt die „Stëmm“ dort eine berufliche Wiedereingliederungsmaßnahme in den Bereichen Gartenarbeit, Naturschutz und Pflege von Grünflächen sowie in der Gemeinschaftsküche.

Die Hilfesuchenden, die keiner Beschäftigung außerhalb des Zentrums nachgehen, müssen dort mitarbeiten, vorausgesetzt, es gibt freie Plätze. Die Arbeitsmaßnahme ist auf maximal 30 Personen begrenzt. Das Obst und Gemüse, das im Garten angebaut wird, wandert in die Küchen der „Stëmm“ in Schoenfels, Esch und Luxemburg.

Beteiligung am Dorfleben

Das Klischee von umherlaufenden Junkies und herumliegenden Spritzen, das bei der Erwähnung eines solchen Zentrums wohl in vielen Köpfen herumschwirrt, ist falsch. In Schönfels gelten strenge Regeln: Die einzige erlaubte Droge ist Tabak, ansonsten wird nichts toleriert. Benötigte Medikamente werden unter Verschluss gehalten und bei Bedarf ausgeteilt.

Das Zentrum besteht seit 2014 und wird aus dem „Fonds de lutte contre le traffic de stupéfiants“ finanziert. Es bietet Platz für 15 Personen, die auf acht Zimmer verteilt sind. Der politische Wille sowohl auf staatlicher Seite wie auch auf kommunaler Ebene habe die Schaffung des „Centre post-thérapeutique“ ermöglicht, erzählt die Direktorin der „Stëmm“, Alexandra Oxacelay. Die Einwohner in Schönfels seien dem Zentrum anfangs eher mit Skepsis begegnet, wohl wegen der oben genannten Klischees.

„Wir wollen uns mit verschiedenen Aktionen in das Ortsleben integrieren, indem wir an den Aktivitäten der Gemeinde, beispielsweise am Dorffest, teilnehmen“, erklärt Daniel Schneider, der Leiter des Zentrums. „So kann sich jeder selbst ein Bild unserer Arbeit machen. Probleme haben wir hier so gut wie nie.“ Nur zweimal habe bis dato die Polizei eingreifen müssen. Einmal habe eine Person gedroht, sich umzubringen, ein anderes Mal weigerte sich ein Bewohner, das Zentrum zu verlassen, obwohl seine Zeit dort abgelaufen war. Die maximale Aufenthaltsdauer beträgt zwei Jahre.

Nachbehandlung ist freiwillig

„Die Leute, die zu uns kommen, haben schon eine Therapie hinter sich, die unter Umständen bis zu zwei Jahre dauern kann“, erklärt Schneider. „Hierher kommen die Leute freiwillig: Sie sind sich der Tatsache bewusst, dass dies ihre letzte Chance ist. Eine Therapie hingegen wird oft auf Druck von außen begonnen.“ Die Rückfallquote sei dementsprechend groß, sagt Oxacelay. Der Rückfall gehöre quasi zur Therapie.

Der erfolgreiche Abschluss einer mindestens dreimonatigen Therapie ist die Grundvoraussetzung für die Aufnahme in Schönfels. Die Nachbehandlung ist die letzte Etappe, die erste ist die körperliche Entgiftung, was heute meistens im Krankenhaus mithilfe von Medikamenten geschieht. Darauf folgt der schwierige Teil der Therapie, die zwischen drei Monate und zwei Jahre dauern kann. In dieser wird, nachdem die körperliche Abhängigkeit überwunden ist, die psychische Sucht behandelt oder, wie es Schneider ausdrückt, „es geht darum, den Suchtdruck im Kopf zu verringern, denn die Droge ist oft nur die Spitze des Eisbergs“. Entdeckt man jedoch, dass der Grund für die Sucht ein früheres Trauma ist, muss der Nachbehandlung noch eine Traumatherapie vorangehen.

Ewiges Problem: Teurer Wohnraum

„Das Problem in Luxemburg sind nicht etwa fehlende Therapieplätze oder solche für die Behandlung danach“, erklärt Pit Schartz, „éducateur gradué“ in Schönfels, „sondern bezahlbarer Wohnraum für die Süchtigen“. Das Problem von nicht ausreichend vorhandenem bezahlbarem Wohnraum trifft Drogenabhängige besonders heftig, da sie oft nur über das gesetzliche Mindesteinkommen verfügen. Billige Zimmer über Kneipen sind eine schlechte Lösung, da dort die Gefahr besteht, wieder mit dem „Milieu“ in Kontakt zu kommen.

In Schönfels vermeiden die Süchtigen den Aufenthalt in Notunterkünften, nachdem die Therapie abgeschlossen ist. Die Nachbehandlung kann so in einem geschützten Rahmen stattfinden. Dass sich das Zentrum gerade in Schönfels befindet, ist zwar Zufall, aber wegen der Abgeschiedenheit ein guter Zufall, meint Schneider. Die Bewohner lernen zwar dort, ihr Leben selber zu organisieren, doch sie sind nicht gänzlich auf sich allein gestellt. Die tagsüber anwesenden Erzieher und Sozialarbeiter (nachts sind zwei Krankenpfleger vor Ort) sind für einen geordneten Tagesablauf zuständig, greifen aber nur in Notfällen in das Leben der Bewohner ein. Merken sie zum Beispiel, dass jemand sein Geld nicht gut einteilen kann, wird ihm nahegelegt, es von jemand anderem verwalten zu lassen. 

Doch auch nach einem Aufenthalt in Schönfels sei man noch lange nicht auf der gewonnenen Seite, sagt Pit Schartz. „Abhängige haben es schwer, sich, zum Beispiel über soziale Aktivitäten wieder in die Gesellschaft einzugliedern: In Sportklub und sonstigen Vereinen sind Feste fast immer mit Alkohol verbunden.”