JugendtrendYannick Iannelli überzeugt bei TikTok mit Videos auf Luxemburgisch 

Jugendtrend / Yannick Iannelli überzeugt bei TikTok mit Videos auf Luxemburgisch 
Die chinesische App TikTok ist besonders bei Grundschülern beliebt. Das birgt einige Risiken.  Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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15 Sekunden lange Videos, in denen junge Menschen singen, tanzen, Filmszenen synchronisieren und andere kreative oder weniger kreative Dinge tun – das ist TikTok. Das in China entwickelte soziale Medium war 2018 die am meisten heruntergeladene App weltweit. Inzwischen ist der Hype auch in Luxemburg angekommen.

Eine Situation, die jeder Luxemburger kennt. Der Schüler fragt den Lehrer: „Kann ech wannechgelift op d’Toilett goen?“ Der Lehrer antwortet: „Obs du kanns, weess ech net, mee du däerfs.“ Genau solche Alltagssituationen macht sich Yannick Iannelli aus Oberkorn zunutze. Der 21-jährige Luxemburger parodiert Momente aus dem täglichen Leben von Schülern und Jugendlichen und publiziert die Videos auf der Internetplattform TikTok.

Vom Aufbau her ähnlich wie Instagram, ermöglicht das soziale Netzwerk es jedem, 15 Sekunden lange Videos hochzuladen und diese mit Bild- und Audioeffekten zu untermalen. Damit hat Iannelli Erfolg. Seit vergangenem Donnerstag folgen ihm über 10.000 Menschen. Seine Videos wurden in den letzten 28 Tagen über zwei Millionen Mal angeschaut. 96 Prozent seiner Follower stammen aus Luxemburg – und sind sehr jung.

Von 13 Kindern haben mindestens 8 die App auf dem Handy.

Claude Schommer, unterrichtet Zehn- bis Elfjährige an der Grundschule in Bonneweg

„Die Plattform wird hauptsächlich von Kindern in der Grundschule und in den ersten Jahren des Lyzeums genutzt“, sagt Carmen Michels, Kommunikationsbeauftragte bei „Bee Secure“. Dazu, wie viele Luxemburger die App nutzen, gibt es keine genauen Zahlen. Die Möglichkeit, auf Videos zu tanzen und die Lippen zu einem Song zu bewegen, scheint aber bei jungen Menschen sehr gut anzukommen.

Claude Schommer ist Lehrer an der Grundschule in Bonneweg und unterrichtet eine Klasse des Zyklus 4.1. Seine Schüler sind zwischen zehn und elf Jahre alt. TikTok war schon mehrmals ein Thema, über das er mit seinen Schülern gesprochen hat – erst am gestrigen Freitag während der Musikstunde sei es wieder aufgekommen. „Von 13 Kindern haben mindestens 8 die App auf ihrem Handy“, sagt er. Vor einem Jahr wusste der 27-Jährige noch nicht, was es mit dem sozialen Netzwerk überhaupt auf sich hat.

Da seine Schüler immer wieder davon reden, beschließt er, sich die App herunterzuladen. Dabei findet er heraus, dass er noch nicht einmal ein Konto anlegen muss, um sich die Videos anzusehen. Nach wenigen Minuten Recherche hat er bereits ein paar seiner Schüler gefunden. „Das ist schon besorgniserregend“, sagt er gegenüber dem Tageblatt. Er konfrontiert sie damit, dass er sie dabei gesehen hat, wie sie in der Wiese tanzen oder im Wohnzimmer singen. Die Schüler sind erstaunt – einige von ihnen beschließen, ihr Konto auf „privat“ umzustellen.

Einblick in Privatsphäre

„Kinder und Eltern sind sich häufig nicht bewusst, wie viel sie in diesen Videos von sich preisgeben und wie leicht es für Fremde ist, die Inhalte zu finden“, sagt Carmen Michels. Im Hintergrund seien häufig große Teile des Hauses zu sehen, durch Bettwäsche oder Poster im Kinderzimmer könne jeder die Vorlieben der Minderjährigen herausfinden. Dadurch entsteht die Gefahr von sogenanntem „Grooming“. So wird es bezeichnet, wenn sich Erwachsene mittels eines Fake-Profils mit Kindern anfreunden. Die emotionale Bindung, die der „Groomer“ aufzubauen versucht, kann zu einem Treffen und im schlimmsten Fall zu sexuellem Missbrauch führen.

Tatsächlich steht TikTok schon länger in der Kritik, Pädophile anzuziehen. Unter anderem, um dieses Image loszuwerden, wurde die App 2017 von „musical.ly“ auf TikTok umgetauft. Ob TikTok allerdings mehr Pädophile anzieht als andere soziale Netzwerke, kann Carmen Michels nicht sagen. „Klicksafe“, das deutsche Pendant und Partner von „Bee Secure“, hat 2018 einen Flyer herausgegeben und rät Kindern und Eltern dazu, ihr TikTok-Profil auf privat einzustellen und die Standort-Daten zu deaktivieren.

In-App-Käufe

Zudem warnt „Klicksafe“ vor den In-App-Käufen, die auf TikTok möglich sind und durch die Nutzer schnell viel Geld ausgeben können. Denn die App hat eine eigene Währung, sogenannte „Coins“. Damit können Follower Geschenke kaufen, die sie ihren liebsten TikTokern während deren Livestream in Form von Stickern schicken können. TikTok überweist den Influencern den Wert dieser Geschenke dann in Geldform auf ihr Konto. „Während eines Livestreams können TikToker locker 100 bis 200 Euro verdienen“, sagt Iannelli, der seit Dezember ungefähr 200 Euro über diesen Weg erwirtschaften konnte.

Seit Dezember 2019 ist Yannick Iannelli auf TikTok aktiv und hat mittlerweile über 10.000 Follower. Der 21-Jährige überzeugt mit luxemburgischen Videos, die Alltagssituationen parodieren.
Seit Dezember 2019 ist Yannick Iannelli auf TikTok aktiv und hat mittlerweile über 10.000 Follower. Der 21-Jährige überzeugt mit luxemburgischen Videos, die Alltagssituationen parodieren. Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Der 21-Jährige ist sich seiner Verantwortung gegenüber dem jungen Publikum bewusst. „Darüber mache ich mir sehr häufig Gedanken“, sagt er. Ihm sei es wichtig, seine Follower zum Lachen zu bringen, ohne dabei einen schlechten Einfluss auf sie zu haben. „Ich versuche ganz klar zu vermitteln, dass meine Videos Spaß sind und dass Eltern und Lehrern mit Respekt gegenübergetreten werden muss.“ Auch Livestreams mache er nur selten und auf Anfrage seiner Follower.

Erfolg luxemburgischer Videos

In seiner Laufbahn als Content Creator sind seine Fans immer jünger geworden. Vor gut fünf Jahren hat Iannelli angefangen, Facebook-Videos hochzuladen. „Damals waren die meisten, die meine Videos geschaut haben, zwischen 15 und 17 Jahre alt“, sagt er. Dazu, wie alt seine Follower auf TikTok im Durchschnitt sind, hat er keine Statistik. Er kann nur sehen, dass er zu 77 Prozent weibliche Zuschauer hat. Aus den Kommentaren weiß er jedoch, dass viele jünger als 15 sind.

Knapp 77 Prozent von Yannick Iannellis Follower sind weiblich. 96 Prozent leben in Luxemburg.
Knapp 77 Prozent von Yannick Iannellis Follower sind weiblich. 96 Prozent leben in Luxemburg. Foto: TikTok

Iannelli, der auch Inhalte für die Videoplattform „RTL You“ produziert, hat TikTok selbst erst vor zwei Monaten entdeckt. Seitdem ist seine Followerzahl stetig angestiegen. Explodiert sind die Zahlen aber erst, als er angefangen hat, Videos auf Luxemburgisch hochzuladen. „Darauf haben sich die Menschen gestürzt“, sagt er.

Seit Dezember ist die Followerzahl des jungen Luxemburgers stetig gestiegen und liegt mittlerweile bei über 10.000. In den letzten 28 Tagen wurden seine Videos mehr als zwei Millionen Mal angeschaut.
Seit Dezember ist die Followerzahl des jungen Luxemburgers stetig gestiegen und liegt mittlerweile bei über 10.000. In den letzten 28 Tagen wurden seine Videos mehr als zwei Millionen Mal angeschaut.

Seinen Erfolg, vermutet er, hat er vor allem der Tatsache zu verdanken, dass seine Follower sich mit seinen Inhalten identifizieren können. „Wenn ich ein Video gepostet habe, sehe ich mir sofort die Kommentare an. Wenn die Leute dann anfangen, ihre Freunde zu markieren, und schreiben, dass ihnen das auch passiert ist, freue ich mich am meisten“, sagt er. Gleichzeitig vermutet der junge Luxemburger, dass TikTok in Luxemburg gerade erst am Kommen ist. „Ich bin seit fünf Jahren auf Instagram und habe dort nur halb so viele Follower, wie ich in zwei Monaten auf TikTok bekommen habe“, stellt er fest.

Politiker auf TikTok

Tatsächlich hat auch schon ein luxemburgischer Politiker die App entdeckt – und gleich sein erstes Video hochgeladen. Der Abgeordnete Sven Clement („Piratepartei“) ist dabei zu sehen, wie er durch die „Chamber“ läuft. Dabei wird er von einem jungen Mann unterbrochen: „Sven, wir haben keine Zeit, TikTok-Videos zu machen. Wir müssen das Wohnungsproblem angehen.“ Stolz schreibt Clement in seiner Profilbeschreibung, er sei der erste luxemburgische Politiker auf TikTok.

Für den Dreh eines Videos braucht Yannick Iannelli zwischen drei und 15 Minuten. Wenn ihm eine Idee kommt, versucht er diese sofort umzusetzen. Dass er die Schule seit einem Jahr über den „eBac“ macht, ermöglicht es ihm, kreativ zu sein, wann immer er möchte. Er kann seine Kurse von zu Hause aus verfolgen und sich dadurch seine Zeit flexibel einteilen. In zwei Jahren hat er dann einen „Première G“-Abschluss. „Als ich noch regulär zur Schule gegangen bin, hat meine Kreativität darunter gelitten“, sagt Iannelli. Gerarde als er darüber nachdachte, mit der Schule aufzuhören, erzählte ein Freund ihm vom „eBac“. Für ihn die ideale Lösung, da ein Schulabschluss ihm dennoch wichtig ist.

Verwechslungsgefahr

Mittlerweile postet er mindestens ein Video am Tag. Ist es auf seinem Account länger ruhig, bekommt er Nachrichten von Fans, die fragen, wann wieder etwas Neues kommt. Sogar auf der Straße wird Iannelli erkannt. Das kann sein Zwillingsbruder Cédric bestätigen. „Manchmal verwechseln seine Fans uns und fragen mich, ob ich ein Foto mit ihnen mache“, sagt er. Wenn er ihnen dann erklärt, dass er der Zwillingsbruder ist, glauben sie ihm nicht. „Sie denken dann, dass Yannick das nur sagt, weil er keine Lust auf ein Foto hat.“ Dabei ist Cédric Iannelli das komplette Gegenteil von seinem Bruder. Er steht nur ungern im Mittelpunkt und ist der Ruhigere der beiden. Über die Früchte, die die Arbeit seines Bruders trägt, freut er sich.

Auch Mutter Claudine unterstützt ihren Sohn bei allem, was er tut, „solange es legal ist“, sagt sie lachend. Über Videos, in denen der sie parodiert, kann sie lachen. „Da stehe ich drüber.“ Nur wenn sie zusammen unterwegs sind und junge Mädchen dauernd Fotos mit Yannick machen wollen, könne das schon ab und an etwas nerven, gibt sie zu.