Der Online-Wahlhelfer: „Smartwielen“ findet in Luxemburg großen Anklang

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Rund 50.000 Bürger haben auf die Internetplattform Smartwielen zurückgegriffen. Die Leiter des Projekts sprechen von einem großen Erfolg – und bereiten sich schon auf die kommende Wahl vor.

Lesen Sie zu diesem Thema auch den Kommentar von Pol Schock

Alain Weins war selbst überrascht, damit hatte er nicht gerechnet. Aber der LSAP-Politiker steht dazu. Geht es nach der Plattform Smartwielen, so ist der 49-jährige Deutschlehrer aus Walferdingen der Freigeist der LSAP. Sein Profil unterscheidet sich wesentlich von jenen der restlichen LSAP-Kandidaten. Während diese sich alle einheitlich als linksliberal auf der sogenannten Smartmap verorten, steht Weins Mitte-rechts. Wie kann das sein?
Die Antwort ist simpel: Weins hat als Erster den Katalog mit 43 Fragen von Smartwielen ausgefüllt – frei nach seinen Überzeugungen und seinem Gewissen. Erst später hat die LSAP, wie andere Parteien auch, eine Vorlage an die Kandidaten verschickt, wie sie zu antworten haben, damit die Partei geschlossen auftritt.

Weins hatte sein Profil aber bereits erstellt, eine nachträgliche Änderung ist laut Vorgaben von Smartwielen nicht erlaubt. Aber das hat Weins auch nicht gestört. „Die LSAP ist eine Volkspartei, da gehört ein breites Meinungsspektrum dazu“, so Weins. Die Partei scheint das auch so zu sehen. Niemand hat sich beschwert.

Jenseits der Wahlgewohnheiten

So wie dem Politiker Weins ist es auch vielen Wählern ergangen. Sie waren überrascht, welche Parteien und Kandidaten ihnen inhaltlich am nächsten waren, welches Profil von ihnen erstellt wurde. Auf RTL in der Sendung „Kloertext“ hat sich ein Bürger geradezu irritiert vom Resultat auf Smartwielen gezeigt. Und in den sozialen Medien haben sich nicht wenige gefragt, warum ausgerechnet die „Piratepartei“ ihnen vorgeschlagen wurde.

Für einen kamen diese Reaktionen alles andere als überraschend: den Politologen Raphaël Kies. Er hat die Plattform, die in der Schweiz entwickelt wurde, nach Luxemburg gebracht. Die Hinterfragung der eigenen Wahlgewohnheiten sei explizit Sinn und Zweck der Plattform gewesen, so Kies. Denn lediglich auf Basis von Inhalten ist ein Profil erstellt worden. Smartwielen hat eine Antwort darauf gegeben, wer inhaltlich am besten zu einem passt. Dadurch waren alle Kandidaten und Parteien gleichberechtigt. Kein Ministerbonus. Kein Parteienbonus. Kein Persönlichkeitsbonus. Keine Aprioris.

Raphaël Kies sowie Marc Schoentgen und Jenny Gross vom „Zentrum fir politesch Bildung“ (ZpB) zeigen sich dabei erfreut über den Erfolg ihres Wahlhilfeprojekts. Fast 200.000 Matches hat die Software erstellt. 50.000 Personen haben daran teilgenommen. Bei den vergangenen Wahlen waren es noch 35.000.

Datenmaterial zu Nutzern analysieren

Wer diese 50.000 Teilnehmer sind, wisse man zu diesem Zeitpunkt noch nicht, so Kies. Die Internetseite habe zwar nach Informationen zu den Teilnehmern gefragt, allerdings sind diese bis jetzt noch nicht ausgewertet worden. Welche Partei oder welcher Kandidat am meisten „Matches“ erhielt, kann Kies auch noch nicht sagen. Allerdings will die Universität Luxemburg in einer wissenschaftlichen Studie genau diese Fragen und das Datenmaterial analysieren.

Und die Politologen wollen auch eine Antwort darauf geben, wie sehr sich die Bürger von Smartwielen beeinflussen haben lassen. Denn dazu erhebt TNS Ilres gerade eine Umfrage.
Wahrscheinlich wird das Ergebnis ähnlich sein wie in der Schweiz: Dort haben Untersuchungen von 2015 mit 11.000 Teilnehmern gezeigt, dass die Wähler trotz Smartvote weiterhin mündig blieben und nicht zu „willenlosen Marionetten“ wurden. Nur 14 Prozent haben angegeben, die erhaltene Wahlempfehlung 1:1 auf ihren Wahlzettel übertragen zu haben. Die überwiegende Mehrheit von 61 Prozent hingegen hat aufgrund der Wahlempfehlung lediglich gezielte Anpassungen vorgenommen.

Die Universität und das ZpB arbeiten im Hintergrund bereits an einer nächsten Auflage von Smartwielen. Bei den EU-Wahlen im kommenden Jahr soll das Instrument dem Wähler erneut zur Seite stehen. Und dieses Mal ist sogar eine europaweite Zusammenarbeit geplant: Die Bürger werden die Möglichkeit haben, ihr Profil mit Parteien aus ganz Europa zu vergleichen. Man leiste damit einen bescheidenen Beitrag zur Schaffung einer europäischen Öffentlichkeit, so Raphaël Kies.


Interessenkonflikt

Beide haben es im Wahlkampf angekündigt: Paul Galles (CSV) und Djuna Bernard („déi gréng“) werden ihr Mandat im Verwaltungsrat des „Zentrum fir politesch Bildung“ niederlegen. Galles ist als Kandidat der CSV im Zentrum als Abgeordneter direkt in die Chamber gewählt worden.

Djuna Bernard ist Sechstgewählte auf der Zentrumsliste von „déi gréng“ und damit nicht direkt gewählt worden. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass sie je nach Regierungsbildung ins Parlament nachrücken wird. Da sich Bernard eigenen Angaben zufolge sowieso stärker auf ihre politische Karriere fokussieren und sich in die Parteigremien einbringen will, hat sie entschieden, das Mandat im Verwaltungsrat des ZpB niederzulegen – unabhängig von einem möglichen Einzug in die Chamber.

Überdies will der Verwaltungsrat des ZpB heute eine interne Betriebsordnung verabschieden. Darin soll auch stehen, dass politische Ämter auf nationaler Ebene nicht mit einem Mandat im Verwaltungsrat vereinbar sind. Ziel ist es, die Unabhängigkeit der Bildungsinstitution zu wahren.

Der Verwaltungsrat der Stiftung „Zentrum fir politesch Bildung“ besteht laut Statuten aus neun bis zwölf Mitgliedern. Er ist paritätisch besetzt mit Vertretern staatlicher Stellen sowie aus der Zivilgesellschaft. Neben dem derzeitigen Präsidenten Nico Meisch bilden Nathalie Keipes (Sekretärin), Anne Heniqui (Kassiererin) und die Mitglieder Véronique Bruck, Lex Folscheid, Robert Garcia, Serge Kollwelter, Paula Martins, Nathalie Medernach, Marc Thiltgen sowie Djuna Bernard und Paul Galles den Verwaltungsrat des ZpB.

roger wohlfart
1. November 2018 - 10.07

Muss ich wirklich mein Profil jemandem anvertrauen, damit der/die mir sagt wen ich wählen soll? Wir sind auf dem besten Weg in die Abhängigkeit von Komputern, Robotern und Elektronik und das in einem erschreckenden Tempo. Hallo, wir sind Menschen, mit einem Verstand ausgerüstet, den wir auch einsetzen sollen. Wir sollen Verantwortung übernehmen für unser Handeln und von unserem Unterscheidungsvermögen Gebrauch machen.Die Menschen werden heute auf allen Ebenen manipuliert ohne sich dessen bewusst zu sein. Es kommt noch so weit, dass wir nicht mehr wissen ob wir nach links oder nach rechts gehen sollen, ohne technische Hilfe. Das Gehirn ist wie ein Muskel, es will trainiert werden . Ansonsten steht der allgemeinen Verblödung nichts mehr im Wege: