Finanzbetrüger ist zu arm für Beerdigung

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Sergej Mawrodi hat Mitte der 90er Jahre ein Schneeballsystem entwickelt, das die Anleger mit sagenhaften Dividenden anlockte. Damit soll er teilweise mehr als 50 Millionen Dollar pro Tag verdient haben.

Von unserem Korrespondenten Axel Eichholz

Sergej Mawrodi hat Mitte der 90er Jahre ein Schneeballsystem entwickelt, das die Anleger mit sagenhaften Dividenden anlockte. Damit soll er teilweise mehr als 50 Millionen Dollar pro Tag verdient haben. Nun ist er verarmt gestorben, seine Gläubiger haben die Beerdigung bezahlt.

Am vergangenen Wochenende ist der legendäre Finanzbetrüger der 1990er Jahre Sergej Mawrodi auf einem Moskauer Friedhof beigesetzt worden. 1994 hatte er seine Firma MMM gegründet, die Anleger mit sagenhaften Dividenden anlockte. Es war ein klassisches Schneeballsystem, bei dem die Kunden von Neueingängen bezahlt wurden – bis es einstürzte. Es war das größte Unterfangen dieser Art in der russischen Geschichte schlechthin. MMM sog binnen eines halben Jahres ein Drittel des damaligen Staatshaushalts auf. Als MMM aufflog, wurden 17 Lastkraftwagen für den Abtransport des Bargeldes allein aus der Moskauer Zentrale benötigt.

Mawrodi war an einer Moskauer Bushaltestelle plötzlich zusammengebrochen und starb mit 62 Jahren in einem Arme-Leute-Krankenhaus. Sein Leichnam blieb eine Woche lang im Kühlhaus liegen, weil die Hinterbliebenen die Bestattung nicht bezahlen wollten. Schließlich taten sich seine früheren Kunden zusammen, um zu verhindern, dass der Mann, der sie einst schwerreich oder bettelarm gemacht hatte, eingeäschert und zusammen mit anderen namenlosen Leichen vergraben wird. Offenbar war sein jäher Tod absehbar, denn er hatte von Geburt an einen Herzfehler. Das kriminelle Finanzgenie wurde 1955 als Sohn einer Halbukrainerin und eines Schwarzmeergriechen in Moskau geboren.

Seinem angeborenen Herzleiden trotzte er, indem er sich dem Sport widmete. Während seines Hochschulstudiums wurde er absoluter Moskau-Meister im Judo. Trotz seiner 60 Kilogramm verlor er in allen Gewichtsklassen keinen einzigen Kampf. Bereits im Schulalter hatte Mawrodi überdurchschnittliche Leistungen in der Mathematik erbracht. 1989 gründete er zusammen mit seinem Bruder Wjatscheslaw Mawrodi und dessen Freundin Olga Melnikowa eine Kooperative. Der Name MMM leitete sich von den Anfangsbuchstaben ihrer Namen ab. Die Firma produzierte, kaufte und verkaufte nichts. Die Idee sprach das Bedürfnis der neuen russischen Bürger an: Unbegrenzt viel verdienen, ohne dafür einen Finger krumm zu machen.

Kunden wählten Mawrodi ins Parlament

Allein in Moskau verdiente Mawrodi umgerechnet 50 Millionen Dollar (40 Millionen Euro) täglich. Am 4. August 1994 wurde Mawrodi festgenommen. Sein Eigentum wurde beschlagnahmt. Vom Untersuchungsgefängnis aus erläuterte er seinen Jüngern die Situation: Er wolle seine Schulden bei ihnen zurückzahlen, wenn man ihn arbeiten ließe. Sie sollen ihn ins Parlament wählen, damit er freikomme. Im Oktober wurde er mit den Stimmen seiner Gläubiger Duma-Abgeordneter. Er kam wieder frei, besuchte das Hohe Haus aber nie. Da er alle Sitzungen schwänzte, zog die Duma 1995 sein Mandat ein. Strafrechtliche Ermittlungen wurden erneut eingeleitet.

Im Dezember 1997 wurde Mawrodi mit einem internationalen Haftbefehl zur Fahndung ausgeschrieben. Wie sich erst acht Jahre später herausstellte, hatte er Moskau niemals verlassen. Die goldene MMM-Zeit war aber vorbei. Im Hauptverfahren wegen Betrugs wurde ihm vorgeworfen, 110 Millionen Dollar von Millionen Anlegern erschlichen zu haben. Experten schätzen den zugefügten Schaden auf 70 bis 80 Milliarden Dollar. Ein Moskauer Gericht verurteilte Mawrodi zu 4,5 Jahren Lagerhaft, die er bis auf einige Wochen in der Untersuchungshaft abgesessen hatte. Am 22. Mai 2007 kam er endgültig frei.

Sein Bruder, mit dem zusammen er MMM gegründet hatte, verbot es, Sergej Mawrodi im Familiengrab neben seinem Vater beizusetzen. Nur seine geschiedene Exfrau Jelena ließ sich dazu überreden, seinen Leichnam von der Leichenschau abzuholen. Deshalb wird jetzt spekuliert: Stimmt etwa die Todesursache nicht? Oder wurde Mawrodis Tod am Ende sogar vorgetäuscht?