Kinder, esst keinen Mammut, jagt ihn!

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Voll gepackte Schultage, zu viele Kalorien auf dem Teller und in der Trinkflasche lassen
wenig Raum für Bewegung und gesunde Mahlzeiten. Im Gegenteil, sagt Dr. Marianne Becker vom „Centre hospitalier du Luxembourg“, die ihren kleinen Patienten beibringt, wie einfach gesunde Ernährung und Lebensart sein kann. Eine Reportage von Daisy Schengen.

Dr. Becker, vor dem Hintergrund der neuesten Zahlen zum Übergewicht und Konsum von Limo und Co. in Luxemburg rückt eine gesunde Ernährung noch stärker in den Mittelpunkt. Tun wir uns als Eltern und Vorbild damit schwer? Worin könnten wir uns verbessern?

Dr. Marianne Becker: Es müsste an vielen Punkten angesetzt werden. Zum einen an der Ernährung, zum anderen am Medienkonsum samt fehlender Bewegung und Eltern, die hierbei als Vorbild fehlen. All das zusammen trägt zum Problem bei.

Zur Ernährung: Zuckerhaltige Getränke sind ein großes Problem in Luxemburg. Sie sind an jedem Automaten – in der Musikschule, beim Sportverein usw. – und auch zu Hause verfügbar. Manche Eltern, die mit ihren Kindern in die Sprechstunde kommen, begründen den Limo-Vorrat daheim mit der Verpflegung für Gäste. Dieses fehlende Bewusstsein dafür, wie schädlich diese Getränke sind, ist erstaunlich.

Würden wir es schaffen, zu vermitteln, dass Kinder sie nicht brauchen, und wenn doch, nur zu verdünnten Säften greifen sollten, dann wäre viel gewonnen. Nicht zuletzt sollte sichergestellt werden, dass die Automaten an Plätzen, an denen gefördert oder unterrichtet wird, nur zuckerfreie Produkte oder Wasser enthalten.

Dr. Marianne Becker ist Kinderärztin mit Spezialisierung im Bereich der Diabetologie und Endokrinologie im CHL. Sie plädiert für mehr Bewegung im Alltag der Kinder in Luxemburg. (Foto: Editpress/Isabella Finzi)

Limo und Co. stellen aber nur die eine Seite der Medaille dar.

Die andere beinhaltet Zucker und Fett, sei es in Gebäck, Süßigkeiten oder auch Fertigprodukten, die schnell aufgewärmt sind und oft viel mehr Kalorien als selbst zubereitetes Essen enthalten.

Zucker und Fett sind billige Zutaten, die Herstellungskosten für Fertigprodukte damit niedrig, und Fett ist ein Geschmacksträger. Damit lassen sich solche Produkte gut verkaufen. Den Schaden der Kalorienbomben trägt letztendlich derjenige, der sie isst.

Die Alternative in diesem Fall lautet also Obst und Gemüse?

„Schmeckt nicht, will ich nicht“ – Obst und Gemüse lehnen viele Kinder ab. Ich denke, die Schulen könnten hier ganz viel tun. Die Lehrerin meines Sohnes hatte eine ganz tolle Idee. Während einer Woche musste jedes Kind täglich ein anderes Obst und Gemüse in seiner Brotbox in die Schule mitbringen. Gemeinsam hat die Klasse die verschiedenen Sorten in der Pause verspeist. So haben die Kinder Lebensmittel probiert, die sie zu Hause womöglich nie gegessen hätten. Es sollte mehr solcher Projekte geben. Denn je höher der Gemüseanteil auf dem Teller ist, desto weniger Kalorien hat die Mahlzeit.

Eine Mahlzeit sollte jeweils aus einem Drittel Fleisch oder Fisch, Gemüse und Ballaststoffen (Nudeln oder Kartoffeln) bestehen. Wenn die Kinder kein Gemüse essen, ist der Teller automatisch zur Hälfte mit Fisch oder Fleisch und Ballaststoffen belegt und somit ist der Kaloriengehalt der Mahlzeit zu hoch. Allein das ist problematisch. Hinzu kommen die Süßigkeiten, die zur Belohnung verschenkt werden. All das ließe sich ändern, das Bewusstsein für eine gesunde Ernährung muss aber geschaffen werden.

Für eine gesunde Lebensweise spielt nicht nur das Essen eine tragende Rolle. Wie wichtig ist dabei Bewegung?

Sie ist die andere große Baustelle und ein Riesenproblem. Die Kinder von heute bewegen sich eindeutig zu wenig. Der Tag ist vollgepackt mit Schule, Hausaufgaben, Medienkonsum. Da bleibt ganz oft ganz wenig freie Zeit für Bewegung. Als Faustregel gilt, dass Kinder sich täglich eine Stunde bewegen sollen. Erfahrungsgemäß kommen viele von ihnen tatsächlich an diese Empfehlung nicht heran. Zusätzlich dazu sollten die Kinder zwei bis drei Mal wöchentlich Sport treiben.

Eine Möglichkeit ist sicherlich Lasep, manche Gemeinden bieten zahlreiche Sportarten – von Fußball über Schwimmen bis hin zum Wasserball – zum Ausprobieren während der Mittagspause an.

Solche Projekte sind nicht nur für die motorische Entwicklung der Kinder förderlich, sondern sichern den Nachwuchs in den Vereinen.

Motorische Entwicklung beinhaltet auch Fingerfertigkeit. Die Kinder von heute nutzen Smartphones und Tablets, sind medienaffin. Welche Schlüsse lassen sich angesichts des Medienkonsums in Bezug auf die Feinmotorik ziehen?

Das ist das nächste Problem. Sowohl die Bewegung draußen als auch feinmotorische Aktivitäten drinnen, wie beispielsweise das Basteln, werden zunehmend verdrängt. Es ist einfacher und attraktiver, elektronische Spiele zu spielen. Der Reiz ist größer, das Erfolgserlebnis sofort gegeben und die Gruppendynamik, da die anderen das Spiel auch spielen, allgegenwärtig.

Eltern sollten beim Medienkonsum eingreifen und die Zeit aktiv begrenzen. Bei Jugendlichen ist es wünschenswert, die Bildschirmzeit (PC, Smartphone, Fernsehen zusammengerechnet) auf zwei Stunden pro Tag zu begrenzen. Sind die Kinder jünger, zwischen sechs und elf, sollte die Zeit vor dem Schirm nur eine Stunde betragen. Bei den Drei-bis Sechsjährigen gelten 30 Minuten als Richtwert, die Unter-Dreijährigen gehören nicht vor den Bildschirm.

Die Win-win-Situation – Kind vor dem Fernseher, beschäftigt und zufrieden bei gleichzeitiger Verschnaufpause für die Eltern – birgt nur scheinbar Vorteile für beide Seiten. Tatsächlich bewegen sich die Kinder weniger, ebenso wenig werden die Sozialkompetenzen und die geistige Entwicklung, wenn sie vor dem Schirm sitzen, gefördert.

Schieflage in Sachen Ernährung und Bewegung, oft zu viel Bildschirmzeit: Inwiefern wirken sich diese Faktoren auf die Zukunft der Kinder aus?

Das hängt vom Beruf, den die Kinder später ergreifen wollen, ab. Aber es ist tatsächlich so, dass man, wenn man von Kind an Sport treibt, als Erwachsener im Allgemeinen gesünder ist und es einfacher hat, dabei zu bleiben. Außerdem sind diese Menschen belastbarer und haben weniger Infekte. Kinder, die sich wenig bewegen, haben hingegen erwiesenermaßen ein höheres Risiko, übergewichtig und dick zu werden. Sind sie im Kindesalter übergewichtig, sind sie es mit höherer Wahrscheinlichkeit auch als Jugendliche und später als Erwachsene.

Diese Menschen haben ein erhöhtes Risiko, an Herz-Kreislauf- oder Fettstoffwechselstörungen (z.B. zu hohes Cholesterin), Bluthochdruck oder Diabetes zu erkranken.

Schaffen sie und ihre Eltern es, früh vorzubeugen, sodass die Kinder bis zum Erwachsenenalter normalgewichtig bleiben, ist sehr viel getan, um diesen Erkrankungen Einhalt zu gebieten.

Mit anderen Worten: Die Möglichkeit, dass jemand im Laufe des Lebens übergewichtig wird, ist deutlich geringer, als wenn jemand schon im Kindesalter zu viel wog. Inwiefern spielt die genetische Veranlagung hierbei eine Rolle?

Tatsächlich eine entscheidende. Übergewicht ist unter anderem auch genetisch bedingt. Und es ist total gemein. Denn es gibt Kinder, die das Gleiche wie ihre spindeldürren Nachbarn essen und dabei aber zunehmen. Dahinter steht ein unterschiedlicher Stoffwechsel. Natürlich muss bei Kindern, die sehr wenig essen, aber Gewichtsprobleme haben, eine Stoffwechselerkrankung ausgeschlossen werden. Aber in den allermeisten Fällen verbirgt sich hinter diesem Phänomen ein langsamer Stoffwechsel, der wenig braucht und den Rest für schlechtere Zeiten einlagert.

Dies ist ein Überbleibsel aus der Zeit, als wir noch Mammuts jagten. Damals überlebten diejenigen, die ein Stück von einem erlegten Tier aßen und den Rest für schlechtere Tage speicherten. Andere, die kein Fett einlagern konnten, starben früher, da sie keine Fettreserven hatten. Diese Veranlagung, Fett gut speichern zu können, wurde damals bevorzugt, denn Hungerphasen gab es oft.

Heute muss sich aber keiner von uns durch Hungerperioden quälen. Eigentlich sollte Übergewicht damit vom Tisch sein.

Heute kehrt sich diese Entwicklung von früher ins Gegenteil um. Hungerperioden gibt es keine mehr, aber wir verspeisen noch immer einen Mammut. Wenn Sie heutzutage gut Fett anlagern können, werden Sie dick und leiden unter den Folgeerkrankungen des Übergewichts.

Dazu muss man anmerken: Selbst wenn Sie diese Veranlagung haben, ist das Ziel, dass Sie sich daran anpassen. Das bedeutet, nicht einfach hinzunehmen, dass man zu dick ist, sondern dem mit Bewegung und einer ausgewogenen Ernährung entgegenzuwirken.

Viele Familien, die ich treffe, tragen diese Veranlagung in den Genen. Aber es ist nicht gottgegeben, dass diese Menschen tatsächlich dick werden. Isst man entsprechend mehr Obst und Gemüse, nimmt weniger Kalorien zu sich und bewegt sich mehr, ist es durchaus möglich, ein normales Gewicht zu haben. Übergewicht lässt sich, wenn auch schwieriger, verhindern.

Wie reagieren die Familien, wenn Sie mit ihnen darüber sprechen?

Ich erkläre den Kindern ganz offen, dass sie es schwerer haben als andere. Das ist total gemein, aber damit sollten sie dennoch versuchen, zurechtzukommen. Angesichts der Folgeerkrankungen sollte dies keineswegs eine Absolution sein, weiterzumachen wie bisher.
Einen Vorteil haben Kinder, welche zu Übergewicht neigen: Sie wachsen und das Verhältnis zwischen Gewicht und Größe pendelt sich ein. Daher ist bei dieser Altersgruppe das Ziel, das Gewicht zu halten, einfacher umzusetzen, als mehrere Kilogramm abnehmen zu müssen.

Beobachten Sie auch das andere Extrem: Untergewicht?

Dies ist im Bereich der Essstörungen der Fall. Oft sind es Jugendliche, insbesondere Mädchen, die ehrgeizig und pflichtbewusst sind. Hier ist es wichtig, bevor die Diagnose Essstörung gestellt wird, mögliche Ursachen wie Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) oder Darmerkrankungen auszuschließen. Und dann gibt es die Kinder, die nicht gerne essen.

Die Eltern bemühen sich nach Kräften, dem entgegenzuwirken, können aber oft nicht viel daran ändern. Interessant ist, dass manche Kinder, die als Baby eine sogenannte „Futterstörung“ hatten, später sehr gerne und viel essen und zu Übergewicht neigen können. Diesem Phänomen begegnen wir öfter.

Stichwort Desinfektion: Leiden wir heute mehr unter einem Putzwahn?

Sicherlich putzen wir heute besser als früher und verwenden aggressivere und effizientere Putzmittel. Die Zahl der Allergien steigt. Eine Hypothese besagt, dass Kinder durch bessere Hygiene weniger Kontakt mit Bakterien haben. Zudem spielen die Kinder seltener im Freien, oft gibt es keine Geschwisterkinder, sodass ein kleineres Keimspektrum vorhanden ist.

Wie viel Dreck verträgt das Kind?

Wahrscheinlich mehr, als es im Moment hat. Babyflaschen und Milchpumpen müssen dagegen sterilisiert werden und sind daher davon ausgenommen. Eine ganz sterile Umgebung braucht aber kein normales Kind.

Selbstverständlich ist das kein Aufruf zu einer ungereinigten Wohnung. Wie bei der gesunden Ernährung und Lebensweise sollten Eltern gesunden Menschenverstand walten lassen und auf ihr Bauchgefühl vertrauen.

Joel
9. Oktober 2017 - 0.45

Bei mir ist es so dass ich ein schlechter Futer verwerter bin, es kommt scheller raus als der Körper die Kalorien verwerten kann. In der Steinzeit wäre ich als erste verhungert ... zum gluck gab es damals Canibalismus und die starken haben die schwachen gegessen....am liebsten esse ich auch nur Fleisch und Fisch, Limo + Cola trinke ich nicht nur Wasser ich esse auch keine Milchprodukte und Käse.