Aus dem ArchivGenug Strom für eine ganze Gemeinde: Wie Windkraft auch im Minett Fuß fasst

Aus dem Archiv / Genug Strom für eine ganze Gemeinde: Wie Windkraft auch im Minett Fuß fasst
Momentan ist der Kran, der zum Aufbau der Anlage bei Bergem benötigt wird, noch größer als das Windrad – doch nicht mehr lange Foto: Editpress/Alain Rischard

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Der Bau des neuen Windrads bei Bergem steht kurz vor dem Abschluss. Mit dem dort produzierten Strom könnte die Gemeinde Monnerich alle ihre Haushalte bedienen. Das Tageblatt hat sich die Anlage mit Paul Zeimet von Soler und Alain Fürpass von Sudenergie genauer angeschaut – und die beiden auf die Zukunft der Windenergie in Luxemburg angesprochen.

Ein leichter Wind weht am Montagnachmittag über das Plateau am „Mettendallerbësch“ nahe Bergem. Eine hellgraue Säule ragt über die Baumkronen hoch – doch der danebenstehende Kran übertrumpft die stattliche Höhe des in Bau befindlichen Windrads sogar noch. „Wir sind froh, wenn hier Wind ist, weil das zeigt, dass die Standorte gut sind, aber es bedeutet auch, dass schwere Komponenten nicht angehoben werden können, weil es zu windig ist“, erklärt Paul Zeimet, „Managing Director“ bei Soler. Dadurch komme es dann regelmäßig zu Verzögerungen. An dem Tag sollten eigentlich weitere Teile der Säule angebracht werden.

Das Windrad Enercon E138 in Bergem

Gondelhöhe: 160 Meter
Rotordurchmesser: 138 Meter
Gesamthöhe: 229 Meter
Installierte Leistung: 4,2 MW
Geschätzte Energieproduktion: 9 GWh pro Jahr
Geschätzte Volllaststunden pro Jahr: 2.200
Geschätzte Anzahl der versorgten Haushalte: 2.060
Geschätzte Anzahl an versorgten Personen: 8.240
Anfang der Bauarbeiten: 2022
Inbetriebnahme: 2023

Etliche Schwertransporter mussten im Vorfeld die einzelnen Bauteile des Kranes zur Baustelle transportieren. „Allein der Rotorkopf wiegt 40 Tonnen, der Rotor selbst 57 Tonnen, die Rotorblätter 20,5 Tonnen – das sind alles extrem schwere Komponenten, die mit dem 175 Meter großen Kran installiert werden“, sagt Zeimet.

Das deutsche Unternehmen Enercon stellt das Windrad her. Bis jetzt stammen auch alle Windparks von Soler von dieser Marke. „Wir kaufen sie ‚schlüsselfertig‘, wir kümmern uns als Bauherr natürlich um die Überwachung. Wir sorgen auch dafür, dass lokale Unternehmen an diesen Projekten mitarbeiten können“, so Zeimet.

Südwand pachtet das Grundstück von einem Bauern – für wie viel genau, wollten die Verantwortlichen nicht verraten. Nach Abschluss der Bauarbeiten kann der Bauer jedenfalls sein Feld wieder bis unter die Windanlage beackern. Die Akzeptanz der Bewohner der Gemeinde sei jedenfalls groß. Südwand organisierte vergangene Woche eine Bürgerversammlung, auf der sich mehr als 150 Bewohner über das Projekt informieren konnten. „Es gab nur positive Rückmeldungen und Fragen“, sagt Zeimet. Die Windkraftanlage soll Strom für etwa 8.240 Menschen produzieren – in der Gemeinde Monnerich lebten 2021 laut Volkszählung knapp 7.000 Einwohner.

Paul Zeimet, „Managing Director“ bei Soler
Paul Zeimet, „Managing Director“ bei Soler Foto: Editpress/Alain Rischard
Alain Fürpass, Direktor bei Sudenergie
Alain Fürpass, Direktor bei Sudenergie Foto: Editpress/Alain Rischard

Ausbau der Windenergie

Das Unternehmen Südwand – das zu 60 Prozent Sudenergie und 40 Prozent Soler gehört – hat neben der Windanlage bei Bergem in den vergangenen Wochen auch noch eine in Peppingen aufgebaut. Beide zusammen kosten etwa 9 Millionen Euro. „Wir bauen jetzt die erste Phase und es sieht so aus, als könnten wir die nächste Windmühle in Dippach auch gleich in Angriff nehmen. Wir werden den ganzen Süden jedenfalls noch einmal analysieren, sobald wir das dritte Windrad dann im Bau haben“, sagt Alain Fürpass, Direktor von Sudenergie.

Windenergie spielt im neuen Klimaplan PNEC der Regierung eine wichtige Rolle. So soll Luxemburg im Jahr 2030 nicht wie im ursprünglichen Plan angedacht 674 GWh Strom mit Windkraft produzieren, sondern 1.043 GWh. Dafür sei es laut Zeimet allerdings nicht unbedingt nötig, mehr Windräder zu installieren. Stichwort: Repowering. Schon durch das Ersetzen alter Anlagen sei es möglich, die angestrebten Ziele zu erreichen. „Enercon hat vergangenes Jahr ein Modell mit einem Rotordurchmesser von 175 Metern vorgestellt, das auch hier in Luxemburg genutzt werden könnte – damit kann man durchschnittlich bis zu 20 GWh im Jahr produzieren“, sagt Fürpass.

Um die PNEC-Ziele zu erreichen, würden 60 Windräder dieses Modells also ausreichen. „Das sind weniger als die, die wir heute haben“, sagt Zeimet. Im Januar 2022 zählte Luxemburg 62 Windkraftanlagen mit einer installierten Gesamtleistung von 166 MW. Soler habe vergangenes Jahr drei Anlagen durch eine ersetzt, die jetzt sechsmal so viel produziert wie die alten zusammen. Es würde also keine Gefahr bestehen, dass die Landschaft „verspargelt“ werde.

Energiewende benötigt politische Unterstützung

Die Regierung scheint jedenfalls für den Ausbau der Windenergie zu sein. „Wenn ich mit dem Energieminister rede, merkt man, dass er die Windenergie sehr positiv sieht, und man sollte diesen positiven Elan auch nutzen, um neue Windräder zu bauen“, meint Fürpass. Um dies zu ermöglichen, soll laut PNEC die Gesetzgebung abgeändert werden, sodass Windkraftanlagen in Zukunft auch in der Nähe von Gewerbegebieten und Straßen gebaut werden dürfen.

Wie umweltfreundlich ist ein modernes Windrad?

Durch die Produktion erneuerbarer Energie habe das Windrad bei Bergem laut Alain Fürpass nach neun Monaten so viel CO2 eingespart, dass die komplette Anlage CO2-neutral sei. „Das beinhaltet den Ausbau und den Rückbau mit Material und allem“, erklärt Fürpass. Der untere Teil der Konstruktion bestehe aus Beton und Stahl, die Rotorblätter aus glasfaserverstärktem Kunststoff.

Die Anlage sei fast zu 100 Prozent recycelbar – bei den Rotorblättern werde noch geforscht. „Wir haben die Rotorblätter vergangenes Jahr bei Anlagen, die wir abgebaut haben, vor Ort zerkleinert und nach Bremen transportiert“, so Paul Zeimet. Dort wurden sie geschreddert und in der Zementindustrie energetisch verwertet. Anschließend wurden die Aschen dann als Sandersatz für die Betonproduktion benutzt.

„Wenn man bei einer Windkraftanlage von einer Betriebsdauer von 20 Jahren ausgeht, kann man für 19 Jahre komplett CO2-neutral Energie produzieren“, sagt Zeimet.

Ein Risiko, das bei diesem Thema oft aufgeworfen werde, sei der Eiswurf. Heißt: die Gefahr, dass bei Frost Eis von den Rotorblättern auf die Straße fallen könnte. In den Blättern seien allerdings Heizelemente installiert, die, wenn nötig, automatisch anspringen würden. Das funktioniere auch im Ausland schon sehr gut. „Bei Ikea in Belgien stehen knapp hinter der Grenze auch Windräder“, sagt Zeimet.

Doch um die Energiewende zu beschleunigen, müssten die Prozeduren noch beschleunigt werden. So komme es vor, dass ein Projekt, trotz positivem Gutachten, lange bei den Ministerien auf eine Genehmigung warte. „Dabei haben zugelassene Büros dann schon ein Gutachten erstellt. Sie sind nicht umsonst zugelassen, und wenn sie zu der Schlussfolgerung kommen, dass es machbar ist, dann ist das auch so und es soll nicht alles wieder infrage gestellt werden“, meint Fürpass. Die Regierung müsse deshalb definieren, wie lange der Genehmigungsprozess maximal dauern dürfe. „Das ist aber auch eine Frage der Manpower, die man sich beim Ministerium geben muss, um reaktiver zu werden – es ist nicht unbedingt eine Frage des Willens“, sagt Zeimet.

Die Sache mit dem Tierschutz

Der 175 Meter hohe Kran musste mit mehreren Schwertransportern angeliefert werden
Der 175 Meter hohe Kran musste mit mehreren Schwertransportern angeliefert werden Foto: Editpress/Alain Rischard

Im Kontext der Windenergie wird der Tierschutz gerne als eines der wichtigsten Gegenargumente angeführt. Wegen des Artenschutzes würden ohnehin schon ein Drittel bis die Hälfte der vorgeschlagenen Standorte für Windräder wegfallen. Und: Um zu vermeiden, dass Vögel oder Fledermäuse von einem Rotorblatt erschlagen werden, müssen die Anlagen bei gewissen Windgeschwindigkeiten oder Tageszeiten abgeschaltet werden. Hinzu kommt: Wenn der Bauer ackert, wird das Windrad fünf Tage lang von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang gestoppt. „Grund dafür ist, dass der Rotmilan dann nach Mäusen jagt, wodurch die Gefahr besteht, dass er in den Rotor fliegt“, so Zeimet. Es komme zwar durchaus vor, dass Vögel sterben, aber Windenergie würde als Ursache für den Tod von Vögeln erst an neunter Stelle stehen. Autos, Hochspannungsleitungen und Katzen hätten wesentlich mehr Vögel auf dem Gewissen.

Der Rotmilan ist eine geschützte Art. „Wir haben in unseren Windparks ein Dutzend davon besendert – wir sehen also seit 2016, wie sie sich verhalten“, so Zeimet. „Unsere Experten müssen zusätzlich schauen, ob sie trotz der Nähe zu einem Windrad Nachwuchs bekommen.“ Ein zugelassenes Unternehmen kümmere sich um diese Beobachtung. Bis jetzt sei noch keiner dieser Vögel von einem Windrad verletzt worden. Ein Uhu habe allerdings einen Rotmilan gefressen – ein anderer sei im Naturpark Our in das Fenster eines Schwimmbads geflogen. „Der hat allerdings überlebt“, so Zeimet. Soler wolle dem Umweltministerium die gesammelten Daten demnächst vorstellen. Es scheine jedenfalls so, als würde der Rotmilan den Rotor meiden.

Neue Sensoren sollen in Zukunft außerdem dafür sorgen, dass die Windräder innerhalb von ein paar Sekunden komplett stoppen, sobald sie einen Vogel in der Gegend detektieren. „In der Ernztal-Gegend bauen wir momentan drei Windmühlen, eine davon dürfen wir mit einem intelligenten Kamerasystem ausstatten“, sagt der geschäftsführende Direktor von Soler. Diese würden die Umgebung filmen und mithilfe von künstlicher Intelligenz erkennen, wenn ein Vogel in Richtung der Rotorblätter fliegt.

Firmenstruktur von „Südwand“

Südwand gehört zu 60 Prozent Sudenergie und zu 40 Prozent Soler. SEO und Enovos teilen sich wiederum Soler zu jeweils 50 Prozent. „Die Gemeinden Monnerich und Roeser werden Partizipationen in Südwand bekommen“, sagt Alain Fürpass von Sudenergie. Heißt: Die Kommunen können sich in das Unternehmen einkaufen. Das müsse allerdings noch durch die Gemeinderäte gehen. Anfang 2018 plante Südwand noch, neun Windräder zu bauen. „Nach weiteren Machbarkeitsstudien waren nur noch fünf übrig – und bei diesen fünf hat es auch noch immer gehapert, sodass wir das Projekt in Phasen aufgeteilt haben“, sagt Fürpass. Bergem und Peppingen gehören zur Phase eins. Dippach stehe in den Startlöchern, Roedgen und Sanem seien ebenfalls geplant. „Der Minister hat uns diese fünf versprochen.“

Das neue Windrad befindet sich am „Mettendallerbësch“ nahe Bergem und Steinbrücken
Das neue Windrad befindet sich am „Mettendallerbësch“ nahe Bergem und Steinbrücken Screenshot: Geoportail.lu

Leila
13. Juni 2023 - 19.54

Merci Tola...

Tola
11. Juni 2023 - 10.29

Merci Fränz.