MontenegroKarten werden neu gemischt: Parteineuling „Europa Jetzt“ ist Favorit bei der Parlamentswahl

Montenegro / Karten werden neu gemischt: Parteineuling „Europa Jetzt“ ist Favorit bei der Parlamentswahl
Nachdem der ehemalige Präsident Milo Djukanovic abgewählt wurde, dürfte bei den Parlamentswahlen am Sonntag auch seine Partei DPS Federn lassen Foto: AFP/Michal Cizek

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Über 35 Jahre teilte in Montenegro der im April abgewählte Ex-Präsident Milo Djukanovic mit seiner von ihm geführten DPS die Karten aus. Nun werden diese auch im Parlament neu gemischt: Als Favorit geht der Parteineuling „Europa Jetzt“ ins Rennen. Doch laut Umfragen sind klare Mehrheiten nicht in Sicht.

Der Machtwechsel in Montenegro steht vor seiner Vollendung. Nach der Abwahl des langjährigen Ex-Präsidenten Milo Djukanovic muss nicht nur seine gerupfte DPS bei der vorzeitigen Parlamentswahl am Sonntag weitere Verluste fürchten. Das Politikparkett im Land der Schwarzen Berge steht vor einem radikalen Wandel: In dem nach dem Fall von „Zar Milo“ entstandenen Machtvakuum ringen 15 Bündnisse und Parteien beim EU-Anwärter um die Wählergunst – und um den Zugang an die Futtertröge.

Nach dem Erfolg bei der Präsidentschaftswahl im April zieht der wirtschaftsliberale Parteineuling „Europa Jetzt“ (ES) erneut als Favorit in den Stimmenstreit. Laut letzten Umfragen könnte sich die von dem früheren Finanzminister Milojko Spajic geführte ES mit 29 Prozent der Stimmen auf Anhieb zur stärksten Kraft im neuen Parlament mausern. Ähnlich wie bei der Präsidentschaftswahl, als der ES-Chef wegen eines serbischen Zweitpass seine Kandidatur im letzten Moment zu Gunsten seines schließlich siegreichen Stellvertreters Jakov Milatovic zurückziehen musste, hat ein Skandal den Favoriten im Wahlkampffinale etwas ins Straucheln gebracht.

Die ihm vorgeworfenen Bande zu dem im März auf Antrag der koreanischen Justiz in Podgorica verhafteten, mutmaßlichen Kryptobetrüger Kwon Do-Hyung werden von Spajic bestritten. Die „Schöpfer der Skandalfabrik“ versuchten vor der Wahl auf alle erdenkliche Art eine „neue Sensation zu schaffen“, wirft er dem geschäftsführenden Premier Dritan Abazovic (URA) vor: Für Leute, „die keine Alternative zur Politik“ hätten, gebe es keine größere Furcht, als ihre Funktion zu verlieren.

Die DPS, die nach der Wahl 2020 erstmals auf die Oppositionsbänke verbannt worden war, muss laut den Umfragen weitere Einbrüche befürchten: Die langjährige Ex-Regierungspartei droht nun auch ihre Position als stärkste Parlamentskraft mit nur noch einem Viertel der Stimmen zu verlieren. Mit jungen, noch nicht diskreditierten Kandidaten versucht die noch immer von Djukanovic gesteuerte DPS, ihr Image als Partei der Korruption abzuschütteln und sich als potenzieller Koalitionsanwärter zu positionieren – vermutlich vergeblich.

Mühsamer Koalitionspoker erwartet

Mehr Chancen auf den Einstieg ins Regierungsboot hat das liberale Bündnis der Demokraten und URA, das zwischen 11 und 15 Prozent notiert. Doch im Stimmenstreit beharkt es sich mit der ES besonders hart.

Verluste von über der Hälfte der Stimmen drohen den proserbischen Nachfolgeparteien des zerfallenen DF-Bündnis: Wegen ihrer prorussischen Haltung und der Forderung nach Rückzug der Anerkennung der Unabhängigkeit des benachbarten Kosovo haben sie im Gegensatz zu den kleineren Minderheitenparteien kaum Koalitionspotenzial.

Beobachter erwarten nach der Wahl einen mühsamen Koalitionspoker – und eine noch schwierigere Regierungsmission für die ES und ihre künftigen Partner. Besonders die Umsetzung seiner populistischen Wahlversprechen kräftig erhöhter Mindestlöhne und Renten bei gleichzeitiger Absenkung der Wochenarbeit könnte ES-Hoffnungsträger Spajic angesichts der auf über 70 Prozent gekletterten Staatsschuld noch Probleme bereiten. „Die Vorwahlversprechen sind groß, die Lösungen bescheiden“, umschreibt die Zeitung Vijesti nüchtern den Stimmenstreit.