ItalienKein Handy, kein Internet: Beschäftigte im Telekommunikationsbereich streiken am Dienstag

Italien / Kein Handy, kein Internet: Beschäftigte im Telekommunikationsbereich streiken am Dienstag
 Symbolbild: Marcus Brandt/dpa

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Am heutigen Dienstag schweigen in Italien die Telefone, kein Internet ist erreichbar, „La Mamma“ kann nicht angerufen werden. Die Mitarbeiter der Telekommunikationsfirmen gehen in einen eintägigen Warnstreik. Hintergrund ist der geplante Stellenabbau, jeder sechste Arbeitsplatz, etwa 20.000 Stellen, sollen gestrichen werden.

Der Konkurrenzdruck unter den Telekommunikationsanbietern in Italien ist enorm. Es gibt einfach zu viele Anbieter, die versuchen, mit Unterbieten der Preise Kunden zu gewinnen. Die Umsätze sind in der Folge deutlich zurückgegangen. Gewerkschaftsführer Riccardo Saccone (CGIL) schätzt gegenüber der Tageszeitung Il Fatto quotidiano, dass die Unternehmen in den vergangenen zwölf Jahren jährlich einen Umsatzrückgang von einer Milliarde Euro verzeichnen. So hat sich die Privatisierung der einst staatlichen Telecom vor 25 Jahren zu einer „Katastrophe“ entwickelt, meint Saccone.

Von den einst 130.000 Mitarbeitern stehen heute nur noch 40.000 in Lohn. Gegenwärtig planen alle im Land agierenden Unternehmen, von den noch existierenden 120.000 Stellen 20.000 zu streichen; das beträfe jeden sechsten Arbeitnehmer in der Branche. Das Unternehmen TIM hat ebenso wie WindTre mit einem Stellenabbau in nicht genannter Höhe gedroht, Vodafon erklärte 20 Prozent seiner Beschäftigten entlassen zu müssen. Wer noch am Arbeitsplatz verbleiben darf, muss mit stagnierenden Gehältern und sich ständig verschlechternden Arbeitsbedingungen rechnen. Die Arbeitnehmervertretungen klagen insbesondere über die Dumpinglöhne, die im Dienstleistungsbereich wie Callcenter gezahlt werden.

Die Gewerkschaften sind sich einig: Für den 6. Juni riefen die Branchenvertreter von CGIL, CSIL und UIL zum ersten nationalen und einheitlichen Streik der Telekommunikationsarbeiter auf. Sowohl Festnetz- als auch Mobiltelefone werden am Dienstag schweigen. Callcenter und Servicestellen werden ebenso wenig erreichbar sein, wie die meisten Polizei- oder Feuerwehrdienststellen. Eine in Rom einberufene Großdemonstration soll die Regierung auf die Missstände aufmerksam machen und die Forderungen der Mitarbeitenden deutlich zu Gehör bringen. Abweichend von den landesweiten Ausständen wird im Aosta-Tal und in Südtirol am 8. Juni gestreikt.

Geringe Kontrollen

Der Streik, so betonen es die Gewerkschaften, war als notwendige Maßnahme erachtet worden, weil die Verhandlungen mit dem Unternehmerverband Assotelecomunicazione (ASSTEl) und dem zuständigen Ministerium für Arbeit ohne Ergebnisse verlaufen waren. Auch ein Schlichtungsverfahren war aus Sicht der Arbeitnehmervertretungen unannehmbar. „Dieser Streik soll die betreffenden Institutionen anregen, über eine strategische Zukunft des gesamten Sektors nachzudenken“, erklärt Salvo Ugliarolo, Generalsekretär der UILCOM, der Branchengewerkschaft der UIL.

Die Gewerkschaften werfen der Politik – vor allem den Regierungen der vergangenen zwei Jahrzehnte – vor, keine oder zu geringe Kontrolle über die Privatisierungen des Telekommunikationssektors ausgeübt zu haben. Demonstriert wird dies am Beispiel der einst staatseigenen TIM, vormals Telecom: Hier konnte zum Beispiel der Mailänder Investor Marco Tronchetti Provera mit der Aufnahme von Fremdkapital große Anteile an der Telecom erwerben. Die anfallenden Schulden stellte er dem Unternehmen selbst in Rechnung, was den Beginn des wirtschaftlichen Niedergangs zur Folge hatte. Derzeit streiten die Hauptanleger, nebst Tronchetti Provera die französische Vivendi und die italienische Regierung – die über die Cassa Depositi e Prestiti selbst an TIM beteiligt ist – über die (unsichere) Zukunft des Unternehmens. Mit ähnlichen Problemen sehen sich auch die Konkurrenten auf dem Markt konfrontiert. Deren Mitarbeiter jedenfalls sehen keine andere Lösung als den Ausstand, um auf ihre Misere aufmerksam zu machen.

rcz
6. Juni 2023 - 12.23

Kein Handy, kein Internet, kein Stress! Super.