ÖsterreichBei Parteitag Stimmen verwechselt: Jetzt doch Babler neuer SPÖ-Chef

Österreich / Bei Parteitag Stimmen verwechselt: Jetzt doch Babler neuer SPÖ-Chef
Andreas Babler wird nun doch den Vorsitz bei den österreichischen Sozialdemokraten übernehmen Foto: Georg Hochmuth/APA/AFP

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48 Stunden nach dem Parteitag musste die SPÖ am Montag bekannt geben, dass Hans Peter Doskozil irrtümlich zum neuen Parteichef ausgerufen und tatsächlich Andreas Babler gekürt worden ist.

Die Macher des Satiremagazins Tagespresse warfen gestern das Handtuch: Anstatt einer humoristischen Fake News des Tages twitterten sie nur kurz „Our job is done“. Denn gegen 16 Uhr hatte die SPÖ-Wahlkommission auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz die realsatirische Bombe platzen lassen: Beim Linzer Parteitag am vergangenen Samstag wurde nicht der burgenländische Landeshauptmann Doskozil zum Nachfolger von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner gekürt, sondern sein „unterlegener“ Kontrahent Babler. Nicht Doskozil kam, wie verkündet, auf 52,7 Prozent der Delegiertenstimmen, sondern Babler.

Damit fand der von zahlreichen Pannen geprägte Wahlprozess einen „krönenden“ Abschluss. Und beinahe wäre der fatale Fehler unentdeckt geblieben. Denn zu der nochmaligen Auszählung der Stimmen war es am Montag nur gekommen, weil die Wahlkommission nach einer bei der Erstauszählung verloren gegangenen Stimme suchen musste. Diese – ungültige – Stimme wurde dann schnell gefunden – und gleichzeitig der Super-GAU bei der Übertragung des Gesamtergebnisses in eine Excel-Tabelle: Die 317 Stimmen für Babler waren in die Rubrik Doskozil kopiert worden, die nur 280 Stimmen für Doskozil in jene Bablers.

Nachdem das Doskozil-Lager zwei Tage lang seinen Sieger gefeiert und die Babler-Fangemeinde ihre Wunden geleckt hatte, drehte sich die Stimmungslage gestern naturgemäß schlagartig. Doskozil trat in Eisenstadt vor die Presse, um einen „Tiefpunkt für die österreichische Sozialdemokratie“ zu beklagen. Nichtsdestotrotz stellte er klar, das neue Wahlergebnis „unbestritten so zur Kenntnis zu nehmen“. Die Gratulation an den Sieger verband er mit der Feststellung, dass „für mich das Kapitel Bundespolitik damit ein für alle Male abgeschlossen ist“.

Links außen verortet

Die Umkehr des Wahlergebnisses vom Samstag bedeutet keinesfalls nur eine personelle Umorientierung, sondern eine politische 180-Grad-Wende. Während Doskozil als Mann der Mitte mit migrationspolitischem Rechtsdrall wahrgenommen wurde und auf die Rückholung von zur FPÖ abgewanderten Wählern setzen wollte, ist der nun wirklich neue Parteichef links außen verortet.

Der 50-jährige Bürgermeister der niederösterreichischen Kleinstadt Traiskirchen zählte schon in der ohnehin nicht gerade rechtslastigen Sozialistischen Jugend zum linken Flügel. Er will die SPÖ zu einem „offensiven Gegenmodell zum vorherrschenden System“ machen. Beim Parteitag hatte er mit seinen Forderungen nach 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, Vermögenssteuern, Mietpreisbremse, einem warmen Essen für jedes Kind und einem Klimaschutz, für den die Reichen zahlen sollen, mehr Applaus erhalten als sein Kontrahent. Nicht ganz klar ist, ob Babler nun Marxist ist oder nicht. Bis kurz vor wenigen Tagen hatte er mehrfach betont, er sei Marxist. Als er darob auch aus der SPÖ kritische Kommentare erntete, schwenkte er um und erklärte, doch kein Marxist zu sein.

Spott und Häme

Erklärungsbedarf hat Babler auch, was seine Haltung zur EU angeht. Ebenfalls kurz vor dem Parteitag war ein Interview aus dem Jahr 2020 wieder aufgetaucht, in dem Babler die Union als das „aggressivste außenpolitische militärische Bündnis, das es je gegeben hat“, bezeichnet hatte. Die EU sei in ihrer Doktrin „schlimmer als die NATO“ und ein „imperialistisches Projekt mit ein paar Sozialstandards“. Auch das sorgte in der SPÖ für Unruhe. Babler distanzierte sich allerdings nicht von seinen Aussagen, sondern äußerte nur sein Unverständnis über die Aufregung, die diese ausgelöst hätten.

FPÖ und ÖVP, die das SPÖ-Wahldesaster mit Spott und Häme kommentierten, dürften darüber gar nicht so unglücklich sein. Während Doskozil durchaus zugetraut wurde, im rechtspopulistischen und christdemokratischen Wählerteich fischen zu können, verspricht Babler eine Polarisierung, die zwar dem linken Parteiflügel gefallen, aber im eher rechtskonservativ verorteten Österreich bei der spätestens im Herbst 2024 anstehenden Parlamentswahl kaum zu einer linken Mehrheit führen wird.