FinanzplatzVor zehn Jahren wurde das traditionelle Bankgeheimnis zu Grabe getragen

Finanzplatz / Vor zehn Jahren wurde das traditionelle Bankgeheimnis zu Grabe getragen
Mitte 2013 wurde eine grundlegende Reform angekündigt: Kunden sollen in Luxemburg keine Gelder mehr vor ausländischen Steuerbehörden verstecken können. Am 1. Januar 2015 trat die Regelung dann in Kraft. Foto: Editpress/Christian Muller

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Nach der Finanz- und der europäischen Schuldenkrise (2008-2011) geriet das traditionelle Bankgeheimnis, wie es in Luxemburg, Österreich oder der Schweiz praktiziert wurde, immer heftiger unter Beschuss. Die großen Länder waren auf der Suche nach zusätzlichen Steuereinnahmen. Lange hatte sich Luxemburg gewehrt, doch 2013 gab es eine Wende. Auch hierzulande sollte es fortan nicht mehr möglich sein, Geld vor ausländischen Steuerbehörden zu verstecken. Wie hat sich die Branche der Privatbanken seitdem entwickelt? Ein Gespräch mit Pierre Etienne und Jerry Grbic vom Bankenverband ABBL.

Tageblatt: Gibt es einen speziellen Moment aus dem Jahr 2013, der Ihnen als „der historische“ in Erinnerung geblieben ist?

Pierre Etienne: Ich muss da erst an die Geschichte des Finanzplatzes erinnern. Er ist eigentlich noch sehr jung. So richtig abgehoben hat er erst mit der UCITS-Direktive, durch die ein europäischer Binnenmarkt für Investmentfonds geschaffen wurde. Zwei Länder hatten sich damals als Hubs positioniert: Luxemburg und Irland. Doch während große US-Vermögensverwalter erst nach Irland zogen, so sind sie später dann doch nach Luxemburg gekommen – wegen des multikulturellen Umfeldes. Luxemburg hat mehr Kompetenzen zu bieten, um internationale Märkte zu bedienen. Um „Geheimhaltung“ ging es dabei nicht. Der Geschäftsbereich Privatbank war damals noch viel kleiner. Für ihn spielte das Steuergeheimnis eine wichtige Rolle. Doch der Druck auf Länder wie Luxemburg, Schweiz, Liechtenstein oder Österreich legte zu. Sie waren ins Visier geraten. Der Bereich der Investmentfonds brauchte einen guten Ruf. Luxemburg musste sich entscheiden: Entweder einen kleinen Berufsstand verteidigen oder für einen guten Ruf für die stark wachsende Fondsbranche sorgen. Das ist in den drei Jahren vorher passiert. Bis 2010 war Luxemburg in Steuerfragen noch eine wahre Festung. Danach ging es schrittweise zurück. Erst wurde der Informationsaustausch auf Anfrage zwischen Steuerbehörden eingeführt. Heute ist er automatisiert: Zusammen mit der Summe der erwirtschafteten Zinsen werden auch die Namen der nicht in Luxemburg ansässigen Kunden den ausländischen Behörden mitgeteilt. Die Namen werden aber nicht öffentlich gemacht – wie etwa in Norwegen. Der Schutz der Privatsphäre bleibt gewahrt.

Bis 2010 war Luxemburg in Steuerfragen noch eine wahre Festung. Danach ging es schrittweise zurück.

Pierre Etienne, Präsident der ABBL Private Banking Group

Gab es denn diesen einen speziellen historischen Moment?

P.E.: Für mich nicht. Wir haben das bereits einige Jahre zuvor kommen sehen. Wir waren vorbereitet.

Jerry Grbic: Die Maßnahme, die 2013 getroffen wurde, war keine Überraschung. Bereits seit 2010 war klar, dass sie kommen würde.

Wie hat sich der Markt verändert? Ist der Platz heute ein anderer?

P.E.: Es hat sich viel verändert. Vor 2013 hatten wir befürchtet, es kämen nun keine Kunden mehr nach Luxemburg. Wir hatten geglaubt, es wäre das Ende des Platzes. Doch dem war nicht so: Heute kommen mehr Kunden mit mehr Geld nach Luxemburg. Und das aus viel besseren, nachhaltigeren Gründen. Dazu zählt die Qualität des Landes, seine politische Stabilität, die soliden Finanzen, die Vorhersehbarkeit, die multikulturellen Kompetenzen und die internationale Ausrichtung. Es gibt kein anderes Land in Europa, in dem all diese Faktoren so zusammenkommen.

War es also die richtige Entscheidung?

P.E.: Ja. Wir haben den sehr wichtigen Sektor der Investmentfonds geschützt. Gleichzeitig ist durch die genannte Entwicklung auch der Sektor der Privatbank in Luxemburg stärker geworden. In einer immer chaotischer werdenden Welt wird Luxemburg als Insel der Stabilität gesehen. Der Standort musste seine Strategie überdenken. Aber das war gut. Es wurde einfacher, um für den Standort in Europa zu werben. Man konnte und musste nun auf Kompetenzen setzen.

Wir hatten geglaubt, es wäre das Ende des Platzes. Doch dem war nicht so.

Pierre Etienne, Präsident der ABBL Private Banking Group

J.G.: Beispielsweise während der Euro-Krise haben viele wohlhabende Menschen aus dem südlichen Europa nach Schutz und Stabilität für ihr Kapital gesucht. Am liebsten in Europa. Es geht nicht mehr ums Verstecken. Gefragt sind Fachkenntnisse in der internationalen Strukturierung von Kapital. Vom Kapital, das Luxemburger Privatbanken verwalten, stammen rund 85 Prozent aus europäischen Ländern.

P.E.: Die sehr wohlhabenden streuen ihr Vermögen über unterschiedliche Standorte. Ein Teil in London, ein Teil in der Schweiz, ein Teil in Singapur und ein Teil in Europa – etwa in Luxemburg. Sie wollen eine geografische Diversifizierung.

Nicht in den USA?

J.G.: Die USA sind vor allem wichtig für US-Kunden und für Kunden aus Südamerika. Menschen, die eins bis fünf Millionen zum Anlegen haben, setzen oft auf die USA. Bei höheren Summen steigt hingegen das Bedürfnis nach einer internationalen Strukturierung. Da fällt die Wahl dann oft auf Luxemburg – noch vor der Schweiz. Luxemburg hat ein gutes Umfeld zu bieten. Das Land wird als stabil und seriös angesehen. Das von den Privatbanken verwaltete Vermögen hat sich seit 2013 mehr als verdoppelt.

Pierre Etienne und Jerry Grbic 
Pierre Etienne und Jerry Grbic  Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Trotzdem gibt immer weniger Privatbanken. Und auch die Zahl der Jobs in den Privatbanken ist seitdem nicht gewachsen …

J.G.: Dass die Zahl der Banken zurückgeht, ist eine weltweite Tendenz. Das liegt daran, dass die Kosten durch die zunehmende Regulierung, für die es auch gute Gründe gibt, gestiegen sind. Das macht es schwieriger für kleine Finanzinstitute. Um weiter Gewinne zu erwirtschaften, müssen die einzelnen Banken auf ein größeres Geschäftsvolumen setzen. Bei der Entwicklung der Zahl der Mitarbeiter ist es ähnlich: Die Technik hat sich in diesen Jahren weiterentwickelt. Das hat den Banken erlaubt, mehr Geschäfte und mehr Gewinn zu machen, ohne mehr Einstellungen.      

P.E.: Viel wurde automatisiert. Die Art der Mitarbeiter hat sich verändert. Die Qualität des Dienstleistungsangebots ist gestiegen. Dadurch konnte das Volumen der Geschäfte gesteigert werden. Das ist, was wichtig ist. Zwar gibt es heute weniger Akteure in Luxemburg – dafür sind diese aber stärker. Das ist wichtig für die Sicherheit und für den Ruf des Platzes.

Zeitgleich verändert sich auch die Art der Kunden …

P.E.: Das ist eine sehr langsame Entwicklung. Keine Explosion. Die Kunden werden immer reicher und internationaler. Ich glaube aber, dass das gut ist. Das Geschäft der Privatbank soll sich an möglichst Wohlhabende wenden. Das ist gut für die Glaubwürdigkeit des Platzes.

J.G.: Es sind nicht alle Kunden von vor 2013 weggegangen. Viele haben ihre Finanzen im Heimatland reguliert. In Luxemburg sind sie dann trotzdem geblieben. Auf der Suche nach Schutz, Stabilität und Sicherheit – außerhalb der eigenen Landesgrenzen.

Pierre Etienne
Pierre Etienne Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Hat sich Luxemburg zu lange gegen die Abschwächung des allumfassenden Bankgeheimnisses gewehrt?

P.E.: Nein. Das war der gute Moment. Sich länger dem Druck zu widersetzen, wäre sehr schlecht gewesen. Es war klar, dass sich Luxemburg nicht ewig gegen Stürme und Fluten halten könnte. Es brauchte eine Veränderung der Strategie.

Es war klar, dass Luxemburg sich nicht ewig gegen Stürme und Fluten halten könnte

Pierre Etienne, Präsident der ABBL Private Banking Group

Davor gab es eine automatische Besteuerung … und Millionen an Steuergeldern von Zinseinnahmen wurden anonymisiert von Luxemburg ans Ausland überwiesen.

P.E.: Anfangs gab es eine Sondervereinbarung, mit welcher der automatische Austausch von Informationen verhindert werden sollte. Das hat aber nicht besonders lange gehalten. Luxemburg erhob da eine Quellensteuer auf den Zinseinkünften und überwies 75 Prozent der Summe an das Heimatland des Kunden – ohne den Namen des Kunden zu nennen.

J.G.: Das waren alles Maßnahmen, um Zeit zu gewinnen. So erhielten die Akteure des Finanzplatzes Zeit, um sich auf die neuen Begebenheiten vorzubereiten.

P.E.: Heute hingegen informieren wir, über die Luxemburger Steuerbehörden, beispielsweise die französische Verwaltung automatisch darüber, wie hoch die Zinseinkünfte von Herrn X oder Y sind. Die gleichen Informationen geben wir auch an Herrn X und Y weiter, damit diese sie in ihrer Steuererklärung angeben können.

Für die Einwohner Luxemburgs wurde damals eine Quellensteuer von zehn Prozent auf Zinseinkünften eingeführt …

J.G.: Die gibt es immer noch. Sie wurde zwischendurch sogar auf 20 Prozent erhöht. Die ersten 250 Euro sind jedoch steuerfrei. Mit den niedrigen Zinsen der letzten Jahre fiel diese Steuer nicht ins Gewicht – das könnte sich nun jedoch ändern.

P.E.: Man darf auch nicht vergessen, dass das Bankgeheimnis für Einwohner Luxemburgs – wie auch für Einwohner der Schweiz in der Schweiz – weiter Bestand hat. In Zukunft könnte das unter Druck ausländischer Behörden auch wieder zu einem Thema werden. Vielleicht wollen die Länder irgendwann wissen, woher die Steuereinnahmen kommen. In der Schweiz laufen bereits Diskussionen. In Luxemburg noch nicht.

Jerry Grbic
Jerry Grbic Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Wie sehen Sie die Zukunft des Sektors der Privatbanken in Luxemburg?

P.E.: Die Faktoren, die in den letzten zehn Jahren zum Erfolg des Private-Banking-Sektors in Luxemburg beigetragen haben, gelten weiter. Solange das der Fall ist, dürfte sich auch der Erfolg weiter fortsetzen. Vor allem in einer zunehmend chaotischen Welt. Es ist jedoch unabdingbar, die notwendigen Fachkräfte zu finden. In der Vergangenheit fanden wir sie in der Großregion. Die reicht jedoch heute nicht mehr. Und das wiederum erhöht den Druck auf die Themen wie Mobilität und Verfügbarkeit von Wohnraum. Das liegt in der Hand der Politik. Wenn die Politik diese Themen anpackt, dann haben wir noch schöne Tage vor uns.

Ein Banker in Luxemburg hat nach wie vor ein Berufsgeheimnis. Wie auch Ärzte. Damit bleibt die Privatsphäre der Kunden geschützt. Mehr als in anderen Ländern.

Jerry Grbic, Direktor der ABBL

Ist das Bankgeheimnis nun tot?

J.G.: Das Bankgeheimnis ist nicht tot. Es wurde nicht komplett abgeschafft. Nur in Steuerfragen. Die Privatsphäre der Kunden bleibt geschützt. Seit 2015 ist das Luxemburger Bankgeheimnis ausländischen Steuerbehörden nicht mehr entgegensetzbar. Ein Banker in Luxemburg hat aber nach wie vor ein Berufsgeheimnis. Wie auch Ärzte. Damit bleibt die Privatsphäre der Kunden geschützt. Mehr als in anderen Ländern.

Der damalige Präsident der Luxemburger Bankenvereinigung Ernst Wilhelm Contzen hatte 2013 erklärt, Luxemburg sei nun „raus aus der Schmuddelecke“. Ist das jetzt so?

P.E.: Absolut. Auch wenn es immer noch einige internationale Medien gibt, die das Gegenteil schreiben, so entspricht das jedoch nicht mehr der Realität.

J.G.: Wir sind kein Steuerparadies. Niemand kommt mehr nach Luxemburg, um hier sein Vermögen vor den Steuerbehörden zu verstecken.

P.E.: Auch wenn es um Themen wie Geldwäsche oder Terrorfinanzierung geht, so ist Luxemburg mittlerweile eines der Länder, die am genausten hinschauen. Wir akzeptieren nicht alle Kunden. Weit entfernt davon.

Pierre Etienne

Nach seinem Studium in Brüssel und in den USA hat Pierre Etienne 1987 seine Karriere in Luxemburg bei der Banque Degroof gestartet. Es folgten unterschiedliche Jobs bei der Banque Paribas Luxembourg, Banque Indosuez Luxembourg, IMI Bank Luxembourg und Fortis Bank Luxembourg. Seit 2002 arbeitet er für die Bank Pictet, die er seit 2010 leitet. Auch ist er Vizepräsident der ABBL, Präsident der ABBL Private Banking Group Luxembourg und Mitglied des offiziellen Beratungsgremiums „Haut comité de la place financière“.

Jerry Grbic

Nach seinem Finanzstudium in Brüssel begann Jerry Grbic seine Laufbahn im Bankensektor, indem er 1996 zur Banque internationale à Luxembourg kam. Dort blieb er zwölf Jahre lang auf verschiedenen Positionen. Anschließend wechselte er zur Banque Degroof, wo er den luxemburgischen Markt entwickelte. Im Jahr 2012 wechselte er zur Fortuna Banque, deren Geschäftsführer er wurde. Im April 2022 wurde er Direktor der Luxemburger Bankenvereinigung ABBL.

Tageblatt-Artikel aus 2013
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Urbain
7. Juni 2023 - 11.31

Ja, die CSV wurde gleich mit begraben.

jo
4. Juni 2023 - 13.06

mein Respekt für Norwegen!