BuchbesprechungZu wohl behütet: „Nichts davon ist wahr“ von Veronica Raimo

Buchbesprechung / Zu wohl behütet: „Nichts davon ist wahr“ von Veronica Raimo
„Nichts davon ist wahr“ – oder etwa doch: Wie ernst es Schriftstellerin Veronica Raimo in ihrem Roman meint, ist nicht immer ganz klar – im Gegensatz zu ihrem eindeutigen literarischen Talent. (C) Alessandro Imbriaco

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Irgendwo in Nordosten von Rom, noch nicht gänzlich in der Peripherie, aber dennoch weit weg vom Zentrum, um von dessen Anziehungskraft zu profitieren, lebt eine mittelständische Familie mit zwei Kindern. Das Besondere: Die Geschwister werden sich im Erwachsenenalter der Schriftstellerei widmen.

Nun könnte man den gelungenen Roman der Autorin Veronica Raimo als etwas auffassen, das autobiografisch gemein sein könnte. Doch der Buchtitel – „Nichts davon ist wahr“ – steht dieser Annahme entgegen. Also wollen wir von einer gänzlich fiktiven Geschichte ausgehen, beim Verhalten einer typischen italienischen Mama gegenüber ihrem abgöttisch geliebten Sohn.

Wobei die Erzählperspektive von dessen jüngerer Schwester eingenommen wird, die, gefühlsmäßig betrachtet, von der von Sorgen nur so überschießenden Liebe ihrer Mutter um ihren Erstgeborenen allenfalls ein paar Krumen abbekommt.

Wie lebt es sich so im Windschatten derartiger Verhältnisse? Zurückgezogen in einer gutbürgerlichen Wohnung, die vom Vater aus Angst vor einem erneuten atomaren Fallout (und grassierender Kriminalität) nach Tschernobyl derart verrammelt wurde, dass die Fenster Schießscharten gleichen. Aus denen spähen die Kinder neidisch auf das Treiben im Hinterhof und auf der Straße.

Manchmal, etwa bei der Beschreibung der zum Ritual gewordenen „Momente tiefster Einsamkeit“ des Mädchens, wenn es auf dem Klo sitzt, mag man sich über Raimos Themen etwas wundern. Wobei sie weniger absonderlich wirken, denn viel mehr als etwas, das besser auf einer Kabarettbühne aufgehoben wäre als auf den Seiten eines seriösen Romans.

Aber es kann auch sein, dass wir es hier mit einer zweiten Annahme zu tun haben, die fehlgeht. Denn wer sagt denn, dass die Autorin sich in ihrer Prosa nicht auch bühnentauglich aufführen kann wie eine Comedienne? Immer wieder gibt es diese Momente, in denen nicht ganz klar ist, wie ernst Veronica Raimo ihre Schilderungen meint.

„Nichts davon ist wahr“ könnte also durchaus das genaue Gegenteil der Behauptung im Titel sein, zumal ihr Bruder Christian Raimos als ziemlich umtriebiger Literat und Blogger auffällig wurde. Doch gleichwohl wie kritisch man dem Versteckspiel der Autorin gegenüber steht, eines – ihr außerordentliches literarisches Talent nämlich – wird gleich auf den ersten Seiten ihres Romans derart offensichtlich, dass es zu keinem Zeitpunkt Gefahr läuft, infrage gestellt zu werden.

Info

Veronica Raimo: „Nichts davon ist wahr“, Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2023, 224 S., 22,00 Euro