SenegalMindestens neun Tote bei Protesten nach Urteil gegen Oppositionsführer

Senegal / Mindestens neun Tote bei Protesten nach Urteil gegen Oppositionsführer
Polizisten nahe der Universität in Dakar: Der Campus in der Hauptstadt glich einer Art Schlachtfeld Foto: AFP/John Wessels

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Bei gewaltsamen Zusammenstößen nach dem Gefängnisurteil gegen Oppositionsführer Ousmane Sonko sind im Senegal mindestens neun Menschen ums Leben gekommen. Die senegalesische Regierung entsandte am Freitag bewaffnete Sicherheitskräfte in die Hauptstadt Dakar.

Es sei bei den Protesten von Sonko-Anhängern am Donnerstag „zu der Zerstörung von öffentlichem und privatem Eigentum“ gekommen und neun Tote seien insgesamt aus Dakar und Ziguinchor gemeldet worden, sagte Innenminister Antoine Diome in der Nacht zu Freitag im Staatsfernsehen. Die Regierung rufe die Bürger zur Ruhe auf und ergreife „alle Maßnahmen, um die Sicherheit von Menschen und Eigentum zu gewährleisten“, sagte Diome weiter.

Mittlerweile wurden nach Angaben von AFP-Journalisten Sicherheitskräfte mit Gewehren in verschiedenen Teilen Dakars positioniert. Die Straßen in der Hauptstadt seien fast menschenleer. Aus Angst vor Plünderungen blieben Geschäfte in ganzen Straßenzügen geschlossen, die noch immer die Spuren der Gewalt vom Vortag trugen.

„Verführung der Jugend“

Sonko war am Donnerstag wegen „Verführung der Jugend“ von einem Gericht zu zwei Jahren Haft verurteilt worden, weil er eine junge Frau zu unzüchtigem Verhalten angestiftet haben soll. Das Urteil stellt Sonkos Bewerbung um das Präsidentenamt für die Wahl 2024 in Frage.

Luxemburgs Partnerland

Wie in den anderen Sahel-Staaten Niger, Mali und Burkina Faso ist Luxemburg auch in Senegal seit Jahren in der Entwicklungszusammenarbeit engagiert. Während die drei erstgenannten Staaten seit Jahren immer tiefer in einem Strudel der Gewalt und der Unsicherheit versinken und die russische Söldnertruppe Wagner dort immer mehr Fuß fasst und den Einfluss Moskaus in der Region ausbaut, galt Senegal weiterhin als sicherer Hafen in der Region. In der Stadt Ziguinchor unterstützt Luxemburg seit langer Zeit ein Hospital für HIV-Patienten. Zudem wurde in der Stadt im Herbst 2021 ein Zentrum für Frauen eröffnet, die Opfer von sexueller Gewalt wurden. Ganz im Norden Senegals, in der Küstenstadt Saint-Louis, unweit der Grenze zu Mauretanien, engagiert sich Luxemburg seit langem in einem regionalen Krankenhaus. Darüber hinaus ist man treuer Partner einer Berufsausbildungsschule und eines „Lycée technique“.

Nach der Verkündung des Urteils bewarfen Demonstranten in Dakar Polizisten mit Steinen, die Polizei setzte Tränengas ein. Der Universitätscampus in der Hauptstadt glich einer Art Schlachtfeld. Autos sowie Universitätsgebäude und die wichtigste Journalistenschule des Landes wurden in Brand gesetzt und geplündert.

Zwei Polizisten berichteten der Nachrichtenagentur AFP von mindestens drei Toten bei Protesten im südlich gelegenen Ziguinchor, wo Sonko seit 2022 Bürgermeister ist. Ein Polizist sei zudem von jungen Demonstranten in der Hauptstadt gesteinigt worden.

Zusammenstöße und Plünderungen von öffentlichem Eigentum, Geschäften und Tankstellen wurden aus Dakar und seinen Vororten gemeldet, aber auch in Ziguinchor, den westlich gelegenen Städten Mbour und Kaolack und in Saint-Louis im Norden. Auch die Autobahn von Dakar zum Flughafen wurde von Demonstranten blockiert.

In Dakar sind die Spuren der Auseinandersetzungen noch deutlich zu sehen
In Dakar sind die Spuren der Auseinandersetzungen noch deutlich zu sehen Foto: AFP/John Wessels

Laut Innenminister Diome wurde der Zugang zu Online-Netzwerken wie Facebook, WhatsApp und Twitter zeitweise gekappt, nachdem dort „Hass-Botschaften“ verbreitet worden seien.

Der Oppositionspolitiker Sonko war auch wegen Vergewaltigung und Todesdrohungen angeklagt, von diesen Vorwürfen von dem Gericht in Dakar aber freigesprochen worden. Verurteilt wurde er lediglich wegen „Verführung der Jugend“, da die Klägerin, eine Angestellte in einem Schönheitssalon, zum Zeitpunkt der Ereignisse unter 21 Jahre alt war. Sonko bestreitet alle Vorwürfe und hält das Vorgehen der Justiz für politisch motiviert.

Die zeitweise Festnahme Sonkos wegen Vergewaltigungsvorwürfen im Jahr 2021 hatte bereits damals tagelange Ausschreitungen ausgelöst, bei denen mindestens zwölf Menschen getötet wurden. Bei der Präsidentschaftswahl 2019 war Sonko an dritter Stelle gelandet. Bis zu seiner Verurteilung galt er als wichtigster Herausforderer von Staatschef Macky Sall bei der Wahl im kommenden Jahr.

Gegen Frankreichs Einfluss

Der 48-jährige Sonko, Chef der Partei Pastef, soll zu Hause in Dakar sein. Dort wird er seit Sonntag von einem großen Polizeiaufgebot bewacht. Er selbst spricht davon, dass er „gefangen gehalten“ werde. Die Polizeikräfte hatten teils mit Gewalt alle Versuche von Anwälten oder seinen Anhängern abgewehrt, sich dem Haus zu nähern.

In seinen nationalistisch und panafrikanisch ausgerichteten Reden, in denen er sich für religiöse Werte und Traditionen einsetzt, wendet sich Sonko gegen die von ihm als „Staatsmafia“ bezeichneten Eliten, gegen multinationale Konzerne und den Einfluss der früheren Kolonialmacht Frankreich. Damit findet er viel Anklang bei den jungen Leuten, die angesichts der schwierigen Wirtschaftslage nach Perspektiven suchen. In Senegal sind mehr als die Hälfte der Bevölkerung unter 20 Jahre alt. (AFP)