MotorsportIron Dames: „Zeigen, dass Frauen im Motorsport ihren Platz haben“

Motorsport / Iron Dames: „Zeigen, dass Frauen im Motorsport ihren Platz haben“
Le Mans 2022: Sarah Bovy, Rahel Frey und Michelle Gatting (v.l.n.r.) bei der Fahrerparade im Stadtzentrum Foto: Norbert/Marie-Jo Nickels

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Die Französin Deborah Mayer hat 2018 das „Iron Dames“-Projekt lanciert. Dieses setzt ausschließlich Rennfahrerinnen in verschiedenen Rennsportserien ein, vom Karting bis zur World Endurance Championship (WEC). Sarah Bovy (B), Rahel Frey (CH) und Michelle Gatting (DNK) sind die drei Pilotinnen, die im Laufe der letzten Monate ihre größten Erfolge in den pinkfarbenen GT-Boliden erlebten. Das Tageblatt hat sich mit ihnen unterhalten.

Tageblatt: Michelle, Rahel, Sarah – „Iron Dames“ gibt es seit 2018, aber im letzten Jahr sind Sie erst wirklich ganz groß rausgekommen. Warum?

Rahel Frey: Seit Beginn ist Iron Dames erfolgreich gewesen. Wir haben bislang mit all unseren Fahrerinnen gewonnen. Jedes Jahr kommt etwas mehr dazu. Wir sind schon lange dabei, wir arbeiten hart und ich bin sicher, da wird noch viel kommen. Wir haben starke Leute hinter uns Pilotinnen. Wir wachsen weiter, um auch neben der Strecke erfolgreich zu sein. Vielleicht ist es ja die „rosarote Brille“ (grinst), die uns stolz macht, ein Teil dieser großen Mannschaft zu sein. Am Anfang wussten viele Leute nicht, was wir machen wollten. Ist es nur ein Hype? Sind sie nach einem Jahr wieder weg? Es war Unsicherheit dabei, aber wir konnten beweisen, dass wir über all die Jahre etwas aufgebaut haben. Jetzt sieht man, dass wir schnell sind und dass das Ganze langfristig ist.

Michelle Gatting: Vor allem mit dem Erfolg im Gold Cup bei den 24 Stunden von Spa ist uns richtig bewusst geworden, dass wir siegfähig sind. Den Titel in der GTWC haben wir 2022 nur durch einen technischen Defekt verloren. Auch in Le Mans waren wir stark: Wir haben an der Hyperpole teilgenommen, hatten sicher den besten Bronze-Fahrer im Feld (Sarah Bovy; Anm. d. Red.). Im Rennen hat uns ein Plattfuß gleich zu Anfang zurückgeworfen, aber wir haben uns bis zum Schluss immer tapfer nach vorn gekämpft.

Sarah, Sie sind als Letzte des heutigen Trios dazugestoßen und inzwischen sind Sie die Quali-Spezialistin der Iron Dames …

Sarah Bovy: 2021 hat sich für mich die Chance meines Lebens ergeben, als Iron Dames eine neue Pilotin für ihr GT-Team suchte. Ich hatte damals, nach der schwierigen Corona-Zeit, nicht mehr viel Hoffnung, im Automobilsport weiterzukommen, aber ich war bereit, habe mich beworben und es hat geklappt … Die Amateur-Fahrer haben das Glück, in der ELMS und WEC das Qualifying zu bestreiten und somit eine gute Sichtbarkeit zu bekommen. Eigentlich war das Qualifying nie wirklich meine Stärke, aber ich habe, mit der Unterstützung der Mannschaft, an mir gearbeitet und von Rennen zu Rennen dazugelernt. Heute ist es schön zu sehen, dass wir regelmäßig um die vorderen Plätze mitkämpfen. Das Qualifying bleibt schwierig und verlangt viel Präzision – es ist ein regelrechter Seiltanzakt. Es kann immer viel passieren, man muss bodenständig bleiben und vor allem darf man seine Konkurrenten nicht unterschätzen.

Bei den Iron Dames besteht das Fahrer-Trio nur aus Damen. Wie sieht es eigentlich beim Rest des Teams aus?

M.G.: Obschon unser Boss und die Piloten alle weiblich sind, war es nie das Ziel, ein reines Mädels-Team zu sein. Wir haben schon Damen in allen Bereichen: Ingenieurinnen, Mechanikerinnen, Media usw. Wir möchten einen guten Mix haben und wollen zeigen, dass Frauen im Motorsport ihren Platz haben – dies ist uns auch gelungen. Ich wäre gar nicht froh, wenn unser Team rein weiblich wäre, denn dann könnte alles zu sehr pink werden (lacht).

Glauben Sie, dass es in den letzten Jahren für Frauen einfacher geworden ist, im Motorsport Fuß zu fassen?

M.G.: Es gibt heute mehr Möglichkeiten als zu meiner Zeit. Wir drei mussten uns durchschlagen, doch ich bin froh darüber, denn das machte uns zu dem, was wir heute sind. Als wir jung waren, gab es noch keine Projekte wie das von Iron Dames. Heute passiert schon viel, besonders im Kart-Sport – die Welt verändert sich. Frauen sollten aber keine Vorteile gegenüber ihren männlichen Kollegen genießen, nur weil sie weiblich sind. Es kann nicht sein, dass es für einen Sponsor heißt: „Oh, du siehst nett aus, du könntest ein gutes Marketing-Tool für unsere Firma sein!“ Es ist wichtig, den jungen Mädchen im Kart-Sport die nötige Unterstützung und Ausbildung zu geben. Sie müssen lernen, kämpferisch zu sein und sich nicht von den Jungs von der Bahn drängen zu lassen. Iron Dames hilft ihnen, zu verstehen, wie die Dinge laufen und begleitet sie in ihrer Karriere. So bin ich z.B. bei einigen Rennen unserer jungen Kart-Pilotin Natalia Granada dabei und coache sie, denn ich habe ja alle Etappen durchlebt.

Ist es für eine Pilotin noch schwieriger, Sponsoren zu finden, als für einen männlichen Fahrer?

S.B.: Es ist für jeden Rennfahrer schwierig. Sponsorensuche war eigentlich die Geschichte meiner gesamten Karriere. Meine Familie hatte keine Millionen, um mir den Kart- und später Automobilsport zu finanzieren. Ich habe immer mehr Zeit damit verbracht, Sponsoren zu finden als schlussendlich im Rennwagen zu sitzen. Heute verlangen Sponsoren eine ganz klare Umsatzrendite. Bei der Sponsorensuche muss man den Firmen also etwas anbieten und nicht etwas von ihnen verlangen. Die einfallsreichsten Piloten werden am erfolgreichsten sein, also diejenigen, die verstanden haben, wie die Firmen ticken und funktionieren. Genau aus diesem Grund habe ich übrigens ein Marketingstudium absolviert. Im Motorsport ist es besonders schwierig, da dieser oftmals noch, und dies völlig zu Unrecht, als nicht politisch korrekt angesehen wird.

In den letzten zwei Jahren haben Sie vier verschiedene Autos gesteuert. Ist es nicht schwierig, von einem Event zum anderen in einem anderen Rennwagen zu sitzen?

S.B.: Letztes Jahr haben wir in der WEC und ELMS den Ferrari 488 GTE gefahren und in der GTWC das gleiche Modell in der GT3-Ausführung. Dieses Jahr ist es noch spezieller, weil der Porsche (WEC) und der Lamborghini (IMSA und GTWC) zwei grundverschiedene Konstruktions-Philosophien haben. Am schwierigsten war es Anfang dieses Jahres in Sebring, wo wir an zwei aufeinanderfolgenden Renntagen den Porsche in der WEC und dann den Lambo in der IMSA fuhren. Wir haben uns aber so langsam daran gewöhnt, von einem Wochenende zum anderen in verschiedenen Fabrikaten zu sitzen und genau das macht uns als Fahrer(innen) noch stärker.

Sie haben an fast allen großen Langstreckenrennen teilgenommen: 24h Le Mans, Spa, Daytona, 12h Sebring. Wie sieht es mit den 24h Nürburgring aus?

M.G.: Dieses Jahr gehen wir zum ersten Mal nach Amerika und nehmen dort an den vier Langstreckenrennen der IMSA-Serie teil. Ich möchte schon gerne mal die 24 h Nürburgring fahren, aber ich weiß nicht, wie meine Chefin Deborah (sie sieht kurz zu ihr rüber) das sieht. Ich weiß, dass Rahel (die schon mehrmals teilgenommen hat; Anm. d. Red.) von diesem Rennen nicht so begeistert ist. Auch möchte ich unbedingt noch die 12h von Bathurst in Australien bestreiten, aber machen wir eine Sache nach der anderen. Wir können uns bereits sehr glücklich schätzen, bis jetzt schon GTWC, ELMS, IMSA und WEC bestritten zu haben.

Mittlerweile gibt es auch reine Frauen-Serien im Automobilsport. So z.B. die W-Series und jetzt die F1-Academy. Was halten Sie davon?

S.B.: Meine Meinung dazu ist zweigeteilt. Meine erste Reaktion war, zu sagen: Schade, ich finde es nicht gut, die Geschlechter zu trennen. Ich selbst habe an Rennen der W-Series teilgenommen, da ich mir sagte, dass ich jede Gelegenheit zum Rennfahren nutzen muss. Im Nachhinein sehe ich es positiv, dass mit diesen neuen Damen-Serien junge Mädchen dazu ermutigt werden, in den Rennsport einzusteigen. Sie müssen danach aber unbedingt in gemischte Serien umsteigen.

Ihre vierte Iron-Dames-Kollegin Doriane Pin fährt dieses Jahr sehr erfolgreich bei der WEC in einem LMP2-Prototypen. Wie sieht die Zukunft der anderen Iron-Dames-Damen aus?

R.F.: Wie es mit den einzelnen Iron Dames weitergeht, wird sehr individuell sein. Die jungen Mädchen sind im Kart, wir bei den GT und Doriane bei den Prototypen. Neben meiner Funktion als Pilotin bin ich auch Projekt-Manager der Iron Dames. Mit dieser Kappe kümmere ich mich darum, die individuellen Programme für unsere jungen Pilotinnen zusammenzustellen, zu schauen, was für jede am besten passt. Natürlich schaue ich auch, in welchen Serien das Team in Zukunft antreten soll. All dies sind Sachen, die zu meinen Aufgaben dazugehören.

Am 11. und 12. Juni finden die 24 Stunden von Le Mans statt. Wie sehen Sie diesem Großevent entgegen?

M.G.: Ein Sieg beim 100.-Jubiläums-Rennen in Le Mans wäre schön, aber die GTAm-Kategorie ist hart umkämpft. Es ist wichtig, mit den Füßen auf dem Boden zu bleiben und den nötigen Respekt vor der starken Konkurrenz zu haben.

R.F.: Da es ab diesem Jahr die GTEPro nicht mehr gibt, sitzen jetzt starke Werksfahrer in den GTAm-Autos. Somit ist das Niveau gestiegen, aber auch wir haben uns weiterentwickelt. Die Konkurrenz ist sehr stark. Wir warten noch immer auf den ersten WEC-Sieg. Wenn das jetzt bei den Le Mans 24h geschehen würde, dann wäre das natürlich toll. Vom Paket her sind wir bereit und motiviert. Wir dürfen keine Fehler machen und müssen unser Bestes geben, dann schauen wir, was dabei herauskommt.

Zum Iron-Dames-Team

2022 bestritt das Iron-Dames-Team die WEC und die ELMS (European Le Mans Series) sowie die GTWC (GT World Challenge) mit einem Ferrari 488. In der WEC standen sie in der GTAM-Kategorie einige Male auf dem Podium und nahmen in Le Mans sogar an der Hyperpole teil. In der ELMS erzielten sie in ihrer Klasse sowohl Pole-Positions als auch Siege. Den größten Erfolg fuhren sie aber zusammen mit der vierten „Iron Dame“ Doriane Pin bei den GTWC 24 Stunden von Spa-Francorchamps ein, wo der Gesamtsieg im Gold Cup gelang. Diese Saison haben die Damen den fahrbaren Untersatz gewechselt und gehen in der WEC mit einem Porsche 911 GTE und in der GTWC und IMSA mit einem Lamborghini Huracán GT3 Evo2 an den Start. Nach ihren drei ersten, bereits beeindruckenden Rennen in der WEC sehen sie nun mit großen Erwartungen dem Königsevent entgegen: der 100. Ausgabe der 24 Stunden von Le Mans am 10. und 11. Juni.