MetzeschmelzDas Zukunftsmodell: Wie Bürger ein wegweisendes Projekt mitgestalten sollen

Metzeschmelz / Das Zukunftsmodell: Wie Bürger ein wegweisendes Projekt mitgestalten sollen
Partizipativer Prozess: Henning Stüben (r.) und Konstantin Wolf beim Workshop „Begegnungsstätte“ Foto: Editpress/Tania Feller

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Bürgerbeteiligung soll bei der Entwicklung des neuen Stadtviertels Metzeschmelz großgeschrieben werden. Am Samstag fiel dazu mit dem „Fréijoersforum“ so etwas wie der offizielle Startschuss, auch wenn die Partizipation schon vorher eine wichtige Rolle spielte. Jedenfalls kommt das zukunftsträchtige Projekt nun ins Rollen, am kommenden Freitag wird der allgemeine Bebauungsplan verabschiedet.  

Am 15. September begann mit der Schlüsselübergabe von ArcelorMittal an die Entwicklungsgesellschaft Agora die heiße Phase zur Rückkonvertierung der Industriebrache Metzeschmelz. Bei der Eröffnungsveranstaltung Anfang Oktober konnten sich die Menschen erstmals ein Bild davon machen, was hier in den nächsten 20 bis 25 Jahren entstehen soll. Nämlich ein die Industriegeschichte respektierendes Stadtviertel für 8.000 bis 10.000 Einwohner, das als urbanistisches Zukunftsmodell für Luxemburg dienen soll: ein autoarmer „Tempel der sanften Mobilität“, klimaneutral und klimaresistent, nachhaltig, den Regeln der Kreislaufwirtschaft folgend und menschenfreundlich. All das also, was der Belval nicht ist.

Vor allem aber soll das neue Stadtviertel von den Bürgern mit entworfen werden, weshalb am Samstag mit dem „Fréijoersforum“ die erste große partizipative Veranstaltung stattfand, bei der es um die konkrete Planung ging. Das soll es in Zukunft zweimal im Jahr geben. Zudem wird ein Zukunftsrat ins Leben gerufen, dem 35 Leute angehören soll, Zweidrittel davon aus der Zivilgesellschaft. Am Horizont steht der Einzug der ersten Bewohner, eventuell schon ab 2028.

Welche Funktion für welchen Platz?  
Welche Funktion für welchen Platz?   Foto: Editpress/Tania Feller

Bis dahin aber ist es noch ein weiter Weg. Ein erster Schritt erfolgt am kommenden Freitag, wenn die Gemeinderäte in Esch (91% der Gesamtfläche von 93 Hektar) und Schifflingen (9%) zeitgleich den allgemeinen Bebauungsplan (PAG) für die Metzeschmelz verabschieden. Durch das neue Stadtviertel werden die beiden Gemeinden jedenfalls näher aneinander rücken, wird es doch eine zentrale Achse vom Escher Viadukt via Alzettestraße durch das neue Viertel bis nach Schifflingen geben. Sie soll der sanften Mobilität und öffentlichen Transportmitteln vorbehalten sein. Motorisierten Individualverkehr wird es zwar auch auf Metzeschmelz geben, doch der direkte Weg bleibt Fußgängern, Fahrradfahrern oder anderen sanften Transportmitteln vorbehalten. Die Autos werden in sogenannten Mobilitätshubs untergebracht. Hinzu kommt die Anbindung zur schnellen Tramverbindung in die Hauptstadt bzw. der innerstädtischen Straßenbahn durch Esch in Richtung Belval und Beles. Neben der Straßenbahn soll ein neuer Bahnhof in das Viertel integriert werden, der dann zusammen mit einem neuen Bahnhof am Viadukt die alte Escher „Gare“ ersetzen soll (das Tageblatt berichtete).

So könnte einmal der Hallenplatz an der Tramhaltestelle aussehen
So könnte einmal der Hallenplatz an der Tramhaltestelle aussehen COBE/Urban Agency/Agora

Kein Wunder also, dass einer der Schwerpunkte am Samstag auf der Mobilität lag. Die rund 190 Teilnehmer am „Fréijorsforum“ jedenfalls konnten sich in drei Ateliers aufteilen. Neben der Mobilität waren die Themen die Zwischennutzung der riesigen Hallen als Stadtfabrik (z.B. als Handwerkerhof oder als Baumschule für die Bepflanzung des Viertels), und die künftigen zentralen Begegnungsstätten.

Fünf Plätze

Metzeschmelz: Flächennutzung

Bruttobaufläche ca. 800.000 m2 
davon min. 50% Wohnfläche (davon 30% erschwinglich), 10-18% Büro, 4-5% Handwerk und kleine Firmen, 1-2% Geschäfte und Gastronomie, 10% öffentliche Einrichtungen (darunter drei Grundschulen und eine Europaschule), 9% Facility Hubs, 4% andere Nutzung.   

Fünf von ihnen soll es auf Metzeschmelz geben, alle mit einem anderen Schwerpunkt. Wie dieser aussehen soll, das wollten Beate Weigel, Henning Stüben und Konstantin Wolf von den rund 30 Teilnehmern ihres Workshops erfahren. Wolf leitet das Luxemburger Büro von Zebralog, einer Bürgerbeteiligungsagentur aus Berlin. Stüben arbeitet für das Planungsbüro Urban Agency, das zusammen mit den Dänen von Cobe den Architekturwettbewerb zum Masterplan der Metzeschmelz gewonnen hatte. Dritte im Bunde ist Beate Weigel von AGORA.

Stüben leitete den Workshop mit einer kurzen Zusammenfassung der großen Prinzipien des Masterplans ein: 50 Prozent der Gesamtfläche sind für den Wohnungsbau vorgesehen, der aus 30 Prozent erschwinglichem Wohnraum bestehen soll. Und zwar verteilt auf das gesamte Viertel, nicht zentriert an einer Stelle. Die Höhe der Behausungen steigt kontinuierlich an, je näher man sich den Gleisen nähert. Ungefähr so: An der renaturierten Alzette stehen die Einfamilienhäuser, in der Mitte die Appartmentblöcke und am hinteren Rand die Bürotürme, die gleichzeitig als Schallschutz zum Zugverkehr dienen. Direkte Verbindungen zu den Naturgebieten Lallenger Bierg, Schifflinger Brill und Pudel wird es geben, trotzdem spielen die Natur und die Begrünung eine wichtige Rolle. Wegen der Resilienz gegenüber der vom Klimawandel ausgelösten extremen Wetterphänomene wie Starkregen, Dürre oder Hitze, aber auch um das Stadtviertel so menschenfreundlich wie nur irgend möglich zu machen.

So könnte das neue Stadtviertel für 8.000 bis 10.000 Einwohner einmal aussehen
So könnte das neue Stadtviertel für 8.000 bis 10.000 Einwohner einmal aussehen COBE/Urban Agency/Agora

„Wir wollen von euch wissen, welche Wohnformen in Esch funktionieren und welche öffentlichen Plätze“, sagt Konstantin Wolf und händigt zwei große DIN-A3-Zettel aus. Der Brillplatz kann als positives Beispiel nicht herhalten, da sind sich die Anwesenden einig. Ein Ort für Begegnungen ist das nicht, sagt ein Bürger. Auch der Rathausplatz gefällt nicht, zu viel Beton. Den wird es aber auch auf Metzeschmelz geben müssen, denn der Boden ist zum Teil so verseucht, dass eine Sanierung schon allein aus Kostengründen nicht sinnvoll ist. Also muss er versiegelt werden. Was allerdings auf der Versiegelung entsteht, soll anders sein als zum Beispiel auf Belval. 

In kleinen Gruppen notieren die Bürger auf den Blättern, was für sie wichtig ist, was an den fünf zentralen Begegnungsplätzen an Infrastruktur entstehen soll und was auf gar keinen Fall dorthin gehört. Zum Schluss des halbstündigen Ateliers sammeln Weigel, Stüben und Wolf die Zettel wieder ein. „Sie werden jetzt abgetippt und zu einem Auswertungsbericht verschmolzen“, erklärt Konstantin Wolf, „dieser wird dann auf der Homepage der Metzeschmelz (www.metzeschmelz.lu) veröffentlicht. Alles, was auf diesen Blättern steht, wird weiterverarbeitet“, verspricht er. 

Das 3D-Modell

Wie wird Esch in Zukunft aussehen? Um das neue Stadtviertel Metzeschmelz effektiver und einfacher planen zu können, hat sich die Entwicklergesellschaft Agora ein doch recht spektakuläres digitales Werkzeug erschaffen. Ein 3D-Modell, das die Agora-Projekte Belval und Metzeschmelz bis ins kleinste Detail visualisieren kann und dabei den alten Teil Eschs mit einbezieht. Dabei kann es die Sonne simulieren und dementsprechend den Schattenraum jedes einzelnen Gebäudes zu jeder Jahres- und Tageszeit anzeigen. Das Modell wurde beim „Fréijoersforum“ ausgestellt und den Bürgern vorgestellt. Es soll in einer späteren Phase zumindest teilweise online gestellt werden, um den Menschen einen besseren Überblick zu ermöglichen, wohin die Planung geht, erklärte Dominique Seelen von der Agora. Von September bis März pflegte Seelen die Daten für das geografische Informationssystem (GIF) ein, das die Bürgerpartizipation in Zukunft effizienter gestalten soll. (P.M.)

Arbeitswerkzeug: Das neue 3D-Modell kann u.a. die Sonneneinstrahlung und somit den Schattenraum simulieren
Arbeitswerkzeug: Das neue 3D-Modell kann u.a. die Sonneneinstrahlung und somit den Schattenraum simulieren Screenshot: QMZ_Modele_3D