MontenegroTrotz schlechter Prognosen gibt sich Djukanovic in Präsidentschaftswahl nicht geschlagen

Montenegro / Trotz schlechter Prognosen gibt sich Djukanovic in Präsidentschaftswahl nicht geschlagen
Milo Djukanovic zieht alle Register, um seinen Herausforderer Jakov Milatovic vor der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl zu diskreditieren Foto: AFP/Savo Prelevic

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Vor Montenegros Präsidentschaftswahl sehen die Analysten Herausforderer Jakov Milatovic klar vor dem angeschlagenen Dauerregenten Djukanovic. Doch „Zar Milo“ gibt sich nicht geschlagen. Seine Hoffnungen ruhen auf den Minderheiten, der Diaspora sowie seinen Wahlhelfern in den Nachbarstaaten.

Über drei Jahrzehnte an den Schalthebeln der Macht hat Montenegros schillernder Dauerregent Milo Djukanovic bereits auf dem Buckel. Amtsmüde ist er nicht. Doch ob das gewiefte Politfossil seine von Korruptionsskandalen und Mafia-Vorwürfen überschattete Karriere bei der Stichwahl der Präsidentenkür am Sonntag noch einmal verlängern kann, ist ungewiss.

Die von ihm geführte DPS wurde bereits bei den Parlamentswahlen 2020 in die Opposition verbannt. Und trotz seines Etappensiegs im ersten Wahlgang, den der 61-Jährige mit 35,2 Prozent gewann, geht der angeschlagene Platzhirsch als Außenseiter in das Duell gegen seinen 24 Jahre jüngeren Herausforderer, den früheren Wirtschaftsminister Jakov Milatovic (29,2 Prozent).

Der Präsident gehe einer „wahrscheinlichen Niederlage“ entgegen, umschreibt die Agentur „Balkan Insight“ die Ausgangslage. Da fast alle der ausgeschiedenen Kandidaten Milatovic unterstützten, könne er kaum auf zusätzliche Wähler hoffen: „Es müsste für Djukanovic ein Mirakel geschehen, um doch noch zu gewinnen.“

Dem erhofften Wunder müht sich der routinierte Ränkeschmied nach Kräften nachzuhelfen. Zusätzliche Stimmen erhofft er sich von den nationalen Minderheiten und in der ausländischen Diaspora: Auf Stimmenfang tingelte er in dieser Woche selbst ins deutsche Hannover. Doch obwohl die meisten Minderheitenparteien sich vor dem ersten Wahlgang für Djukanovic ausgesprochen hatten, blieben deren Wähler in ungewohnt großer Zahl zu Hause.

Rivalen in Diskredit bringen

Zumindest auf die Unterstützung seiner publizistischen Wahlhelfer in den ex-jugoslawischen Staaten kann Djukanovic indes noch immer zählen. Sein später Bruch mit Serbiens früherem Autokraten Slobodan Milosevic, die Anerkennung Kosovos 2008 und sein Feldzug gegen die Serbisch-Orthodoxe Kirche, der auch der Großteil der orthodoxen Montenegriner angehören, hat ihm trotz Presseknebelung und zweifelhafter Bande zur Halbwelt nicht nur im Westen und bei den früheren Kriegsgegnern Serbiens, sondern auch in Belgrader Intellektuellen-Kreisen anhaltende Sympathien beschert.

Sein Bestreben, seinen Rivalen Milatovic wegen dessen Zugehörigkeit zur Serbisch-Orthodoxen Kirche als Sachverwalter großserbischer und russischer Interessen abzustempeln, finden auffälligen Widerhall. In dieser Woche veröffentlichte die DPS von mehreren Belgrader und Zagreber Publizisten, Wissenschaftlern und Bürgerrechtlern unterzeichnete „Intellektuellen-Unterstützung“ für Djukanovic, die vor Milatovic warnte: „Ein Sieg von Milatovic würde die totale Kontrolle Moskaus über Montenegro ermöglichen.“

Doch ist der 37-jährige Ökonom und Oxford-Absolvent tatsächlich ein Mann Belgrads und Moskaus? Vor drei Jahren gab Milatovic seinen gut bezahlten Job bei der Europäischen Entwicklungsbank (EBRD) in Bukarest auf, um als Parteiloser ins Kabinett des damaligen Premiers Zdravko Krivokapic einzutreten. Die wenig homogene und im Frühjahr 2022 vorzeitig gescheiterte Koalition wurde auch von der Belgrad-hörigen DF getragen. Doch die Beziehungen zu Serbien waren in deren Ägide eher gespannt: Mit demonstrativer diplomatischer Missachtung wurde Premier Krivokapic bei seinem späten Antrittsbesuch im Herbst 2021 am Belgrader Flughafen nicht von Serbiens Regierungschefin, sondern vom Landwirtschaftsminister in Jeans empfangen.

Zuspruch vom Kriegsverbrecher

2022 war Milatovic einer der Mitbegründer der Bewegung „Europa jetzt“, die für die Beschleunigung der EU-Beitrittsverhandlungen streitet. Doch es ist eine ungefragte Wahlempfehlung eines serbischen Kriegsverbrechers, die dem Pro-Europäer nun das Label eines großserbischen Nationalisten beschert hat.

Das Wichtigste sei jetzt, „dass wir aus Serbien Milatovic unterstützen, um das Problem Djukanovic zu lösen“, verkündete der serbische Ultranationalist Vojislav Seselj vergangene Woche in einer TV-Talkshow. Seine vermeintliche Sympathie für den ihm völlig unbekannten Politnovizen hat in der ganzen Region bestürzte Solidaritätsbekundungen für Djukanovic ausgelöst.

Der Kommentator der Zeitung Vijesti in Podgorica erinnert hingegen daran, dass Djukanovic und der Kriegsverbrecher Seselj schon lange freundschaftliche Bande pflegten. So habe der DPS-Chef Seselj bereits 1998 nach der erstmaligen Wahl zum Präsidenten zu seiner Inauguration eingeladen und ihm nach dem Freispruch in erster Instanz vor dem UN-Tribunal 2016 selbst in warmen Worten „zur Freiheit gratuliert“. Vijesti wittert in dem TV-Auftritt von Seselj und dem folgenden Pressewirbel eine inszenierte und „gut koordinierte Aktion“: „Die Wahlchancen sinken für jeden, den Seselj unterstützt.“