EditorialKritik oder Hatespeech: Wenn Fußballer öffentlich beschimpft werden

Editorial / Kritik oder Hatespeech: Wenn Fußballer öffentlich beschimpft werden
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„Fußball verbindet Menschen, wird aber auch häufig zum Schauplatz von Diskriminierung und Hass.“ Mit diesen Worten leitete der FC Bayern München vergangene Woche seine Cybermobbing-Kampagne ein. Die Zitate, die Leroy Sané, Thomas Müller und Leon Goretzka vorlasen, müssten eigentlich das blanke Entsetzen auslösen. Tun sie aber nicht – mehr. „Möge euer Teambus brennen“ ist eine der harmloseren Aussagen, die im besagten Video vorkommen. Doch rassistische, persönliche Attacken oder in diesem Fall Morddrohungen in Richtung von Sportlern sind in der digitalen Welt und in den sozialen Netzwerken zur (verwerflichen) Routine geworden – sei es aus Sicht des Verfassers oder des Lesers. Und genau das ist das Problem: Die Hemmschwelle ist niedriger denn je. 

Natürlich gibt es sie noch, die Fußballromantiker, die nach Spielende in der Dorfkneipe eine Begegnung ihres Stammvereins bei einem Bier Revue passieren lassen und ihren Unmut über eine Niederlage gleich vor Ort mit den Kollegen ausdiskutieren. Daran ist absolut nichts auszusetzen. Im Gegenteil. Sport lebt von seinen Emotionen, Gewinnern und Verlierern. In den meisten Fällen ist der Frust dann schon an Ort und Stelle bewältigt – und die Lust, im Netz weiterzupöbeln, verflogen. Ein weiterer Vorteil: Der Kreis an Zuhörern bleibt überschaubar. Doch die Realität, mit der bekannte Fußballprofis im Alltag konfrontiert sind, sieht anders aus. 

Ein Grund für die maßlosen Attacken im Internet ist die Distanz: Dem Spieler des Dorfvereins die Meinung ins Gesicht zu sagen, ist wahrlich komplizierter, als auf Facebook, geschützt durch einen Bildschirm, einen wildfremden Fußballer anzugreifen und zu beleidigen. Zudem ist das Risiko, verbale Kontra einzustecken, geringer. Sich hinter seinem Display zu verteidigen, ohne Zeitdruck reagieren zu können und möglicherweise sogar „Gleichgesinnte“ zu finden, die bei böswilligen Kommentaren Likes hinterlassen: All dies macht es den Mobbern sogar leichter. Profisportler sind in diesem Sinne leichte Beute.

Auch nach der 0:6-Klatsche der „Roten Löwen“ gegen Portugal explodierten die Kommentarspalten auf Facebook. Hämische Kommentare und wütende Fans gab es schon immer – sie gehören zum Geschäft dazu. Es sind sehr oft die gleichen Menschen, die Trikots kaufen, Pay-TV-Abos abschließen und trotz Pechsträhnen und Abstiegssorgen weiterhin Stadien füllen werden. Nicht akzeptabel sind dagegen Bemerkungen, die unter die Gürtellinie gehen. „Das sind keine richtigen Anhänger“, schrieben die Leser unter dem Bayern-Video. Die Kritiken an der FLF-Auswahl waren zum Großteil sachlich formuliert und absolut nachvollziehbar. Das bedeutet aber nicht, dass man sich in Luxemburg nicht mit dem Thema Hatespeech beschäftigen sollte.

In England ist man bereits einen Schritt weiter: Dort hagelt es bei Hass-Posts in Zusammenhang mit religiöser Überzeugung, Ethnie und sexueller Orientierung Stadionverbote und Anzeigen, die von einer Strafverfolgungsbehörde („Crown Prosecution Service“) verhängt werden. Wer hierzulande einen solchen Kommentar liest, sei er an einen Athleten gerichtet oder nicht, sollte ihn nicht nur gleich auf der Plattform melden, sondern auch bei Beesecure.lu. In Luft auflösen wird sich das Problem davon nicht. Aber: Je weniger Erfolg die Netzwerk-Mobber mit ihrem Hatespeech haben werden, umso uninteressanter wird es für sie werden, sich überhaupt die Mühe zu machen, ihren Schwachsinn mit der Welt zu teilen.