TheaterGipfelstürmerinnen: „Monte Rosa“ von Teresa Dopler im Kaleidoskop Theater

Theater / Gipfelstürmerinnen: „Monte Rosa“ von Teresa Dopler im Kaleidoskop Theater
A (Brigitte Urhausen), C (Jil Devresse) und B (Rosalie Maes) sind drei übermotivierte Bergsteigerinnen Foto: Roland Jakobi

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Nach Marion Rothhaars „Körper am Ende der Welt“ über die Ausbeutung und den Leistungsdruck junger Sportgymnastinnen zeigt Heidemarie Gohde in ihrer Inszenierung von „Monte Rosa“ drei Bergsteigerinnen, die um jeden Preis den Gipfel erreichen möchten – und das trotz einer Welt, die langsam zerbröckelt.

Drei eigentlich geschlechtslose, in der aktuellen Kaleidoskop-Produktion aber von Frauen verkörperte Bergsteiger(innen) klettern in den Alpen, den Gipfel des Matterhorn stets im Blick. A (Brigitte Urhausen), B (Rosalie Maes) und Cs (Jil Devresse) Wege kreuzen sich dabei immer wieder, die drei tauschen sich aus – über ihre vergangenen Eskapaden, andere Bergsteiger, die sie getroffen haben, Seilschaften, Steinbrüche. Sie begutachten die Dehnbarkeit ihrer Körper, bewundern Beinmuskulaturen, kritisieren zu große Hintern, fragen sich, ob sie sich als Partner zusammentun oder lieber doch allein bleiben sollen, reden immer wieder aneinander vorbei oder geben absurde Maximen von sich („Es ist gefährlich, als Bergsteiger unglücklich zu sein“) – fast fühlt es sich an wie eine Kletterpartie mit Samuel Beckett.

Der Tonfall ist sonderlich, der überbordende Enthusiasmus der drei Figuren verbirgt eine gewisse emotionale Kälte – so berichtet die junge C über einen Partner, den ein Steinschlag erwischt hat, auf eine unbeschwert-humorvolle Weise –, auch werden die Mitmenschen stets auf ihre sportliche Form reduziert. „Vielleicht funktionierst du ja gar nicht“, wirft C der etwas älteren A vor, die bereits „zu lange“ lebt, um noch als Partnerin zu taugen – sodass sich bei aller Begeisterung fürs Bergsteigen eine Zwischenwelt der Rivalität und der gnadenlosen sportlichen Kompetitivität aufmacht, die an Marion Rothhaars jüngste Produktion „Körper am Ende der Welt“ erinnert.

Je höher sie steigen, desto deutlicher wird, dass die Berglandschaft für die drei zu einem Huis clos geworden ist, eine Art Limbo, in dem menschliches Zusammenleben nach anderen Gesetzen und emotionalen Gefügen funktioniert – ein Limbo, das, Klimawandel oblige, nach und nach zerbröckelt.

War bei der Kasemattentheater-Produktion „Gipfelstürmer“ der Titel eine sehr deutliche Metapher für Kompetitivität im Spätkapitalismus, sind die Bildnisse und Allegorien bei „Monte Rosa“ diffuser, dafür eben auch vielschichtiger. Im Alpenraum gibt es genug Luft zwischen den Zeilen und Atemzügen, um alles Mögliche in das karge Wortgebirge der Figuren hineinzulegen. Es geht hier immer wieder um Beziehungen und um Einsamkeit, es geht um die Art, wie Körper im Spätkapitalismus zur Ware degradiert werden und wir so konditioniert worden sind, dass wir uns vor unseren alternden Körpern schämen, es geht aber auch peripher immer wieder um den Klimawandel und die Verantwortungslosigkeit der Menschheit.

Wo in der am Mittwoch in unseren Kinos angelaufenen Sylvain-Tesson-Romanverfilmung „Sur les chemins noirs“ Wanderer und Bergsteiger als inhärent einsame und stets leicht menschenfeindliche Figuren skizziert werden und in großräumigen Naturaufnahmen die von Caspar David Friedrich verewigte Diskrepanz zwischen der erhabenen Natur und dem winzigen Menschen visualisiert wird, ist Dagmar Weitzes Bühnenbild hier eher abstrakt – verschiedene Plateaus symbolisieren die Höhen, aufgetürmte Bürostühle, Matratzen und Rettungsdecken zeugen davon, wie der Mensch selbst in ungewohnten Höhen die Natur verdreckt.

Trotz guter schauspielerischer Leistung – vor allem Jil Devresse verleiht dem Stück mit ihrer vor Energie nur so strotzenden Figur Humor und Rhythmus – ähnelt „Monte Rosa“ einer zu glatten Bergwand, an der man abprallt. Das liegt einerseits am abstrakten Text, der trotz vielschichtiger Metaphern irgendwie platt und nichtssagend bleibt, und an der doch sehr überspitzten, überdrehten Figurenzeichnung, die einen auf Distanz hält; andererseits aber auch an einem Bühnenbild, das zu sehr einer mühelos konzipierten Kunstinstallation ähnelt und dem es nicht gelingt, die funktionell wirkende „Salle polyvalente“ mit ihrer problematischen schallenden Akustik in seine Ästhetik zu verflechten.

Info

Weitere Vorstellungen am Do. und am Fr. um 20.00 Uhr sowie am Sonntag, 2. April um 17.30 Uhr. Ort: KulTourhaus Hüncheringen.