Österreich73 Kandidaten für Vorsitz: Als Duell geplanter Machtkampf der SPÖ wird immer skurriler

Österreich / 73 Kandidaten für Vorsitz: Als Duell geplanter Machtkampf der SPÖ wird immer skurriler
Sie hatten sich ihr Duell anders vorgestellt: Pamela Rendi-Wagner (r.) und Hans Peter Doskozil (M.) Foto: dpa/Robert Jaeger

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Mit einem Musterbeispiel in gelebter Demokratie riskieren Österreichs Sozialdemokraten ihr Überleben als staatstragende Partei. Nicht weniger als 72 Herausforderer wollen den Job von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner.

Die Salzburger Landtagswahl hat die SPÖ schon abgeschrieben. Man bemüht sich gar nicht mehr ernsthaft, das am 23. April erwartete Desaster abzuwenden, sondern schaut nur noch auf den Tag danach. Dann beginnt nämlich mit der Mitgliederbefragung die entscheidende Runde im seit Jahren schwelenden Machtkampf. Rendi-Wagner hatte nach nicht enden wollenden Sticheleien des burgenländischen Landeshauptmannes Hans Peter Doskozil, der sich für den besseren Spitzenkandidaten hält, vor zwei Wochen die Flucht nach vorne angetreten. Die 2017 kurz nach ihrem Quereinstieg in die Partei an die Spitze gekommene Ärztin nahm den Fehdehandschuh auf und wollte sich einem Duell um die Gunst der Mitglieder stellen.

Von wegen Duell. Die Genossen liefern sich eine Massenrangelei um den Chefsessel. Nicht weniger als 73 Personen – darunter nur vier Frauen – haben bis zum Ende der Frist Freitag Mitternacht ihre Kandidatur angemeldet.

Ob wirklich alle Kandidaten ins Rennen gehen können, ist noch nicht fix. Grundsätzlich kann sich gemäß Parteistatut jedes SPÖ-Mitglied um den Vorsitz bewerben, auch die gerade erst und nur deshalb eingetretenen. Heute wird das Parteipräsidium zu entscheiden haben, ob man diesen Massenandrang wirklich zulassen will. Nach welchen Kriterien ausgesiebt werden soll, ist jedoch völlig unklar. Dazu steht nichts in der Geschäftsordnung. Oberösterreichs SPÖ-Landeschef Michael Lindner dachte bereits laut über eine bestimmte Anzahl von Unterstützungserklärungen nach, die jeder Kandidat sammeln soll.

Da das Bewerberfeld auf jeden Fall sehr viel größer sein wird als geplant, stellt sich die nächste ungelöste Frage: Was tun, wenn kein Kandidat eine absolute Mehrheit bekommt? Eine Stichwahl zwischen den beiden Bestplatzierten will die Partei eigentlich vermeiden, weil sich der Machtkampf dann bis in den Sommer hinzieht. Nach Abschluss der bis 10. Mai laufenden Mitgliederbefragung, sollte ein Parteitag das Ergebnis nur noch abnicken. Doch auch das ist im Statut nicht vorgeschrieben. Es könnte dort sogar jemand kandidieren, der sich gar nicht der Befragung gestellt hat. Und wenn aus dieser mehrere Bewerber mit ähnlich guten oder schlechten Ergebnissen hervorgehen sollten, könnten die nicht daran gebundenen Delegierten erst Recht für Überraschungen sorgen.

Linker mit Stallgeruch

Noch sind nicht einmal die Namen aller Kandidaten bekannt, nach jetzigem Stand der Dinge gibt es mindestens drei Bewerber mit guten Chancen: Neben Rendi und „Dosko“ hat auch Andreas Babler seinen Hut bereits öffentlich in den Ring geworfen. Er ist zwar nur Bürgermeister von Traiskirchen, verfügt aber österreichweit über einen hohen Bekanntheitsgrad, da in seiner Gemeinde das oft für Schlagzeilen sorgende Erstaufnahmezentrum für Asylbewerber angesiedelt ist. Und Babler kann trotz seines Eintretens für eine liberale Flüchtlingspolitik Wahlen gewinnen: Bei der niederösterreichischen Landtagswahl im Januar legte die landesweit auf 20 Prozent geschrumpfte SPÖ in Traiskirchen auf 46 Prozent (plus 3) zu. Babler selbst erzielte mit 21.400 Vorzugsstimmen das viertbeste Ergebnis aller Kandidaten. Der 50-Jährige bringt auch den Stallgeruch mit, nach dem sich viele Genossen sehnen: Der gelernte Maschinenschlosser kennt als früherer Schichtarbeiter die Welt der Arbeit aus eigenem Erleben. Linke Positionen vertritt zwar auch die Parteichefin, doch sie repräsentiert als Karrierefrau und Diplomatengattin die Wiener „Bobo“-Gesellschaft, also jene „bourgeoisen Bohemians“, die zwar links ticken, aber in einer ganz anderen Welt als der Durchschnitts-Sozi leben.

Wer das Rennen um den SPÖ-Vorsitz letztendlich machen wird, ist völlig offen. Nur einer wird es sicher nicht: Gerald Grosz, Weggefährte des 2008 tödlich verunglückten Rechtspopulisten Jörg Haider, hat vergeblich die SPÖ-Mitgliedschaft beantragt, um für die Rendi-Nachfolge zu kandidieren. Da Grosz „das Gegenteil der Grundsätze der Sozialdemokratie repräsentiert“, wurde sein Antrag gar nicht erst angenommen. Viele echte Genossen mit Chefambitionen wird das Parteipräsidium weniger einfach abwimmeln können.

JJ
27. März 2023 - 20.56

Es gibt einen guten Witz: " Wenn Boris Becker nach Österreich auswandert steigt der IQ-Wert. In beiden Ländern!"

Grober J-P.
27. März 2023 - 11.55

" aber in einer ganz anderen Welt als der Durchschnitts-Sozi leben." Sagt auch mein Freund Herbert aus Innsbruck, sowie eure Sozi, sagt er immer, oder kennst du noch einen richtigen Arbeiter in der oberen Riege? Woher kennt er das?