MeinungZum Gipfeltreffen: Die EU zwischen Munition und Migration

Meinung / Zum Gipfeltreffen: Die EU zwischen Munition und Migration
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (l.) und Ratspräsident Charles Michel (M.) während einer Pressekonferenz nach dem Gipfeltreffen Foto: John Thys/AFP

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Der EU-Gipfel blieb in Teilen neben jener Spur, die gerade von der Realität durch Europa gepflügt wird. Da ist der erneute Appell des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, seinem Land mehr Kampfjets zu liefern. Russland lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass die Unterwerfung des Nachbarlandes weiterhin Ziel des seit 13 Monaten brutal geführten Krieges ist. Die Annektierung ukrainischer Gebiete, die Entführung ukrainischer Kinder mitsamt anschließender Zwangsadoption und die verräterische Sprache im russischen Staatsfernsehen lassen keinen Zweifel daran, dass es um die Auslöschung der ukrainischen Identität geht.

Derweil produzieren alle Rüstungsschmieden in der EU zusammen im Monat so viele neue Artilleriegeschosse, wie Russland an einem einzigen Vormittag verschießt. Wie sich die Staats- und Regierungschefs vor diesem Hintergrund wohlgefällig hinter das Vorhaben stellen können, der Ukraine in einem Jahr eine Million Geschosse zu liefern, bleibt ihr Geheimnis. Jetzt gehen der Ukraine die Vorräte aus. In einem Jahr kann alles zu spät sein. Die Frage nach Kampfjets wischte die Runde mit Verweis auf die Munition beiseite. Dass fehlende Munition und mehr Kampfjets einen Zusammenhang bilden, kam dem Gipfel nicht in den Sinn. Es ist westliche Kampftaktik, Artillerieüberlegenheit des Gegners durch ein Gefecht verbundener Waffen zu brechen, vor allem durch eine Kombination aus Bodentruppen und Luftunterstützung. Es hätte also nahegelegen, zumindest über Piloten-Ausbildung zu sprechen, damit das Argument in vier Monaten vom Tisch ist, es mache keinen Sinn, Jets zu liefern, weil deren Piloten ja erst ausgebildet werden müssten.

Zwiespältige Bilanz

Ein weiterer Punkt blieb bei diesem Gipfel unterbelichtet: die Migrationskrise. Längst sind die Flüchtlingszahlen des denkwürdigen Jahres 2015 überschritten. Die Stimmung in immer mehr Städten und Gemeinden Europas kippt. Der Gipfel beließ es jedoch im Wesentlichen dabei, einen Fortschrittsbericht der Kommission zur Kenntnis zu nehmen und sich auf den Beschlüssen des vorangegangenen Treffens im Februar auszuruhen, nach denen es bald mehr Mittel für Infrastruktur an den Grenzen und weitere Asylbeschlüsse im Laufe des Jahres geben soll. Auch hier hätten neue Anläufe zu einer besseren Koordinierung der Flüchtlingspolitik der EU besser angestanden, wenn sie den Bürgern das Gefühl hätte geben wollen, ihre größten Sorgen aufzugreifen und sich um eine Lösung zu bemühen.

So bleibt eine zwiespältige Bilanz. Kleine Fortschritte beim grünen Umbau einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft, wachsende Probleme bei Munition und Migration. Der nächste Gipfel wird mehr zu leisten haben.