SerbienBelgrad versucht, die heimischen Milchbauern vor EU-Konkurrenz zu schützen

Serbien / Belgrad versucht, die heimischen Milchbauern vor EU-Konkurrenz zu schützen
In Serbien treibt auch der Mangel an Kühen die Preise nach oben Foto: Editpress

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Mit der Erhebung von Importzöllen auf Milch und Milchprodukte versucht Serbien, die angeschlagenen Milchbauern des EU-Anwärters vor der hoch subventionierten Konkurrenz aus den EU-Staaten zu schützen. Brüssel ist nicht erbaut. Auch im eigenen Land ist die Maßnahme umstritten.

Nur in der EU, aber nicht in ihrem Wartesaal fallen die Butterpreise. Während die 250-Gramm-Packung beispielsweise in Deutschland wieder ab 1,49 Euro angeboten wird, ist der Preis für eine auf 200 Gramm geschrumpfte Packung Butter beim EU-Anwärter Serbien auf bis zu 4,20 Euro geklettert. Berücksichtigt man die Gewichtsunterschiede, beträgt Serbiens Butterpreis mehr als das Dreifache als der in deutschen Ladenregalen, obwohl der statistische Durchschnittslohn mit 630 Euro netto im Monat nicht einmal ein Drittel des deutschen Salärs beträgt.

Neben der Inflation hat auch der Mangel die Milch- und Butterpreise im Balkanstaat in die Höhe schnellen lassen. Die Zahl der Milchkühe in Serbien ist seit 1975 von 2,2 Millionen auf knapp 800.000 geschrumpft: Erneut sind im letzten Jahr 80.000 Milchkühe ins Schlachthaus gewandert. Doch es sind nicht nur die geringen Abnahmepreise, die immer mehr der in Zahlungsschwierigkeiten geratenen Milchbauern den Abschied vom Melkschemel nehmen lassen.

Branchenverbände klagen, dass eher die Molkereien als die Landwirte von den kargen Staatszuschüssen profitieren. Auch die als Folge des Ukraine-Kriegs gestiegenen Energie- und Futterpreise haben die Milchkrise beim EU-Anwärter verschärft. Als im Herbst die Milch in Serbiens Supermärkten erstmals zur Mangelware wurde, reagierte Belgrad mit einem zeitweiligen Exportverbot – und die Handelsketten mit dem vermehrten Import von EU-Milch, vor allem aus Polen, Slowenien und Ungarn.

Brüssel fordert Ende der Importzölle

Doch die verschärfte Konkurrenz durch hoch subventionierte EU-Milch hat den angeschlagenen Sektor noch stärker unter Druck gesetzt – genauso wie die verminderten Absatzmöglichkeiten auf den Exportmärkten. Zwar werden im Agrarstaat Serbien seit Jahren mehr Molkereiprodukte importiert als ausgeführt. Doch seit 2019 hat sich das Handelsdefizit von Serbiens Molkereisektor spürbar verschärft und sich mit zuletzt 11,68 Millionen Euro (2022) mehr als verachtfacht.

Proteste und Straßenblockaden ließen die Regierung Mitte Februar schließlich zu einer der von den erbosten Milchproduzenten geforderten Maßnahmen greifen: Mit der Einführung von Einfuhrzöllen auf Milch und Milchprodukte aus den EU-Staaten versucht Belgrad, den in die Schieflage geratenen Sektor zu stützen.

Importzölle von umgerechnet 12 Eurocent pro Liter Milch und 25 Eurocent pro Kilo Käse sollen die heimischen Produzenten gegenüber der hoch subventionierten EU-Konkurrenz stärken. Doch mit den neuen Abgaben hat Belgrad niemanden so richtig zufrieden gestellt – und Brüssel kräftig verärgert.

Vorletzte Woche hat die EU-Kommission in einem Schreiben an Premierministerin Ana Brnabic Belgrad die Rücknahme der Importzölle gefordert. Der Beitrittskandidat habe seine Verpflichtungen aus dem 2013 in Kraft getretenen Assoziierungsabkommen mit der EU nicht erfüllt, da Serbien vor Verhängung der Zölle weder die EU-Kommission konsultiert noch diese zufriedenstellend begründet habe, so die verstimmte Botschaft aus Brüssel.

Langfristige Lösung gefragt

Zwar beteuern Branchensprecher, dass das Assoziierungsabkommen EU-Anwärtern durchaus das Recht auf die Einführung von Importzöllen einräume, um heimische Produzenten vor Dumpingpreisen zu schützen. Doch auch bei ihnen stößt die Maßnahme keineswegs auf ungeteilten Beifall. Einerseits halten sie die Importzölle auf Käse für viel zu niedrig. Andererseits klagen Kritiker, dass Zölle allein den jahrzehntelangen Niedergang des Sektors kaum lösen könnten: Nötig seien vor allem mehr Staatszuschüsse und höhere Abnehmerpreise der Molkereien.

Doch ob die neuen Schutzzölle auf Importmilch oder die vom Sektor geforderte Erhöhung der Abnehmerpreise: Die Zeche für die Milchkrise haben die Konsumenten in Form explodierender Milchpreise zu zahlen.

„Wie ist es möglich, dass bei uns Butter und Milch teurer sind als in der EU?“, titelt genervt das Webportal des TV-Senders N1. Der Milchpreis habe ein Niveau erreicht, „der für die Verbraucher kaum mehr auszuhalten ist“, warnt der Agro-Ökonom Milan Prostran gegenüber „nova.rs“. Zwar seien in Serbiens Haushalt nur vier Prozent der Mittel für die Landwirtschaft vorgesehen, während die Agrar-Ausgaben der EU gut ein Drittel ihres Budgets ausmachten. Doch der EU-Anwärter müsse sich auch mit Hilfe erhöhter Subventionen um eine langfristige Lösung der Milchkrise bemühen, „die die EU nicht irritiert“.