ÖsterreichSPÖ-Machtkampf um Verhältnis zur FPÖ, mit der es die ÖVP schon wieder tut

Österreich / SPÖ-Machtkampf um Verhältnis zur FPÖ, mit der es die ÖVP schon wieder tut
Sie haben differenzierte Ansichten über die FPÖ: die Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ), Pamela Rendi-Wagner (vorne), und ihr parteiinterner Herausforderer und SPÖ-Landeshauptmann im Burgenland, Hans Peter Doskozil Foto: Roland Schlager/APA/dpa

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Während sich bei Österreichs Sozialdemokraten der Machtkampf auf die Frage einer Koalition mit der FPÖ zuspitzt, ersparen sich die Christdemokraten diesen Konflikt, vergessen den Ibiza-Skandal und tun es wieder mit den Rechtspopulisten.

Das „rote G‘sindel“, wie Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner die Genossen in einer öffentlich gewordenen SMS einmal nannte, hatte sich doch glatt erdreistet, in den Koalitionsverhandlungen Bedingungen zu stellen. SPÖ-Landeschef Sven Hergovich wollte sich „lieber die Hand abschlagen“, als in diesen Knackpunkten nachzugeben. Das ließ sich die ÖVP nicht bieten. Binnen einer Woche zauberte Mikl-Leitner eine andere Koalition aus dem Hut: mit der FPÖ. Deren Landeschef Udo Landbauer ist zwar mit der Landeshauptfrau auch nicht fein umgegangen, schimpfte sie eine „Moslem-Mama“, die den „Auftrag zur Islamisierung unserer Kleinsten“ gegeben habe. Aber das ist ebenso vergessen wie das Wahlversprechen, auf keinen Fall eine Wiederwahl Mikl-Leitners an der Spitze des größten Bundeslandes zuzulassen. Und die ÖVP erinnert sich nicht mehr daran, dass Landbauer vor der vorletzten Landtagswahl 2018 als FPÖ-Spitzenkandidat zurücktreten hatte müssen, weil in seiner schlagenden Burschenschaft „Germania“ ein Liederbuch mit rassistischen Texten wie „Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million“ aufgetaucht war. Strafrechtlich war ihm nichts nachzuweisen. Jetzt wird Landbauer Landeshauptfraustellvertreter.

Keine vier Jahre nach dem Platzen des Ibiza-Skandals, der die ÖVP-FPÖ-Koalition von Sebastian Kurz und letztlich auch diesen selbst zu Fall gebracht hatte, lässt sich die ÖVP wieder mit den Rechtspopulisten ein. Berücksichtigt man, dass maßgebliche ÖVP-Granden von Kanzler Karl Nehammer abwärts aus Mikl-Leitners Stall kommen, hat die landespolitische Weichenstellung auch eine bundespolitische Dimension. Wer meint, dass ein solches Revival nach den schlechten Erfahrungen in bereits zwei Koalitionen mit der FPÖ die ÖVP in heftige Debatten stürzen würde, liegt falsch. Nur ein türkiser Promi protestiert offen: „Landbauer und (der künftige zweite Landtagspräsident Gottfried, Anm.) Waldhäusl übertrumpfen einander mit Gedankengut, das mit dem Menschenbild der ÖVP unvereinbar ist“, befand der stellvertretende EU-Parlamentspräsident Othmar Karas. Der Niederösterreicher weicht oft von der Parteilinie ab und wird von seinen Parteifreunden ebenso oft einfach ignoriert. Auch jetzt wieder.

Hintertür zur FPÖ?

Während sich also die Christdemokraten ohne lang zu fackeln binnen einer Woche mit der FPÖ auf eine restriktivere Ausländerpolitik, einen „Entschädigungsfonds“ zur Rückzahlung von für Verstöße gegen die Corona-Maßnahmen verhängten Geldbußen und einen Verzicht auf jegliche Werbung für die Covid-Impfung einigten, braut sich in der SPÖ der große Krach um die F-Frage zusammen. Denn genau darauf läuft es im lange geleugneten, vorige Woche aber offiziell ausgerufenen Machtkampf zwischen SPÖ-Vorsitzender Pamela Rendi-Wagner und ihrem Herausforderer Hans-Peter Doskozil hinaus. Die um ihren Sessel kämpfende Parteichefin selbst definierte ihre Ablehnung einer Koalition mit der FPÖ als das größte Unterscheidungsmerkmal. Dabei wirkt dieser Unterschied – oberflächlich betrachtet – gar nicht so gewaltig. Denn auch Doskozil strebt wie seine Widersacherin nach den nächsten Nationalratswahlen spätestens im Herbst 2024 eine Koalition mit den Grünen und der liberalen Neos-Partei an. Ein Bündnis mit der „Kickl-FPÖ“ lehnt er strikt ab.

Das erinnert an die ÖVP-Schwüre gegen eine Koalition mit der „Haider-FPÖ“ zur Jahrtausendwende. Kurz darauf ließ sich Wolfgang Schüssel von Jörg Haider zum Kanzler machen, während sich der FPÖ-Chef formal auf seinen Posten als Kärntner Landeshauptmann reduzierte. Die ÖVP koalierte also auf dem Papier nicht mit einer „Haider-FPÖ“. Dass sich der heutige FPÖ-Chef Herbert Kickl auf einen ähnlichen Deal – mit wem auch immer – einlassen würde, ist zwar unwahrscheinlich, aber die bekannte Variante macht Doskozils nicht eindeutige Ablehnung einer Koalition mit der FPÖ unter welcher Führung auch immer verdächtig.

Rot-blaue Zuneigung

Dies umso mehr, als der burgenländische Landeshauptmann eine Affinität zu den Rechtspopulisten nicht leugnen kann. Ehe er im Jahr 2020 für die SPÖ die absolute Mehrheit holte, stand er an der Spitze einer Landesregierung mit FPÖ-Beteiligung. Die hatte sein Vorgänger Hans Niessl 2015 geschmiedet und damit heftige Turbulenzen in der SPÖ ausgelöst. Denn immerhin ignorierte er einen – auch heute noch gültigen – Parteitagsbeschluss, der jegliches Bündnis mit den Rechtspopulisten untersagt. Auch Niessls politischer Ziehsohn machte nie ein Hehl daraus, dass er sich in dieser Konstellation wohl gefühlt hat: „Mit der FPÖ gibt es Handschlagqualität, Verlässlichkeit, und die Kompromisse halten“, sagt Doskozil 2019 in einem Interview, in dem er auch seine Abneigung zur ÖVP kundtat.

Inhaltlich sind sich Doskozil und die FPÖ oft nahegekommen. Eigentlich immer, wenn es um den Dauerbrenner Migration geht, blinkt der Burgenländer zum Ärger der SPÖ-Linken rechts. Als die FPÖ im vergangenen Herbst gegen die Auszahlung des „Klimabonus“ in Höhe von 500 Euro auch an Asylwerber protestierte, sekundierte Doskozil: „Ein Asylwerber in der Grundversorgung, der nicht für Stromkosten verantwortlich ist, soll auch nicht den Klimabonus erhalten.“

Ein bisschen rechts?

Die Jungsozialisten posten deshalb schon auf Facebook ein lautes „Nein zu Doskozil“, weil dieser „für eine menschenverachtende und rechte Asylpolitik“ stehe. „Roter Kickl“ nennen sie ihn schon. Ob das seine Chancen schmälert, wird sich in der Mitgliederbefragung weisen, die voraussichtlich im Mai das Duell „Dosko gegen Pam“ entscheiden wird. Obwohl einflussreiche Genossen wie der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig weiter treu zu Rendi-Wagner stehen, ist nicht auszuschließen, dass die seit der letzten derartigen Befragung vor drei Jahren um 20.000 auf nur noch 140.000 Mitglieder geschrumpfte Partei sich für den entscheidet, der Umfragen zufolge bessere Chancen auf einen Wahlsieg hat. Auch wenn die Jusos in Schnappatmung fallen, bleibt zu bedenken, dass es nicht zuletzt die Ausländerpolitik war, die viele ehemalige Genossen zu FPÖ-Wählern gemacht hat. Rendi-Wagner hält dem entgegen, dass es „ein bisschen rechts“ genauso wenig gebe wie ein bisschen schwanger. Ihr Herausforderer und die ÖVP sehen das etwas anders.