Neue Broschüre„Méco“ liefert künftiger Regierung 150-Seiten-Fahrplan zur sozial-ökologischen Gerechtigkeit

Neue Broschüre / „Méco“ liefert künftiger Regierung 150-Seiten-Fahrplan zur sozial-ökologischen Gerechtigkeit
Emile Espen, Michelle Schaltz, Blanche Weber und Cédric Metz (von links) bei der Vorstellung der neuen Broschüre zu den Chamberwahlen Foto: Editpress/Frank Göbel

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Die Umweltorganisation Méco hat unter Mithilfe von rund 100 Mitgliedern ein umfangreiches Kompendium zusammengestellt, das in praktisch allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens Möglichkeiten skizziert, das Handeln der luxemburgischen Politik verantwortungsvoll, weil nachhaltig, zu gestalten. Als Handreichung für die nächste Regierung bezeichnet, kann sie dem Wähler auch dabei helfen, sich zu entscheiden, welcher Partei man die entsprechende Verantwortung überhaupt übertragen möchte.

Egal, welche Partei, welche Koalition nach den Chamberwahlen die weiteren Geschicke in Luxemburg bestimmt, beim „Mouvement écologique“ (Méco) ist man der Ansicht, dass sich eine Erkenntnis durchgesetzt haben sollte: Es sei „unverantwortlich gegenüber den folgenden Generationen, einfach immer so weiterzumachen“. So formulierte es Méco-Präsidentin Blanche Weber am Freitag bei der Vorstellung der „Roadmap fir d’Legislaturperiod 2023-2028“, einer 150-seitigen Broschüre, die in 13 Kapiteln detailreich Maßnahmen und Ideen auflistet für ein Leben, das auch wirklich lebenswert ist. Es geht, natürlich, um den Klimawandel und die Biodiversität – und dann noch viel mehr: Demokratie, Bildung, Dorfentwicklung und Wohnraumpolitik, Gesundheitspolitik bilden nur einige der Kapitelüberschriften.

Die Politik müsse sich am Gemeinwohl orientieren, „Gerechtigkeit und Solidarität“ zuerst im Blick haben, statt vor allem aufs ständige Wachstum, etwa des Bruttoinlandsprodukts, fixiert zu sein. Es sei doch längst klar erkennbar, „dass das Wachstum seine eigenen Erfolge auffrisst“, erklärt Weber im Oekozenter des Méco, wo sie mit drei Mitstreitern die Broschüre erläutert, die in ihrer Einführung „sieben Forderungen an die zukünftige Regierung“ erhebt. Es wurden dann sogar acht daraus, bei der aufwendigen Redaktion am umfangreichen Werk ist die Überschrift aber nicht angepasst worden. Langweilig soll der nächsten Regierung offenbar nicht werden.

Service

Die „Roadmap fir d’Legislaturperiod 2023-2028“ kann als PDF heruntergeladen oder beim Méco in Papierform bestellt werden.

Eine Broschüre, die analog dazu eine Roadmap zu den Gemeindewahlen darstellt, ist bereits vor kurzem erschienen.

So sei es zentral, zunächst einmal zu definieren, was man als Gesellschaft eigentlich unter einem „guten Leben“ versteht – um das weitere Handeln konsequent daran auszurichten. Es müsse eine „internationale Gerechtigkeit und Solidarität auf allen Ebenen“ angestrebt werden. Die Haushaltspolitik und das Steuersystem seien zu reformieren. Diese und weitere „Forderungen“ – Zyniker würden vieles wohl eher fromme Wünsche nennen – werden den demnächst Herrschenden aber nicht einfach als markige Slogans vor die Füße geworfen: Alles ist mit konkreten Ideen unterfüttert, wie man die hehren Ziele erreichen könne: Die aufgeführten „Instrumente“ gehen dabei über die Klassiker („begrünte und autoarme Dörfer und Städte“) weit hinaus: Mit der Forderung nach einer reellen Form des Finanzsektors zielt man etwa furchtlos mitten ins Herz des luxemburgischen Erfolgsmodells – womit das Méco längst nicht alleine dasteht: Nicht nur spezielle grüne Wohlfühl-Fonds anzubieten, sondern Nachhaltigkeit auch bei den anderen verpflichtend zu machen, ist etwa auch eine zentrale Forderung der regionalen Greenpeace-Vertreter. Bei Forderungen nach „weitaus höheren Kapitalsteuern, Vermögensbesteuerung, Finanztransaktionssteuern“ werden Organisationen wie Oxfam konkret genannt. Ziel müsse es sein, „dass unser Modell nicht mehr auf der Ausbeutung anderer Menschen dieser Welt fußt“.

„Es geht nicht wirklich voran!“

Dass solche Vorstellungen ziemlich dicke Bretter unter dem Bohrer bedeuten, ist auch den Vortragenden im Oekozenter vollkommen klar – auch angesichts der Gangart, die bisher im Angesicht der multiplen realen und drohenden Krisen eingelegt wurde: „Es geht nicht wirklich voran!“, empört sich Blanche Weber. Die kann und will über das, was die amtierende Regierung auf den Weg gebracht hat, nicht hinwegsehen, nennt beispielhaft den kostenlosen öffentlichen Transport oder die Schaffung der Tram. Trotzdem habe man beim Méco den Eindruck, als sei man nur gewillt, „hier und da ein bisschen zu machen, als seien nur minimale Korrekturen nötig“. Es gebe mittlerweile ein Paradoxon: Mittlerweile stelle sich praktisch jede Partei hinter die Ideen einer nachhaltigen Entwicklung und auch gesellschaftlich werde etwa die Notwendigkeit einer besseren Verteilungsgerechtigkeit „mehr und mehr gesehen“. Und gleichzeitig sei festzustellen, dass man „in den wesentlichen Themen nicht vorankommt“, die Krisen spitzten sich zu. „Der Biodiversitätsverlust wurde nicht eingedämmt, die erforderlichen Ziele zur Reduktion des CO2-Ausstoßes und zur Förderung der erneuerbaren Energien werden bei Weitem nicht erreicht, die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander.“

Das Problem sei: Mittlerweile werde nur noch „pragmatisch“ gedacht – dabei müsse „das Notwendige im Fokus stehen und nicht das auf den ersten Blick ‚leichter Umsetzbare‘“, sagt Michelle Schaltz, beim Méco zuständig für Biodiversität und Naturschutz. Luxemburg erreiche nicht ohne Grund als zweites Land weltweit hinter Katar seinen „Overshoot Day“ bereits im Februar. Sie nennt Instrumente wie einen öffentlich einsehbaren „Nachhaltigkeits-Check“ für alle Regierungsentscheidungen, um die Politik hier stärker in die Haftung zu bringen.

Notwendig seien ohnehin Checks in Form eines „Stresstests“ – der Begriff ist vor allem im Zusammenhang mit Bankenkrisen populär geworden. Im Verständnis des Méco müsse grundlegend untersucht werden, „was der reelle gesellschaftliche Gewinn des Wachstums ist und wer davon profitiert und inwiefern es – unter realistischen Bedingungen – mit den Zielen des Biodiversitäts- und Klimaschutzes, der Begrenztheit der Ressource Wasser und der sich daraus ergebenen Infrastrukturen vereinbar ist“, heißt es in der Broschüre. „Das ist ja ein ganz gängiges Konzept in der Landesplanung und in vielen Sektoren“, erläutert Weber die Vorstellung – und verweist darauf, dass bestehende Regelwerke wie der „Mobilitätsplan 2035“, der durchaus auch als „exzellent“ gewürdigt wird, sich aber gleichwohl zu sehr auf ihre tatsächliche Machbarkeit verließen – während längst klar sei, dass der im Titel avisierte Zeitrahmen doch gar nicht mehr zu halten sei.

Zum Stresstest für die künftige Regierung kann die Broschüre schon werden, bevor diese überhaupt zusammenkommt – indem der interessierte Wähler die darin enthaltenen Ideen mit den Ankündigungen und Wahlprogrammen der Parteien abgleicht. Diese Aufgabe muss er allerdings alleine erledigen: Einer Bewertung der gegenwärtigen Parteipolitik oder gar einer direkten Wahlempfehlung enthält sich die Broschüre vollkommen.

carlocoin
23. März 2023 - 10.37

E lauter Leit, déi op der Sonneséit liewen.

plop
19. März 2023 - 9.03

Fir ekologesch ze sin wir et besser eng E-Brochure erauszegin. Kee Pabeier!