Alain spannt den BogenDie Natur hat immer recht: OPL, San Francisco Symphony Orchestra und Le Concert des Nations

Alain spannt den Bogen / Die Natur hat immer recht: OPL, San Francisco Symphony Orchestra und Le Concert des Nations
Yuja Wang spielte das grandiose 3. Klavierkonzert von Sergei Rachmaninow, das dem Interpreten wohl alles an virtuoser Technik abverlangt, mit einer ungeheuren Dynamik und Spielfreude Photo: Eric Enge

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Drei spannende Programme, zwei sehr unterschiedliche Pianisten und orchestrale Meisterleistungen. Dazu zog sich das Thema Natur wie ein roter Faden durch die Programme. Die Bilanz dieser Konzertwoche fällt demnach sehr positiv aus.

Mit einem recht griffig interpretierten und rhythmisch akzentuierten „Prélude à l’après-midi d’un faune“ von Claude Debussy begann das Konzert mit dem Orchestre Philhamonique du Luxembourg am vergangenen Freitag. Hier, und auch beim folgenden Werk, kam Gustav Gimenos Erfahrung als Schlagzeuger mit ins Spiel. Es war nicht so sehr die musikalische Linie, die sich durch das Werk zog, sondern vielmehr die vielen kleinen, sehr nuanciert ausgespielten perkussiven Elemente, die zeigten, warum Nijinsky Debussys impressionistisch gefärbtes Werk ebenfalls als Ballett genutzt hat.

Stimmungsvolle Gärten

Quasi als Weiterentwicklung dieser musikalischen Stimmung passte Manuel de Fallas „Noches en los jardines de Espania“ ideal. Dieses Werk wird als symphonische Impressionen für Klavier und Orchester bezeichnet, als eine Art symphonische Dichtung, und gilt als das impressionistischste Werk des Komponisten. Geheimnisvolle Farben und wunderbare musikalische Stimmungen herrschen hier vor. Genial, wie der Pianist Javier Perianes all diesen Klängen nachspürte und sie in zusammen mit dem OPL umsetzte. Es waren vor allem die intimistischen, feinen Melodien, die unter Perianes Fingern besonders schön und stimmungsvoll erklangen. Gimeno hat natürlich als Spanier kein Problem mit einem solchen Werk und so ließen wir uns von dieser fantastischen Musik und den hörenswerten Interpretationen von Perianes und Gimeno einfach nur verführen.

Dass das OPL inzwischen problemlos zwischen den Genres und Stilen hin- und herwechseln kann, ist kein Geheimnis mehr. Die Flexibilität des Orchesters ist beachtenswert und die Leichtigkeit, mit der die Musiker heute die großen Werke der Literatur angehen, kann nur beeindrucken. Großes Kino wurde dann mit der 5. Symphonie von Tschaikowski erreicht. Gimeno, ein Meister, wenn es darum geht, musikalische Räume zu schaffen, ließ seine Musiker beherzt aufspielen, ohne allerdings je in pathetische Süßlichkeit zu verfallen. Die Linien waren eher streng, die Instrumentengruppen sehr gut hörbar, Transparenz war wie immer gesetzt und die Klangschönheit ließ an keiner Stelle zu wünschen übrig. Solène Souchères spielte das berühmte Hornsolo im 2. Satz makellos, dazu mit wunderschöner Tongebung und gut ausbalancierter Phrasierung. Das fulminante Finale verfehlte seine Wirkung nicht, hier zeigten die Musiker, zu welch orchestraler Höchstleistung sie fähig sind, wenn Konzept, Interpretation und Spiellaune Hand in Hand gehen. Der Jubel am Ende war mehr als berechtigt.

Publikumsliebling Yuja Wang

Wenn Yuja Wang spielt, dann ist die Bude voll. In Luxemburg, wie eigentlich überall auf der Welt, gehört die Ausnahmepianistin zu den absoluten Publikumslieblingen. Und wir haben das große Glück, sie in der laufenden Saison gleich dreimal erleben zu dürfen. Ihr Konzert mit dem San Francisco Symphony Orchestra in der Philharmonie war übrigens das erste Konzert eines amerikanischen Spitzenorchesters nach der Pandemie.

Wie in San Francisco, Paris und Hamburg spielte Wang das grandiose 3. Klavierkonzert von Sergei Rachmaninow, ein Werk, das dem Interpreten wohl alles an virtuoser Technik abverlangt. Wang spielte das Werk mit einer ungeheuren Dynamik und Spielfreude; wie immer lag ihr die musikalische Substanz sehr am Herzen, sodass sie sich nicht auf äußerliche Effekte beschränkte, sondern das Konzert aus dem Kern heraus gestaltete und dabei immer eine konzeptuelle Linie verfolgte. Das SFSO begleitete seine Solistin mit klanglicher Präsenz, überließ ihr aber die Bühne. Esa-Pekka Salonen, seit der Spielzeit 2021/2022 neuer Chefdirigent in San Francisco, ist kein Interpret, der plakatives Musizieren bevorzugt. Selbst auf einer Tournee präsentiert er ausgearbeitete Interpretationen und begreift auch diese Konzerte nicht als musikalische Show. Seine Begleitung im Rachmaninow-Konzert war von größter Transparenz und Zurückhaltung, trotzdem waren die Dialoge und das Zusammenspiel mit Yuja Wang sehr ausgeglichen und energiegeladen.

Begonnen hatte das Konzert mit dem Werk „Tumblebird Contrails“ der amerikanischen Komponistin Gabriella Smith aus dem Jahr 2014. Smith ist Klimaaktivistin und das Thema Natur nimmt eine sehr wichtige Rolle in ihrem Schaffen ein. Mit „Tumblebird Contrails“ schafft sie dann auch ein klangliches Naturgemälde, das trotz aller Modernität sehr angenehm ist und es mit seiner suggestiven Kraft dem Hörer ermöglicht, kraftvolle Naturbilder vor dem geistigen Auge entstehen zu lassen. Das Spiel des SFSO ist atemberaubend und Esa-Pekka Salonen, der ja selbst ein international anerkannter Komponist ist, schafft es mit Leichtigkeit, all die wunderbaren Details dieser Partitur hörbar zu machen.

Auch im abschließenden Konzert für Orchester von Béla Bartók ist feinste Detailarbeit angesagt. Somit kommen Salonens Interpretation und das detailreiche Spiel des Orchesters sehr nahe an die ursprüngliche Form des Concerto grosso heran, wo eben die verschiedenen Instrumentengruppen „solistisch“ eingesetzt werden und miteinander in Interaktion treten. Auch hier begnügte sich Salonen nicht mit einer reinen Tournee-Interpretation, sondern ging Bartoks Spätwerk auf den Grund, was in einer hundertprozentig überzeugenden Interpretation gipfelte. Dank der phänomenalen Qualität des SFSO erlebte das Publikum ein in allen Punkten opulentes, aber sehr präzise ausgearbeitetes Klangerlebnis, das so die Werke von Smith, Rachmaninow und Bartók in bestem Lichte erscheinen ließ. Um das Publikum, so Salonen, „mit einem Lächeln“ nach Hause zu schicken, gab es noch als Bonus ein rasant gespieltes Vorspiel zum 3. Akt von Wagners „Lohengrin“. Und Yuja Wang hatte sich im ersten Konzertteil mit gleich zwei Zugaben von Mendelssohn und Schubert bedankt.

Spezialist für musikalische Abenteuerreisen

Ob hin zur Sklavenroute, in den Orient, nach Armenien oder in den Balkan; Jordi Savall ist der perfekte Reisebegleiter. Mit seinen wohlkonzipierten, abenteuerlichen Programmen entführt er uns immer wieder in unbekannte Welten. So auch am Dienstag, wo er mit seinem Concerts des Nations in der Philharmonie gastierte. Auf dem Programm „Les Elements et les Furies“ standen Werke von Jean-Férie Rebel, Georg Philip Telemann und Christoph Wiliibald Gluck, Werke, die sich mit der Natur und den Elementen auseinandersetzen. Das Konzert begann mit Rebels für die damalige Zeit (1737) revolutionären Stück „Les Elements“, das Savall allerdings in einer gekürzten Fassung spielen ließ. Le Concert des Nations präsentierte sich in blendender Verfassung, wenngleich auch die Holzbläser im großen Saal der Philharmonie nicht so recht zur Geltung kamen. Savalls Kunst besteht u.a. darin, immer genau den richtigen Duktus zu finden. Das merkte man sehr schön bei Telemanns Wassermusik, „Hamburger Ebb’ und Fluth“, bei dem sich melodiöser Fluss und rhythmische Akzente perfekt ergänzten. Auch Christoph Willibald Glucks Ballet pantomime „Don Juan, ou le Festin de pierre“ war ein purer Hörgenuss. Le Concert des Nations, und das merkte man in jedem Takt, ist ein eingeschworenes Team, das perfekt funktioniert. Savall selbst braucht nur noch die Ideen zu geben und das Ensemble reagiert schnell und präzise. Klanglich ausgewogen, spieltechnisch atemberaubend und von der Werkauswahl wieder einmal hochinteressant: ein Konzert der Sonderklasse. Für das begeisterte Publikum gab es noch zwei Zugaben obendrauf.