EditorialLuxemburg neu denken

Editorial / Luxemburg neu denken
Die Natur soll nicht nur im ländlichen, sondern auch im urbanen Raum wieder eine Hauptrolle spielen Foto: Editpress-Archiv/Fabrizio Pizzolante

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Das tagtägliche Leben in Luxemburg spielt sich auf einer Gesamtfläche von gerade mal 2.586 Quadratkilometern ab. Aktuell wird jährlich eine Fläche, die der Größe von 240 Fußballfeldern entspricht, versiegelt. Ein Land, das wächst, braucht den nötigen Platz dazu. Doch dieser Verbrauch soll reduziert werden: Das neue „Programme directeur de l’aménagement du territoire“ (PDAT) soll deswegen die strategischen Leitlinien festlegen, die die räumliche Entwicklung des Landes in den nächsten Jahren und Jahrzehnten steuern sollen.

Weiterer Hauptpunkt des Plans ist die Verdichtung nach innen. Dies bedeutet, dass der Bauperimeter nicht erweitert wird. Die Resilienz der Städte bezüglich klimawandelbedingter Wetterphänomene soll erhöht und die natürlichen Ressourcen sollen besser genutzt werden. Gebaut wird dort, wo es Sinn ergibt, heißt, wo die notwendigen Strukturen bereits vorhanden sind. Brachen, Baulücken oder auch leerstehende Wohnungen spielen eine wichtige Rolle bei der geplanten Innenverdichtung. Das bedeutet auch, dass mehr Wohnungen in zentraler Lage mit einer guten Anbindung an den öffentlichen Verkehr zur Verfügung gestellt werden sollen. Als weiteres Ergebnis dieser Sichtweise sollen die Menschen näher an ihren Arbeitsplätzen wohnen. Die Nahversorgung soll garantiert werden. Die Begrünung der Städte ist ein weiteres wichtiges Stichwort im Leitprogramm. Auch bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit geht es darum, neue Wege zu finden. 

In den letzten Wochen waren die 102 Gemeinden dazu aufgerufen, ihre Sichtweise zum PDAT darzulegen. Sie sind es schließlich, die das Leitprogramm und die daraus resultierenden Konsequenzen später umsetzen müssen. In Düdelingen etwa wird ein Verlust der Gemeindeautonomie befürchtet. Die Stadt möchte nicht als bloßer Befehlsempfänger angesehen werden und wünscht sich, aktiv in die Diskussionen mit eingebunden zu werden. Dazu würde sich Düdelingen laut der vom PDAT vorgegebenen Quote weniger entwickeln können, als der neue PAG (Allgemeine Bebauungsplan) eigentlich vorsieht. Dieser wurde vorher von den zuständigen Stellen abgesegnet, sodass die Stadt mit diesem Entwicklungspotenzial gerechnet hatte. Auch in anderen Ortschaften stören sich die politischen Verantwortlichen an den festgelegten Vorgaben beim Flächenverbrauch. Es bleibt nun abzuwarten, wie weit die Gutachten der einzelnen Gemeinden Gehör finden und inwiefern sie in das Programm mit einbezogen werden.

Die Hauptbotschaft, die dem Plan zu entnehmen ist, lautet, dass die Luxemburger Planungskultur überarbeitet wird. So soll sich in den Städten und Dörfern zu Recht wieder mehr auf die inneren Werte konzentriert werden. Die heutige Konzeption unserer Ortschaften muss grundlegend hinterfragt werden, damit mit der äußerst begrenzten Fläche, die im kleinen Großherzogtum zur Verfügung steht, verantwortungsvoll umgegangen wird.

dmp
31. Januar 2023 - 17.25

„Die heutige Konzeption unserer Ortschaften muss grundlegend hinterfragt werden“, heißt es im Beitrag. Das ist zweifelsohne korrekt. Hinterfragt werden müssen vor allem die Stadtplaner, die Verantwortlichen für Urbanisation, die Entscheider in den Bauämtern. Es ist erschreckend zu sehen, dass scheinbar durchweg das gesamte Personal auf allen Ebenen des Städtebaus, womit hier auch Architekten, Bauträger, Developper etc. mitgemeint sind, seit gefühlt einem halben Jahrhundert nichts dazugelernt haben. Ist es Faulheit, Lernresistenz, oder schlicht professionelle Ignoranz? Wer sehen will, wie ein Stadtteil völlig irrsinnig geplant und gebaut wurde, darf sich Belval betrachten. Die hervorragende Idee einer Implementierung des vorhandenen industriellen Kulturerbes wurde mit gestriger Architektur, fürchterlicher Ästhetik, menschenfeindlichen Wohnräumen, naturfernen Materialien, raffgierigen Unternehmen pervertiert. Einige Begriffe, die eine zeitgemäße Stadtplanung und Architektur beschreiben, scheinen in der luxemburgischen „Baufachwelt“ noch Fremdwörter zu sein. Als da wären: Green Buildings, Plus-Energie-Haus, Bauwerksbegrünung (kann und sollte man nachträglich an einigen bestehenden Gebäuden vornehmen), Photovoltaik auf Flachdächern und als Fassadenelemente sowie Mini-Windkraftanlagen, wasserdurchlässige Beläge für Straßen und Gehwege, Grünflächen, Vertical Farming, … um nur mal die relevantesten zu nennen. Dies würde einerseits die Lebensqualität erhöhen, andererseits für ökologische Nachhaltigkeit sorgen, womit ebenfalls eine ökonomische Nachhaltigkeit einher gehen würde (dieser Hinweis für die offensichtlich ausschließlich auf materiellen Gewinn konzentrierten Bauherren, wie eben die Verunstalter von Belval und vielen anderen Stadtteilen des Landes). So lange überwiegend konventionell gedacht und gebaut wird, so lange wird es keinen Ausweg aus der Bebauungs-Krise geben. Der Umwelt- und Nachhaltigkeitsdiskurs spielt in allen Debatten hier in Luxemburg bislang bloß eine rhetorische Rolle. Eine „große Transformation“, ergo Umsetzung in Planung und Bauen, ist nicht in Sicht. Es werden stets Einzelaspekte angedacht, die man dann mit Stolz der Öffentlichkeit präsentiert und sich ob des vermeintlichen Innovationsschubs, der allerhöchstens ein kleiner Trippelschritt ist, auf die eigenen Schultern klopft. Was Luxemburg benötigt ist eine Institution, die ganzheitlich denkt und interdisziplinär agiert. Ein Think-&-Act-Tank, der mit Fachleuten auf allen oben genannten Gebieten kommuniziert und mit fähigen Unternehmen kooperiert. Fachwissen kombiniert mit Kreativität und Fantasie, dazu die Nutzung aller bereits vorhandenen Techniken, sind der Schlüssel für den Städtebau nicht bloß der Zukunft, sondern bereits der Gegenwart. Das Rad muss nicht neu erfunden werden, aber es kann optimiert, sprich umweltgerechter gestaltet werden. Die Gründung einer solchen Institution wäre eine Investition für die sehr nahe Zukunft.

charles.hild
31. Januar 2023 - 17.00

Dat as ee Versuch vun der DP-Oligarchie, de Betong och nach déi nächst Joerzengten esou weider ze verschaffen. Doduerch fëllen si hire Portemonni. Si leeschte séch Luxusautoën, Croisièren, Schivakanzen a Shopingweekend zu Dubai. Alles op Käschte vun dem Klima. Bravo. Wéini begräifen déi Responsabel endlech, dass déi Megalomanie muss ophalen? Ons Waasserkapazitéit ass schon elo um Maximum. Ons Stroosse si schon elo nach een eenzege Stau. Ons Leit aus der Santé sinn am Dauerstress. Am Enseignement schaffe mer mat hallef ausgebildete Leit.

schullerpiir
31. Januar 2023 - 10.55

Kompensationsmassnahmen: 10 Hektar Fläche werden bebaut und versiegelt. Dann pflanzen wir suf weiteren 10 Hektar Bäumchen an. Resultat: Insgesamt 20 Hektar Ackerland sind verloren. Selbstversorgung wird immer unmöglicher. Aber wir sind Gutmenschen für Bäumchen und nehmen anderen Ländern die Lebensmittel weg durch immer grössere Importmengen. Nachhaltig eben!

Phil
31. Januar 2023 - 10.26

Die Regierung sollte mal umdenken. Zuerst wird das ganze Land umgepflügt und mit unsinnigen Infrastrukturen bodenmäßig versiegelt. Jetzt kratzt man sich am Kopf und fragt sich, wie kriegen wir die Dörfer und Städte wieder hin. Fahren sie doch nach Frankreich aufs Land und schauen sich dort die Dörfer an. Zentraler Platz, oft zum Boule spielen, schöne Plantanen, Springbrunnen und rund um den Platz meist gemütliche Cafés und Läden. Daneben die Kirche mit Vorplatz wo der Wochenmarkt abgehalten wird. Ein lebendes Beispiel ist Saint-Rémy de Provence.

JJ
31. Januar 2023 - 8.17

Zeit füt Wolkenkratzer. Aber wie steht's mit Ressourcen wie Trinkwasser und Energie und Infrastruktur wie Schulen, Kliniken und Mobilität? Es wird wohl sehr eng werden.