ForumZinswende, Baurückgang und Indexerhöhung: Welche Wohnungspolitik?

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Welche Wohnungspolitik?
Wohnungen bleiben trotz hoher Nachfrage leer, Baustellen unvollendet: Im Wohnungsbausektor kriselt es Symbolbild: Editpress/Feller Tania

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Wohnungen, die noch vor einigen Monaten wie warme Semmeln für, im Rückblick, hohe Preise weggingen, fristen heute auf den Immobilienportalen des Landes ein Schattendasein. Junge Paare, die den Verkauf ihres Appartements für die weitere Wohnfinanzierung fest eingeplant hatten, belastet dieser Nachfrageeinbruch auf dem Immobilienmarkt nicht nur finanziell, sondern öfters auch in puncto Familienplanung.

Neben dem Markt des Immobilienbestands schwächelt auch der Neubaumarkt. Bei den Baugenehmigungen für Wohnbauprojekte wurde in der ersten Hälfte des Jahres 2022 ein Minus von 35 Prozent gegenüber dem Vorjahr verbucht, somit wurden die geringsten Baugenehmigungen seit 2009 ausgestellt.

Nach Jahren erhöhter Nachfrage scheint die Nachfrage nach Wohnungen abgenommen zu haben, in der kühlen Wirtschaftssprache würde der Analyst von einer klassischen Nachfragedelle sprechen. Doch anders als Schwankungen zum Beispiel auf den Aktienmärkten sind erhöhte Schwankungen auf dem Wohnungsmarkt auch immer ein gesellschaftliches Problem, dies wegen der gesellschaftlichen Bedeutung einer Wohnung. Eine Wohnung ist kein einfaches Finanzprodukt. Eine Wohnung ist viel mehr. Eine Wohnung ist Lebensmittelpunkt des Einzelnen, ein Ort, der für die Lebensqualität von zentraler Bedeutung ist, ein Ort der Geborgenheit, der Sicherheit oder, um die Bedeutung der Wohnung mit den Worten Hans-Jochen Vogels zu beschreiben: „Wohnen ist wie essen, schlafen, arbeiten, lernen; eine menschliche Grundfunktion.“

Max Leners ist Mitglied in der LSAP und Generalsekretär der Fondation Robert Krieps. Er beschäftigt sich eingehend mit der Luxemburger Wohnungsbaupolitik. Hauptberuflich arbeitet Leners als Anwalt.
Max Leners ist Mitglied in der LSAP und Generalsekretär der Fondation Robert Krieps. Er beschäftigt sich eingehend mit der Luxemburger Wohnungsbaupolitik. Hauptberuflich arbeitet Leners als Anwalt. Foto: privat

Verstärkte Veränderungen auf dem Wohnungsmarkt, sei es durch Nachfragerückgänge wie aktuell oder durch Preisexplosionen wie in den vergangenen Jahren, verlangen immer politisches Handeln, denn die menschliche Grundfunktion „Wohnen“ sollte kein Luxusgut einer kleinen Elite sein, sondern ganz im Gegenteil, der Zugang zu bescheidenem Wohneigentum sollte ein elementares Menschenrecht sein. Doch seit geraumer Zeit degradieren Politiker zu stillen Beobachtern einer sich zuspitzenden Wohnsituation. Statt eines breiten gesellschaftlichen Dialogs und eines anschließenden lösungsorientierten politischen Handelns bleibt sich die nationale Politik – ob Nachfragerückgang oder Preisexplosion – in der Rolle des unberührten Beobachters der Misere treu und betreibt damit eigentlich alles außer Politik!

Der vorliegende Text soll kein Nachruf auf den Immobilienboom der letzten Jahre sein, sondern ein Verständnis dafür vermitteln, dass stagnierende Immobilienpreise oder ein möglicherweise leichter Preisknick keinesfalls eine Beendigung der Wohnungskrise für den Otto Normalbürger bedeuten werden, sondern dass Zinswende, Baurückgang und Indexerhöhungen das genaue Gegenteil bewirken. Deshalb benötigt es jetzt schnellstens einiger Anpassungen sowohl auf dem Markt für Bestandsimmobilien, dies um den Zinsanstieg auszugleichen, als auch auf dem Neubaumarkt, um ein weiteres Einknicken dieses zulasten der Wohnimmobilienerwerber zu verhindern.

Zinswende

Neben den Baukosten sind die festen Zinssätze für Immobilienkredite mit einer zehnjährigen Laufzeit binnen eines Jahres stark angestiegen. Beliefen sich diese zwischen 2016 und 2021 auf durchschnittlich 1,6 Prozent, schossen die Zinssätze bis September 2022 auf durchschnittlich drei Prozent hinauf. Doch auch bei einer Stagnation der Immobilienpreise, wie das nationale Statistikamt sie für das Jahr 2023 voraussagt, wird bei weiteren Zinsanstiegen, wie sie das nationale Statistikamt für nächstes Jahr prognostiziert, der Erwerb einer Wohnimmobilie teurer.

Nehmen wir das Beispiel eines Erwerbs einer 80-Quadratmeter-Immobilie in Luxemburg-Stadt, die bei den aktuellen Marktpreisen etwa eine Million Euro kosten würde. Heute würde bei einer Zinslast von drei Prozent eine monatliche Ratenzahlung von 4.230 Euro anfallen. Bei einem weiteren Zinsanstieg von lediglich 0,8 Prozentpunkten, wie vom nationalem Statistikamt vorhergesagt, und einer zeitgleichen kompletten Stagnation der Immobilienpreise würde der Erwerb der gleichen Wohnung in einem Jahr mit einer monatlichen Ratenzahlung von ungefähr 4.655 Euro zu Buche schlagen. Dies entspricht einer monatlichen Mehrbelastung von 425 Euro, ein Mehrbetrag, der ausschlaggebend sein kann, ob eine Familie ein Wohnprojekt noch finanzieren kann oder nicht. Doch auch bei Erhalt einer Wohnfinanzierung schlagen diese Mehrkosten in dem aktuellen inflationären Umfeld stark zu Buche.

Die Frage, die sich politisch stellt, ist, was man unternehmen soll, um den Zinsanstieg auszugleichen und den Zugang zu Wohneigentum noch halbwegs in demokratisch vertretbare Bahnen zu lenken.

Bestandsimmobilien

Aktuell belaufen sich die Eintragungsgebühren („Droits d’enregistrement“) und die Überschreibungsgebühren („Droits d’inscriptions“) auf sechs Prozent beziehungsweise ein Prozent des Kaufpreises einer Immobilie. Bei dem Kauf einer Wohnimmobilie für den persönlichen Bedarf hat jede Person Anspruch auf eine Steuergutschrift von 20.000 Euro („Bëllegen Akt“), die von den fälligen Eintragungs- und Überschreibungsgebühren abgezogen werden können.

Beim Kauf der 80-Quadratmeter-Immobilie in Luxemburg-Stadt, die bei den aktuellen Marktpreisen etwa eine Million Euro kosten würde, belaufen sich die Eintragungs- und Überschreibungsgebühren auf 70.000 Euro. Durch die Steuergutschrift von 20.000 Euro muss ein einzelner Erwerber immer noch 50.000 Euro zahlen. Wenn ein Paar die Immobilie erwirbt, entfallen immer noch 30.000 Euro Eintragungs- und Überschreibungsgebühren. Diese Gebühren, die bei dem Kauf einer Immobilie anfallen, können nicht über Kredit finanziert werden, sondern müssen, in der Regel, mit Eigenkapital bezahlt werden.

Beim Kauf einer bestehenden Immobilie, die als persönliche Wohnimmobilie genutzt wird – und nur in diesem Fall – sollten, meines Erachtens überhaupt keine Eintragungs- und Überschreibungsgebühren mehr anfallen. Dies würde den Erwerb einer Wohnimmobilie schon mal deutlich ermäßigen und dem aktuellen Zins- und vergangenen Preisanstieg entgegenwirken. Bei den aktuell immer noch hohen Wohnungspreisen, gepaart mit dem Anstieg der Zinsen, würde dies eine konsequente Entlastung für viele junge Familien darstellen und Wohnortwechsel finanziell erleichtern und eventuell Pendlerwege verkürzen.

In der Vergangenheit wurden vor allem Immobilieninvestoren von der Allgemeinheit, also von uns allen, über Steuererleichterungen stark bezuschusst. Die gesellschaftliche missbräuchliche, aber politisch jahrelang tolerierte Anwendung der „Fonds d’investissement spécialisé“, die es den großen Promoteuren ermöglichte, fast steuerfreie Milliardengewinne einzuscheffeln, oder der „Taux d’amortissement accéléré“, der durch Steuererleichterungen den privaten Aufbau von kleinen Immobilienparks einiger glücklicher Mittelständler stark bezuschusste, sind nur zwei Beispiele, die zeigen, wie gütig die Politik in der Vergangenheit den Immobilieninvestoren erlaubte, ihre Steuerlast auf fast null herunterzufahren.

Jetzt sollte der Zeitpunkt gekommen sein, indem die Wohnimmobilienerwerber gezielt bezuschusst werden. Dies ist politisch vertretbar, gesellschaftlich vonnöten und weitaus billiger* als die in der Vergangenheit praktizierte, fast grenzenlose steuerliche Befreiung einiger Immobilieninvestoren.

*Anmerkung

Leider liegen dem Autor keine genauen Zahlen vor. Um jedoch keine blinden finanziellen Forderungen zu erheben, wurden folgende Berechnungen angestellt, um eine ungefähre finanzielle Einschätzung treffen zu können. Zwischen dem 1. Juli 2021 und dem 30. Juni 2022 wurden in Luxemburg 3.339 Appartement Transaktionen vollzogen. Der durchschnittliche Quadratmeterpreis belief sich auf 8.513 Euro. Die Durchschnittsgröße eines Appartements beläuft sich auf 80 m2. Der Preis eines Appartements belief sich also auf durchschnittlich 681.040 Euro. Bei einem Gesamtvolumen von 2.273.992.560 Euro (681.040 Euro x 3.339 Transaktionen) würden die aktuell anfallenden Eintragungs- und Überschreibungsgebühren dem Staat also ungefähr maximal 159 Millionen Euro einbringen.

Für unsere Arbeitshypothese setzen wir voraus, dass jede zweite Transaktion schon von dem „Bëllegen Akt“ profitiert (1.669,5 Transaktionen). Demzufolge würde der Staat aktuell auf den Transaktionen mit Wohnimmobilien durch die Eintragungs- und Überschreibungsgebühren ungefähr 13 bis 46 Millionen Euro einnehmen. Die geforderte Maßnahme sollte also auf ein Budgets-Volumen von 50 Millionen Euro chiffriert werden. Da der Steuerausfall allein durch den „Amortissement accéléré“ die Allgemeinheit bis zu 50 Millionen Euro jährlich kostete, handelte es sich für den Autor hier um eine vertretbare finanzpolitische Forderung!
(Quellen: Liser, Nombre de ventes et de prix enregistrés des appartements pour la période du 1er juillet 2021 au 30 juin 2022; Réponse du ministre des Finances à la question parlementaire n° 3069 du 30 octobre 2020 du député Yves Cruchten).

Neubau

Im Neubaumarkt droht sowohl ein Rückgang des Bauvolumens als auch ein für den Käufer unvorhersehbarer Preisanstieg bei den „Ventes en futur état d’achèvement“ (VEFA).

Zuerst ein paar Worte zum Rückgang des Bauvolumens. Der Handwerksverband zeigte sich auf seiner Generalversammlung am 22. November 2022 besorgt: „Der Sektor schätzt, dass allein im Jahr 2023 die Produktion um 1.500 Einheiten von 3.500 auf 2.000 fertiggestellte Wohnungen zurückgehen wird.“ Das Platzen dieser Projekte – sollte es auf Investorenabsprünge zurückzuführen sein – sollte durch öffentliches Geld aufgefangen werden. Dies würde der öffentlichen Hand erlauben, ihren quasi inexistenten Wohnungsbesitz in den kommenden Jahren schnell und massiv auszubauen. Doch, erstens sollte dies nicht zu egal welchen Preisen geschehen. Zweitens setzt dieses Vorgehen eine geschickte Verhandlungsführung seitens der öffentlichen Hand voraus, um zu verhindern, dass die Aufkäufe zum maximalen Marktpreis erfolgen und so wiederum auf Staatskosten Gewinne privatisiert und Verluste kollektiviert werden.

Auf dem Neubaumarkt stellt das Anfallen von Indextranchen ein Problem dar und für das kommende Jahr rechnet das nationale Statistikamt mit zwei bis drei Indextranchen. Die Preise in einem VEFA-Kauf können an den Indexmechanismus gekoppelt werden, und dies ist im Moment gängige Praxis. Bei dem Erwerb einer 80 Quadratmeter-Immobilie in Luxemburg-Stadt, die Ende dieses Jahres für den Preis von einer Million Euro erfolgte und dessen Preis an den Index gekoppelt ist, würde das Anfallen von drei Indextranchen im kommenden Jahr eine erhebliche Mehrbelastung für den Erwerber bedeuten, wie das folgende Beispiel illustrieren soll.

Unser Käufer erwirbt die Immobilie in einem VEFA-Kontrakt Ende 2022 und begleicht sofort den Teil des Kaufpreises, der für den Grundstückserwerb vorgesehen ist und sich auf 30 Prozent des Gesamtpreises beläuft. Im Jahr 2023 bleiben also noch 700.000 Euro zu zahlen. Sollten die Projektionen des nationalen Statistikamtes eintreffen, entfielen im ersten Trimester, im April, und im vierten Trimester 2023 jeweils eine Indextranche. Für die Auswirkungen dieser Indextranchen zu illustrieren, legen wir zugrunde, dass sowohl die Erdarbeiten (zehn Prozent des Kaufpreises) spätestens im April 2023 als auch die gesamte Betonier-, Zimmermanns- und Dacharbeiten (30 Prozent des Kaufpreises) vor dem vierten Trimester fertiggestellt werden. Nichtsdestotrotz würden in diesem hypothetischen Beispiel die Kosten für dieses Bauprojekt allein durch den Indexmechanismus um 40.000 Euro in die Höhe schnellen!

In Zukunft könnte man darüber nachdenken, ob solche indexgebundenen Kaufpreise in den VEFA-Kontrakten nicht generell untersagt werden sollten, da sie den Erwerber in stark inflationären Zeiten nur unnötig unter Druck setzen und weder dem Erwerber noch der Bank erlauben, im Moment des Erwerbs den finalen Preis zu kennen. Ob diese augenscheinlich einfache Lösung, aber auch die gesellschaftlich intelligenteste sei oder etwa eine Einschränkung der Preiserhöhungen auf die realen Arbeitskosten des Verkäufers und seiner Zulieferer – wobei die Beweislast dem Verkäufer obliegen würde – nicht eine bessere wäre, diese sollte eine tiefgreifendere Analyse ausloten.

Die VEFA-Kontrakte und ihre Indexbindung sind also ein weiteres Themengebiet, das auf einem zukünftigen „Logementsdësch“ mit Vertretern der Bauwirtschaft, der Zivilgesellschaft und natürlich auch Experten der Universität, um die nötigen Auswirkungen zukünftiger Reformen simulieren und projizieren zu können, tiefgründig analysiert werden sollte. Auf einem solchen „Logementsdësch“ sollten auch weitere Maßnahmen ausgearbeitet und schnellstmöglich umgesetzt werden; dass die Teilnehmer dieser Runde ihren gesamten direkten und indirekten Immobilienbesitz offenlegen müssen, sollte sich im 21. Jahrhundert wohl von selbst verstehen.

Klar ist allemal, Wohnen muss kein Luxus sein – zumindest dann nicht, wenn die Politik endlich zulässt, dass wir uns als Gesellschaft den richtigen Rahmen geben und kurzfristig auf neue Herausforderungen auf dem Wohnungsmarkt reagieren können.

Deshalb braucht es jetzt und nicht erst nach dem nächsten Wahltermin einen „Logementsdësch“!

 Foto: Editpress-Archiv/François Aussems
Schavier
29. Dezember 2022 - 11.03

@ Jemp déi Gréng Ministeren hun alles am Grëff an ënner Kontrol an hu vir alles eng Léisung. Hahahaha dat hei ass e sarkastesche Witz. ;-)

Jemp
26. Dezember 2022 - 19.39

Als erstes müsste man die spinnerten Gesetzesvorschläge des grünen Logementsministers stoppen. Es sieht so aus als wolle der noch möglichst viel Schaden anrichten, bevor er mitsamt seiner wahnsinnigen Partei in der Versenkung verschwindet.