ParlamentWas offline illegal ist, muss auch online verboten sein

Parlament / Was offline illegal ist, muss auch online verboten sein
Diane Adehm (M.) hatte die Debatte um Fake News und Desinformation angeregt Foto: Editpress/Julien Garroy

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Auch Luxemburgs Gesellschaft ist nicht vor Fake News und Desinformation gefeit. Das Parlament widmete dem Thema am Donnerstag eine Aktualitätsstunde. Für mehr als eine simple Bestandsaufnahme reichte es jedoch nicht.

Ziel von Desinformationen und Fake News sei es, die Menschen gezielt zu täuschen und im Interesse der Autoren zu manipulieren, so Diane Adehm (CSV), deren Partei die Debatte angeregt hatte. Desinformation könne die Demokratie gefährden, meinte sie mit Blick auf die USA. Wie später auch andere Redner erinnerte Adehm an die während der Covid-19-Pandemie von Impfgegnern verbreiteten Informationen, die sich dann nachträglich als falsch herausgestellt haben. In den sozialen Medien würden sich derlei Behauptungen und Verschwörungstheorien schneller verbreiten und im Unterschied zu den klassischen Medien mit ihren Berufsjournalisten würde niemand die Behauptungen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen.

Angesichts der bevorstehenden Wahlen in Luxemburg befürchtete Adehm mögliche Desinformationskampagnen. In diesem Zusammenhang hob sie die Rolle der Berufsjournalisten hervor. Ihnen würde ein seit langem gefordertes Informationszugangsgesetz im Kampf gegen Desinformation helfen. Wie es denn um derlei Gesetz stehe, fragte sie. Der Abgeordneten sollte Premier- und Medienminister Xavier Bettel (DP) wenig später nur ausweichend antworten. Er wies darauf hin, dass das sogenannte Bettel-Rundschreiben über Informationsweitergabe an Journalisten überarbeitet wurde. In naher Zukunft wolle er sich diesbezüglich nochmals mit Medienvertretern treffen.

Viele Falschinformationen in den sozialen Medien

In den Schulen werden junge Menschen auf den richtigen Umgang mit den neuen Medien sensibilisiert. Doch auch Erwachsene bedürfen einer Medienerziehung, meinte Adehm. Ob dazu eine Infokampagne vorgesehen sei, die über die Gefahren von Fake News aufmerksam machen würde? Ob die aktuelle Gesetzgebung ausreiche, um gegen Desinformation insbesondere in Wahlzeiten vorzugehen? Bereits heute könne gegen Falschaussagen, Verleumdung und Hassrede geklagt werden, sagte Justizministerin Sam Tanson („déi gréng“) dazu. Auch der Aufruf zum Terror sei strafbar. Zurückhaltend äußerte sie sich zu Adehms Frage über ein gesondertes Gesetz zur Bekämpfung von Falschinformationen während der Wahlperioden, auch wenn sie dies nicht vollends ausschließen wollte.

Insgesamt zeigten sich sämtliche Parteivertreter besorgt über das Ausmaß an Falschmeldungen insbesondere in den sozialen Medien. Was offline illegal sei, muss auch online verboten sein, hieß es mehrmals. Es brauche klare Regeln für Onlineplattformen, wo es keine Redaktionen und Moderation gebe, sagte Carole Hartmann (DP). Laut Francine Closener (LSAP) habe es immer Desinformation gegeben. Im digitalen Zeitalter habe diese jedoch explosionsartig zugenommen. Insbesondere Russland errang auf diesem Gebiet eine zweifelhafte Expertise. Medienerziehung sei wichtig, aber auch die Lehrkräfte müssten auf der Höhe sein. Medienerziehung müsse ein fester Bestandteil des Programms sein oder sogar ein eigenes Fach werden.

Laut Stéphanie Empain („déi gréng“) bleibe auch das Abgeordnetenhaus nicht von Desinformation verschont. Sie verwies dabei auf gezielte Kampagnen, wonach in Zukunft Eltern durch den Staat ersetzt würden. Auch wenn derlei Behauptungen äußerst abstrus seien, würden sie Menschen verunsichern. Die Meinungsfreiheit müsse garantiert werden, aber nicht das Recht, die Menschen mit Lügen zu füttern.

Meinungsfreiheit und Fake News dürfen nicht vermischt werden

Xavier Bettel, Premierminister

Desinformation als Kriegsmittel

Damit fühlte sich wohl der ADR-Abgeordnete Fernand Kartheiser angesprochen. Er sieht die Meinungsfreiheit als gefährdet an. Die Debatte und insbesondere die Äußerungen seiner Vorredner, die er später als Anwälte der Regulierung der Meinungsfreiheit bezeichnete, würden ihn beunruhigen. Was sogleich für empörte Zwischenrufe aus dem Saal sorgte. Man dürfe Meinungsfreiheit und Fake News nicht vermischen, so Premierminister Bettel. Wer bestimmt, was Fake News sei, wollte Kartheiser wissen. Faktenchecker seien oft Journalisten, die auch eine Meinung hätten. Auch das müsse man hinterfragen. Die sozialen Medien sollen nun in der EU reguliert werden. Dabei aber würde die EU-Kommission gleichzeitig als Ankläger und Richter auftreten. Niemand könne prüfen, ob zu Recht kontrolliert und sanktioniert werde.

Nathalie Oberweis („déi Lénk“) wies darauf hin, dass auch Regierungen desinformieren würden, vor allem in Kriegszeiten. Der Irak-Krieg hat mit einer Desinformation begonnen, ebenso der Zweite Weltkrieg. Sie begrüßte die Medienerziehung in den Schulen. Man müsse aber auch lernen, miteinander zu reden und eine Debattenkultur zu entwickeln. Das komme in den Schulen zu kurz. Sie vermisste kritischen Geist in der konsensgetriebenen Gesellschaft Luxemburgs. Nicht nur die großen Internetplattformen müssten kontrolliert werden, meinte Oberweis, die dabei die Schaffung einer öffentlichen Plattform anregte.

Sven Clement („Piratepartei“) zufolge würde sich laut Untersuchungen in Deutschland ein Drittel der Jugendlichen über soziale Medien informieren. Sie seien besonders anfällig für Verschwörungstheorien. Wie Closener zuvor wies auch Clement darauf hin, dass viel Desinformation aus Russland stamme. Desinformation sei ein Kriegsmittel.

Wir unterstützen euch und verurteilen die Verbrechen Russlands in der Ukraine

Fernand Etgen, Chamber-Präsident, zur ukrainischen Abgeordneten Olena Kondratiuk

Justizministerin Sam Tanson pochte auf die internationale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Fake News. Luxemburg unterstütze daher alle diesbezüglichen europäischen Initiativen, u.a. jene, um die digitalen Plattformen stärker in die Verantwortung zu nehmen. Bettel hatte zuvor auf die Arbeit von Luxemburger Initiativen wie „Bee Secure“ und dem Zentrum für politische Bildung hingewiesen.

Chamber-Präsident Fernand Etgen (DP) hatte die Debatte kurz unterbrochen, um die Vizepräsidentin der ukrainischen Werchowna Rada, Olena Kondratiuk, zu begrüßen. Sie hatte kurz der Sitzung auf der Parlamenttribüne beigewohnt. „Wir unterstützen euch und verurteilen die Verbrechen Russlands in der Ukraine“, so Etgen mit Tränen in den Augen. Kondratiuk hatte sich am Vormittag mit den Mitgliedern des außenpolitischen Ausschusses getroffen.

52 Infrastrukturvorhaben abgesegnet

Wenn ein Ministerium mit der Realisierung eines Investitionsprojekts von über 10 Millionen Euro beginnen möchte, bedarf es der parlamentarischen Zustimmung. Dazu segnet die Chamber jedes Jahr kurz vor den Budgetdebatten eine lange Liste von Infrastrukturvorhaben der Regierung ab. Projekte, die teurer als 40 Millionen Euro werden, bedürfen noch eines Spezialgesetzes. Am Donnerstag gaben die Abgeordneten der Regierung grünes Licht, auch wenn der Kostenpunkt einzelner Projekte noch unbekannt ist. Nun können die Planungsarbeiten für die besagten Vorhaben beginnen bzw. weitergeführt werden.
Die Liste umfasst 52 Straßenbauprojekte, Schulneubauten, Umbauten und Renovierungsarbeiten an bestehenden öffentlichen Gebäude und Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr, insbesondere die Bahn. Alle Vorhaben werden über die entsprechenden Spezialfonds finanziert.
Angesichts der langen Liste von 52 Projekten müsse man sich überlegen, ob in Zukunft weiterhin jedes Projekt über 10 Millionen Euro noch genehmigungspflichtig sein müsse, sagte Bautenminister François Bausch („déi greng“).

Filet de Boeuf
9. Dezember 2022 - 10.39

Ich stimme voll und ganz der ADR und der Linken zu. Ein Gegenpol (Stichwort: Faktenchecks) zu den Fake News ist gut, aber Verbot (von wem?) oder sogar Verurteilung von Fake News ist meiner Meinung nach wieder protestwürdig. Aber Proteste werden ja auch bald untersagt. Es geht meiner Meinung nach (Achtung Fake News) nur um Schaffung von Arbeitsposten für sinnlose Zwecke.