Kayl-TetingenAls die Hl. Barbara im Keller verschwand

Kayl-Tetingen / Als die Hl. Barbara im Keller verschwand
Der Umzug mit einer Holzkopie führt durch die Straßen der Ortschaft zum Friedhof Foto: Editpress/Lucien Montebrusco

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Am 4. Dezember erschallen wieder Böllerschüsse im Kayltal. Es ist „Boarbelendag“ und auch in Kayl-Tetingen und Rümelingen wird der Schutzpatronin der Bergleute gedacht. Dann zieht es die lokalen Autoritäten und Vereine durch die Straßen, werden Gottesdienste abgehalten – in Rümelingen in der Galerie des Grubenmuseums, in Tetingen in der St.-Joseph-Pfarrkirche.

Organisator der Feier in Kayl ist traditionell das Tetinger „Comité Ste Barbe“. 1954 gegründet, verging seitdem kein Jahr ohne Barbarafeier. Wohl mit Blick auf die Rümelinger, die die Schutzpatronin der Bergarbeiter seit längerem feierten, hatten sich damals in Tetingen eine Handvoll Personen zusammengetan, unter ihnen etliche Grubenarbeiter, um das Fest auch in der Ortschaft zu veranstalten, erzählt John Lorent, Präsident des Organisationskomitees. In jenen Jahren, wo sich Rote und Schwarze politisch bekämpften, jedes Lager seine eigene Gewerkschaft hatte, hieß es in Sachen Barbarafeier: Politik und Gewerkschaften sollen da rausbleiben. So durften beim Umzug keine Gewerkschaftsfahnen mitgenommen werden. Es sollte eine Feier ausschließlich für die Grubenarbeiter, für ihre Schutzpatronin, ohne politische Aussage sein. „Das ist wichtig, und das wurde bis heute so gehalten“, sagt Lorent, bis vor kurzem noch Kayler Bürgermeister.

1954, das waren die Jahre des Wiederaufbaus. Die Blütezeit der Eisenerzindustrie. In Tetingen gehörten die Bergarbeiter zum Straßenbild der Ortschaft, die durch die Arbeit im Tagebau und im Berg groß wurde. Man sah sie, wenn sie zurück von der Arbeit im Langengrund kamen, erinnert sich Lorent. „Ich bin schon dreißig Jahre dabei. Nachdem ich 1988 in den Gemeinderat gekommen war, habe ich mir für ‚Barbaratag‘ immer freigenommen, um am Umzug teilzunehmen.“

Fast genauso lange schon ist er Vorsitzender des „Comité Ste Barbe“. Die älteren Herren, die damals im Vorstand saßen, waren auf der Suche nach jüngeren Mitstreitern, die die Tradition der Barbarafeier weiterführen würden. Die Wahl fiel auf Lorent. „Ich kann mich noch gut erinnern“, sagt dieser. „Es war an einem Sonntagmorgen, als Bub bei mir anrief. Wir werden alt, sagte er. Wir wollen, dass du das übernimmst“. Bub, das war Sigismond Poggi, damals Präsident des Komitees. Und so übernahm Lorent Anfang der 1990er den Vorsitz.

Einer der ersten Schritte des neuen Vorstands war die Umwandlung des Vereins in eine Asbl. Das „Comité Ste Barbe“ sollte eine Rechtspersönlichkeit werden. Das sollte dem Verein später von großem Nutzen sein, erklärt Lorent. Denn obwohl die Statue immer bei der Feier dabei war, musste plötzlich um sie gestritten werden. Die Affäre landete fast vor Gericht.

Eine abenteuerliche Geschichte

Die Tetinger Barbarastatue stammte aus Rümelingen. Sie stand am Eingang einer Mine, die der damaligen MMRA („Métallurgique et Minière de Rodange-Athus“, heute ArcelorMittal) gehörte. Die Heiligensäule war den Tetingern lediglich zur Verfügung gestellt worden. Doch der entsprechende Begleitbrief der Firmenführung war nicht mehr auffindbar. Dass es sich jedoch so verhalten haben muss, geht aus dem Dankesschreiben des damaligen Schöffenrats an die MMRA hervor. Daran hieß es, dass die Barbarastatue ordnungsgemäß in der Tetinger Kirche stehe. Dort stand sie jedoch nicht lange, denn plötzlich war sie verschwunden.

Lorent spricht von einer abenteuerlichen Geschichte. „Als ich den Vorsitz übernahm, stand die Statue beim Bub im Keller, wo er sich ein kleines Museum eingerichtet hatte.“ Was denn mit der Statue geschehen würde, sollte Bub nicht mehr da sein? Rechtlich gesehen war sie im Besitz der Familie und damit der Erben, denn das Komitee konnte keine Besitzerurkunde vorlegen. Es kam wie befürchtet. Nach Poggis Tod musste das Komitee vor Gericht ziehen, um erneut in den Besitz der Statue zu kommen. Glücklicherweise stellte die MMRA dem Komitee ein Schreiben aus, dass das Unternehmen die Statue keinem Privatmann überlassen habe. Und dem Komitee lag auch ein von Poggi unterschriebenes Schreiben vor, in dem dieser erklärte, die Statue gehöre dem Komitee. „Wenige Tage vor dem Gerichtstermin kam ein Anruf unseres Anwalts, wir könnten die Statue abholen“, so Lorent. Die Streitsache konnte ohne Prozess bereinigt werden.

Ihren Sockel verlässt die Statue nicht mehr. Beim Umzug wird auf eine Kopie aus Holz zurückgegriffen, um die Gipsstatue nicht zu beschädigen.
Ihren Sockel verlässt die Statue nicht mehr. Beim Umzug wird auf eine Kopie aus Holz zurückgegriffen, um die Gipsstatue nicht zu beschädigen. Foto: Editpress/Lucien Montebrusco

Seitdem steht die Hl. Barbara auf ihrem Sockel in der Tetinger Kirche. Warum sie jedoch zuvor in den Keller des Expräsidenten verschwand? Es war wohl eine Reaktion der Tetinger auf den Zweiten Vatikanischen Konzil 1962, wo über „Missbräuche, Übertreibungen oder Mängel“ bei der Heiligenverehrung die Rede ging. In anderen Worten: In der katholischen Kirche wurde allzu vielen Heiligen gehuldet. Die Folge war, dass Heiligenbilder aus den Kirchen genommen wurden, erinnert sich Lorent. Und Bub befürchtete wohl, „unsere Barbara“ würde in den Kohlenkeller verschwinden. Also ging er hin und nahm sie zu sich mit nach Hause.

Seit einigen Jahren verlässt die Statue ihren angestammten Platz in der Kirche nicht mehr, auch nicht am 4. Dezember. Die Statue ist aus Gips und sie könnte unter den Witterungseinflüssen leiden. Und so wird man auch an diesem 4. Dezember eine Holzkopie der Heiligen mitführen. Der Umzug wird wie gewohnt durch die Straßen der Ortschaft zum Friedhof ziehen, wo ein Blumengebinde am Grab eines Grubenarbeiters niedergelegt wird. Seit einigen Jahren nehmen auch Schulklassen am Umzug teil. In der Schule befassen sich die Kinder mit der Eisenerzvergangenheit ihrer Ortschaft.

Ausgangspunkt des Umzugs ist die „Schungfabrik“, unweit der Tetinger Kirche. Hier wurde vor wenigen Monaten das Museum Ferrum eröffnet, ein lokales Museum, das Einblicke in die Geschichte und insbesondere in die industrielle Vergangenheit der Ortschaft gibt. Es ist neben der Barbarafeier ein weiteres Markenzeichen Tetingens. John Lorent: „Ich kann mir den Süden mit seinen Minen, mit seinen 150 Jahren Industrievergangenheit nicht ohne Barbarafeier vorstellen. Sie steht für alles, was in dieser Zeitspanne war.“

Ein immaterielles Weltkulturerbe

Die Hl. Barbara ist die Schutzpatronin der Bergleute, Artilleristen, Baumeister, Turmwächter, Feuerwehrleute, Glockengießer und Glöckner. Sie gilt als Beschützerin vor Gewitter, Feuersnot und jähem Tod. Der Legende nach wurde Barbara von Nikomedien in der heutigen Türkei von ihrem Vater Dioscuros Anfang des vierten Jahrhunderts enthauptet, weil sie sich geweigert hatte, sich vom christlichen Glauben abzuwenden. Die meisten Abbildungen, so auch die Tetinger Statue, zeigen neben der Heiligen den Turm, in dem sie von ihrem Vater eingesperrt worden war. Auf der Flucht vor ihrem Vater soll sie sich in einer Grotte versteckt haben. Der mordende Vater soll am Tag der Hinrichtung vom Blitz getroffen worden sein. Die Barbarafeier in Tetingen wurde in die Unesco-Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Den Antrag dazu hatte das „Comité Ste Barbe“ bei der Unesco eingereicht. Unterstützt worden war sie dabei von der Gemeinde. (lmo)

JJ
30. November 2022 - 9.57

Im Gegensatz zu den Menschen sind Heilige äusserst langlebig.Zumindest in den Köpfen der Leute. Aber egal.Ob Maria,Willibrord,Bärbel oder was für Heilige,sie sind immer gut für eine schönes Gelage nach der Pflicht.