Remich / Das Aus nach 137 Jahren: Hotel Saint-Nicolas schließt seine Türen
Sonntag, 19. November 2022. Lucien Houdremont und Simona Longhi richten den Mittagstisch im Hotel Saint-Nicolas in Remich. Beim Betreten des Traditionshauses erscheint alles perfekt: Im offenen Kamin im Eingangsbereich lodert das Feuer. Hinter den Kulissen herrscht Hochbetrieb. Zwischendurch reisen Hotelgäste ab und bezahlen ihre Übernachtung in der Wellness-Oase. Man hat den Eindruck, es sei ein normaler Hotelalltag im Traditionshaus – was leider an dem Tag nicht der Fall ist. Es war das letzte Mal nach 137 Jahren, dass der Chef des Hauses die Gaumen seiner Gäste im Restaurant Lohengrin verwöhnte.
Nach einem erfolgreichen Abschluss im „Lycée classique“ besucht Lucien Houdremont, gebürtiger Escher, Jahrgang 1949, die Hotelfachschule in Diekirch. Während seiner Ausbildung absolviert er mehrere praktische Lehrgänge in damals renommierten Küchen im Lande, darunter das Hotel Greiveldinger und die Bar des Empereurs im Centre Bourse. Damals sei es eine seiner täglichen Aufgaben gewesen, „Crêpe Suzette“ im Beisein der Restaurantgäste zuzubereiten, wie er uns erzählt. Für Lucien war es damals eine Ehre, dort ein Praktikum zu absolvieren und bei Theo Greiveldinger zu lernen. Immerhin galt das Etablissement als „Le Restaurant“ im Lande. Im Anschluss zieht es den angehenden Koch in die Schweiz nach Villars-sur-Ollon. Weitere Etappen sind das Sporthotel in Pontresina im Engadin, Paris und Thun.
Aus dem Ausland zurück, empfängt das Hotel Kons den jungen Koch mit offenen Armen. Das Haus Kons war damals bekannt für Feinkostspezialitäten sowie die Organisation von großen Banketts. Zusammen mit Jean-Joseph Schintgen absolviert Lucien Houdremont 1974 die Meisterprüfung als Traiteur. Kurze Zeit später übernimmt er mit seinen Eltern sowie seinem Bruder Erny das hauseigene Hotel Saint-Nicolas. Dieses befindet sich seit 1885 im Familienbesitz, ursprünglich unter dem Namen Café Nic. Schengen-Kirsch. Damals bot das Café Stallungen für 20 Pferde an, vorwiegend für jene Pferde, die zum Treideln, dem Schleppen von Schiffen auf der Mosel, zum Einsatz kamen.
Vom Café zum Vier-Sterne-Hotel mit Wellness-Oase
Gleich zu Anfang stellt Lucien Houdremont den damaligen Entremetier Marcel Magras vom Hotel Kons ein. Weitere Unterstützung erhält er von seiner Mutter und seinem Bruder Erny, sodass sich der Chef des Hauses seinem eigentlichen Beruf als Koch widmen kann.
Schrittweise lässt er das Hotel ausbauen, erstmals zusammen mit Henri Jegen im Jahr 1981. Damals habe man das Nachbarhaus sowie das Fischereigeschäft Schons miteinbezogen und ein drittes Stockwerk gebaut, erzählt uns Lucien Houdremont. Mit einem Schmunzeln denkt er heute noch an seine Gäste auf der zweiten Etage, die damals die während heftiger Regenfälle aufgestellten Eimer mit Wasser ausschütten mussten.
Ein weiterer Ausbau erfolgt 1986 mit dem Architekten Jean Petit, das Hotel wird in der rue St-Nicolas auf drei Stockwerke ausgebaut. Inzwischen hat Lucien das Bistro „Yachting“ von seinem Bruder übernommen, ein ikonisches Bistrot an der Mosel. Der Bildhauer Wil Lofy baut zusammen mit seiner Tochter und dem Architekten Stefan Moreno die Bar. Mit den jeweiligen Ausbauten sei das Hotel so richtig aufgeblüht. Die relative Nähe zum Kirchberg habe wochentags viele Stammgäste gebracht, während am Wochenende vorwiegend gastronomische Arrangements im Mittelpunkt standen, erzählt Lucien.
1995, im Rahmen von Luxemburg – Kulturhauptstadt Europas, beauftragt Houdremont den italienischen Professor Mario Eremita aus Treviso mit der Gestaltung von Fresken entlang der gesamten Terrasse. Im Laufe der Zeit hätten sich die Gewohnheiten der Gäste verändert und damit auch die Nationalitäten. Dank der transatlantischen Icelandair-Flüge seien viele Amerikaner ins Hotel gekommen, in anderen Epochen seien es vorwiegend Engländer, Russen oder Inder gewesen. Seit dem Ausbau des Wellnessbereichs im Jahr 2010 durch den Architekten François Valentiny seien vorwiegend viele Besucher aus der Region nach Remich gekommen, um dort auszuspannen.
Fünf Bände, vollgepackt mit Emotionen
Seit den Anfängen führte Lucien Houdremont ein Goldenes Buch. Doch recht schnell war dieses zu klein. In der Zwischenzeit entstand eine Sammlung von fünf Bänden, die uns der Herr des Hauses mit Stolz zeigt. Tausende zufriedene Gäste weilten im Hotel und ließen sich die Geschmackspapillen im Restaurant Lohengrin verwöhnen. Darunter auch hohe Gäste. Das erste Goldene Buch wurde übrigens durch einen Eintrag des damaligen Staatsministers Pierre Werner „eröffnet“. Viele Persönlichkeiten gingen im Hotel Saint-Nicolas ein und aus, darunter auch der ehemalige russische Außenminister Jewgeni Primakow.
Im Hotel feierten unzählige Familien ihre Eheschließungen und Familienfeste. Der französische Schauspieler Malik Zidi weilte 2014 während der Dreharbeiten des Films „La Volante“ im Hotel Saint-Nicolas. Der Satz „Hors du modernisme fou“ resümiert in vier Worten die Identität des Hauses.
Die goldenen Bücher sind ein Spiegelbild schöner Zeiten, vollgepackt mit spürbaren Emotionen, Dank und Lob. So findet man dann beispielsweise einen Eintrag von langjährigen niederländischen Stammgästen, die dem Chef des Hauses ihre persönlichen Genesungswünsche im Goldenen Buch hinterlassen.
Keine Zukunft für das Hotel
Das Restaurant Lohengrin war landbekannt, nicht nur durch die herausragende Küche, sondern auch durch einen außergewöhnlichen Dienst am Kunden. Lucien Houdremont wusste der Klientel die Wünsche aus den Augen abzulesen. Für die Namensgebung des Restaurants inspirierte sich der Koch an der mittelhochdeutschen Schwanenrittersage Lohengrin aus dem späten 13. Jahrhundert. Bewusst entschied sich der Gastronom für eine eigene Identität für das Restaurant. Er empfindet es als störend, dass das Hotel Saint-Nicolas immer mit dem heiligen Nikolas in Verbindung gebracht wurde. Dabei steht der Name für die gleichnamige „Porte Saint-Nicolas“ zu Ehren des Schutzpatrons der Fischer und Schiffsleute, betont Houdremont.
Mit der Schließung des Hotels geht eine 137-jährige Geschichte zu Ende. Lucien Houdremont denkt mit Freude und Dankbarkeit an die 48 schönen Jahre zurück, die er in Remich verbrachte. Nachdem sich seine beiden Söhne trotz eines Bachelors und Masters im Bereich der Hotellerie für eine andere Karriere entschieden haben, sei es an der Zeit, sich zurückzuziehen, so Lucien Houdremont zum Abschluss unseres Gesprächs. Eine Zukunft für das Hotel wird es in der aktuellen Form nicht geben – ein neuer Wohnkomplex soll an dieser Stelle entstehen. Somit verliert Remich binnen kürzester Zeit das zweite Hotel.
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Schade,noch ein Familienbetrieb
schliesst,trotzdem alles Bestens
im Rentnerleben,so hat die
Moselperle einen Besucherpunkt
weniger,langsam geht’s doch
aber bergab im Moselturismus.