EditorialLokaljournalismus ist besser als sein Ruf

Editorial / Lokaljournalismus ist besser als sein Ruf
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In Medienkreisen wird der Lokaljournalismus gerne belächelt. Für viele Kollegen ist es ein Anfängerjob, fernab der glamourösen Gesellschaft von Politikern, Unternehmern und anderen Machern dieser Welt. Weit entfernt vom Krautmarkt, von Brüssel oder gar Washington. Wer etwas auf sich hält in diesem Beruf, der will „echte“ Entscheidungsträger interviewen, komplexe Zusammenhänge entwirren und geistreiche Analysen verfassen. Lokaljournalismus gilt hingegen als öde, altbacken und langweilig. Ein Einsatz im Lokalressort kommt vielen Kollegen einer Strafversetzung gleich.

Nah dran, gut informiert und möglichst impaktvoll. So wollen sie sein, die Journalisten. Dabei gelingt das in Luxemburg in keinem Ressort besser als im Lokaljournalismus. Ob Streitigkeiten im Gemeinderat, abgekartete Spielchen im Vereinsvorstand oder Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft: Näher kann man dem Geschehen kaum noch rücken, wie nun die Posse ums Parken bei der Ackerbauschule in Gilsdorf bewiesen hat. In diesem Zusammenhang waren es mehrere Reportagen auf RTL und – mit Abstrichen – auch ein Leitartikel des Tageblatt, die Bewegung ins Dossier bringen konnten. 

In der Gemeinde Gilsdorf müssen sich seit Herbst letzten Jahres Hunderte Schüler um eine Handvoll Parkplätze streiten, die zu allem Überfluss nicht als solche angelegt worden waren. Denn: Der eigentliche Parkplatz am Neubau des „Lycée technique agricole“ (LTA) ist nur der Belegschaft vorbehalten. Die einzige Alternative bietet ein kleiner Rastplatz einige hundert Meter unterhalb des Plateaus, der jeden Tag restlos überfüllt ist.

Eigentlich sollten die Schüler mit den öffentlichen Transporten anreisen. Da es sich aber um eine berufsbildende Schule für junge Menschen aus dem ganzen Land handelt, von denen viele nebenbei noch auf dem elterlichen Hof eine Hand mit anpacken müssen, haben viele einfach nicht die Zeit, Stunden in Zug und Bus zu verbringen. Also müssen sie sich am frühen Morgen mit den Kollegen um ein Dutzend Parkplätze am Rastplatz streiten, bevor sie im trüben Morgengrauen über die Nationalstraße zur Schule pilgern. 

Dass nach langem Hin und Her nun rechtzeitig vor der dunklen Jahreszeit dennoch eine Lösung gefunden werden konnte, ist nicht zuletzt den lokalen Medien zu verdanken, die sich seit mehr als einem Jahr in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen dem Thema widmen. Die Lösung: Lyzeum, Ministerien und die Ernztalgemeinde hätten sich nun auf einen Park&Ride am „Bloen Eck“ einigen können, wie aus einer Antwort auf eine parlamentarische Frage hervorgeht. Mit einem Shuttle ist die neue Stelle knapp fünf Minuten vom Lyzeum entfernt, was man durchaus als guten Kompromiss bezeichnen könnte.

Ob diese Lösung auch ohne die unermüdliche lokale (!) Berichterstattung zustande gekommen wäre, ist mehr als zweifelhaft. Waren doch Vorgespräche stets an der fehlenden Dialogbereitschaft bestimmter involvierter Parteien gescheitert. Bewegung kam erst ins Spiel, nachdem die Situation von den Luxemburger Medien mehrmals aufgegriffen und die Lösung am „Bloen Eck“ vom RTL-Kollegen Marc Hoscheid öffentlich thematisiert worden war. 

Es gibt viele gute Gründe, den Lokaljournalismus nicht abzuschreiben, wie auch Luc Laboulle Ende Juli dieses Jahres in einem lesenswerten Bericht im Land feststellte. Sei es als wichtiger Beitrag zum sozialen Zusammenhalt, als demokratisches Kontrollorgan auf lokaler Ebene oder als unnachgiebiger Wadenbeißer, der immer wieder den Finger in die Wunde legt: Lokaljournalismus ist besser als sein Ruf. 

Miette
12. November 2022 - 22.21

Es sollte in der Tat wirklich mehr Lokales im Tageblatt erscheinen.. Was die Ackerbauschule angeht, da wurde in keiner Tageszeitung, bei der Planung und dem unseeligen Standort so recht berichtet. Nun prangt der Bauklotz über dem Ort, keine Parkplätze... wundern muss man sich nun nicht darüber. Die Einwohner der Nordstadt haben das schon bei der Planung befürchtet. Es verbreitert sich ja keine Landstrasse um einem Parkstreifen Platz zu machen. Um diese Weisheit zu erlangen braucht man nur gesunden Menschenverstand zu besitzen.

Leila
11. November 2022 - 16.30

Für eine Tageszeitung betreibt das tageblatt zu wenig Lokaljournalismus. Es passiert hier täglich weit mehr als das, was drinsteht. Jemand sagte mal über Journalisten, es seien Menschen, die in einem anderen Beruf mit weniger Arbeit mehr Geld verdient hätten.

Robert Hottua
11. November 2022 - 6.18

Guten Tag Herr Hamus, danke für den Begriff "unnachgiebiger Wadenbeißer". Ich fühle mich damit angesprochen. Ich empfinde mich als nicht unnachgiebig genug. Luxemburg sitzt auf einem hohen Berg nicht aufgearbeiteter Hypotheken. Gegenüber diesem Berg habe ich eine Sisyphus-Position. ▪ "Die Unmenschlichkeit die anderen angetan wird zerstört die Menschlichkeit in mir." (Immanuel KANT) ▪ Der gesunde Volkskörper (…) Bereits 1935 hatte Hitler auf dem Reichsparteitag angekündigt, im Kriegsfall ein umfassendes Euthanasieprogramm zu starten. "Minderwertige", "Ballastexistenzen", "unnütze Esser", wie sie in der NS-Diktion abfällig bezeichnet wurden, sollten ausgelöscht werden, um einen "gesunden Volkskörper" zu schaffen. Im gesamten Reichsgebiet und den besetzten Gebieten in Frankreich, Polen und der Sowjetunion werden bis Kriegsende im Rahmen sämtlicher Euthanasie-Maßnahmen etwa 260.000 Menschen ermordet, mindestens 5.000 der Opfer sind Kinder. (...) MfG Robert Hottua, Gründer der LGSP, 2004