IranAmnesty: Steigende Opferzahl bei systemkritischen Protesten gegen Mullah-Regime

Iran / Amnesty: Steigende Opferzahl bei systemkritischen Protesten gegen Mullah-Regime
Ein mutmaßlich weiteres Opfer des iranischen Repressionsapparates, die erst 17-jährige Nika Shakarami Foto: AFP

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Die Zahl der Todesopfer bei den Protesten im Iran scheint höher als bislang bekannt. Amnesty spricht von einer brutalen Niederschlagung einer Demonstration im Südosten. Die US-Regierung reagiert auf die Polizeigewalt mit weiteren Sanktionen.

Bei den systemkritischen Protesten im Iran steigt die Zahl der Todesopfer weiter. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International teilte am Donnerstag mit, alleine im Südosten des Landes seien bei der Niederschlagung von Protesten 82 Menschen von Sicherheitskräften getötet worden, darunter Kinder. Ein Großteil sei am vergangenen Freitag ums Leben gekommen. Sicherheitskräfte hätten in der Stadt Sadehan nach dem Freitagsgebet mit scharfer Munition und Tränengas auf Demonstranten, Umstehende und Gläubige geschossen. Als Reaktion auf das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte verhängte die US-Regierung weitere Sanktionen gegen Vertreter der iranischen Führung.

Zuvor hatte Amnesty International bereits landesweit 52 Todesopfer dokumentiert – damit liegt die Gesamtzahl der von der Organisation erfassten Opfer seit Beginn der Proteste im September bei mehr als 130. Die iranische Regierung gibt keine Opferzahlen mehr bekannt und hatte auch von Toten aufseiten der Sicherheitskräfte gesprochen. Die Organisation Iran Human Rights mit Sitz in New York warf den Behörden unterdessen ein gezieltes Vorgehen gegen Aktivisten vor – mehr als 90 Akteure der Zivilgesellschaft seien unter den mehr als 1.000 Menschen, die seit Beginn der Proteste Mitte September festgenommen wurden. Darunter seien Journalisten, Filmemacher und Frauenrechtsaktivistinnen. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Auslöser der Demonstrationen im Iran ist der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini Mitte September. Die Sittenpolizei hatte sie wegen ihres angeblich „unislamischen Outfits“ festgenommen. Sie fiel ins Koma und starb am 16. September im Krankenhaus. Die Polizei weist zurück, Gewalt angewendet zu haben.

EU-Parlament fordert Untersuchung

Die iranische Führung hat als Reaktion auf die Proteste das Internet stark eingeschränkt und weiter ein hartes Vorgehen gegen Demonstranten angekündigt. Von den US-Sanktionen betroffen sind nach Angaben des Finanzministeriums in Washington sieben ranghohe Mitglieder der Regierung und des Sicherheitsapparates im Iran. Darunter seien die Minister für Inneres und Kommunikation. Die Sanktionen würden wegen anhaltender Gewalt gegen friedliche Demonstranten und wegen der Sperrung des iranischen Internetzugangs verhängt. Etwaige Vermögenswerte der Betroffenen in den USA werden eingefroren. Geschäfte mit ihnen werden für US-Bürger untersagt.

Das Europaparlament verurteilte das Vorgehen der iranischen Sicherheitskräfte und forderte in einer Resolution Strafen für die „Mörder“ Aminis. Die Abgeordneten forderten zudem, eine unparteiische Untersuchung des Todes von Amini und der Vorwürfe von Folter und Misshandlung durch eine unabhängige Stelle zuzulassen.

Neben dem Tod Aminis führt inzwischen ein anderer ungeklärter Todesfall zu Aufregung im Iran: Die Leiche der 17-jährigen Nika Shakarami war vergangene Woche nach Polizeiangaben an einem Gebäude in Teheran gefunden worden – seitdem gibt es widersprüchliche Aussagen über ihren Tod. Familienmitglieder erhoben Vorwürfe, die junge Frau sei vom Geheimdienst verhaftet und getötet worden. Die Polizei erklärte dagegen laut Nachrichtenagentur Tahsim, Shakarami sei von einem Hochhaus gestürzt und ihre Leiche erst am nächsten Tag von den Nachbarn entdeckt worden. (dpa)