EditorialWarum ein Handwerker-Hof die bessere Lösung für Esch gewesen wäre

Editorial / Warum ein Handwerker-Hof die bessere Lösung für Esch gewesen wäre
So hatten sich die Escher Betriebe den Handwerker-Hof am Rande der Autobahn vorgestellt Illustration: Escher Betriber

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Mit der Erschließung der Industriebrachen „Terres Rouges“ und „Metzeschmelz“ steuert Esch auf 50.000 Einwohner zu. Modern, nachhaltig und natürlich dem Klimawandel angepasst sollen die neuen Stadtviertel sein und Esch somit zum Vorbild für die Städteplanung der Zukunft machen. Das sollte auch Belval, das bis jetzt ambitionierteste städtebauliche Entwicklungsvorhaben auf einer Industriebrache in Europa. Das Vorhaben ist nur halbwegs geglückt, um es einmal wohlwollend auszudrücken. Denn Belval ist zuallererst einmal steril und kalt, ein eher menschenfeindliches Umfeld aus Beton. 

Und es erfüllt die Ansprüche einer zeitgemäßen Städteplanung nicht. Das moniert zum Beispiel der Zusammenschluss der kleinen und mittleren Unternehmen (PME) aus Esch. Rund 200 von ihnen haben sich unter dem Namen „Escher Betriber“ verbündet, um ihrer Stimme mehr Gewicht zu verleihen. Bis jetzt allerdings vergebens. Sie schufen nach dem Vorbild des Differdinger Creative Hub 1535° ein innovatives Projekt, den „Handwierkerhaff“. Das auch und vor allem, weil sie in Esch mit einem schwerwiegenden Problem konfrontiert sind: Platzmangel. Da die PME weder bei der Entwicklung von Belval noch auf „Terres Rouges“ berücksichtigt wurden, meldeten die Escher Betriebe ihr Interesse am Grundstück der ehemaligen Twinerg-Anlage an. Wie es scheint, zu spät.   

Dabei ist es das Ziel moderner Städteplaner, dass die Menschen unweit von ihrem Wohnort arbeiten können. Gerade für eine Stadt wie Esch mit ihrer Sozialstruktur wäre es unter diesem Blickwinkel wichtig, die Arbeitsplätze der Handwerksbetriebe zu erhalten. Doch der Platzmangel könnte das verhindern, zumal Handwerksbetriebe nicht mit der Industrie oder dem Dienstleistungssektor mithalten können, wenn es um den Kauf von Grundstücken geht. Genau genommen bleiben für expansionswillige Unternehmen in Esch nur noch der „Crassier Terres Rouges“ und die „Metzeschmelz“. Dabei handelt es sich jedoch um mittelfristige Projekte, gebraucht wird eine kurzfristige Lösung, um die Abwanderung weiterer Betriebe aus Esch zu verhindern. 

Umso bedauerlicher ist die Entscheidung des Wirtschaftsministeriums, die frei gewordene Fläche der früheren Twinerg weiter industriell nutzen zu wollen. Der belgische Landmaschinenhersteller Joskin bekam den Zuschlag und wird seine Fabrik neben der Autobahn errichten. Rund 100 Menschen sollen hier einmal arbeiten. Im Gegensatz zum Handwerk werden die Arbeitsplätze in der Industrie fast ausschließlich durch Grenzgänger besetzt. Mag sein, dass die Ansiedlung von Joskin nach dem Fage-Fiasko ein wichtiges Zeichen für den Industriestandort Luxemburg ist, in puncto Nachhaltigkeit ist die Entscheidung aber ganz sicher ein Fehler. 

Und den Eschern dürfte sie auch nicht gefallen, obwohl sie in Anbetracht ihrer industriellen Vergangenheit so manches gewohnt sind. Fährt man in Zukunft über Raemerich in Richtung Zentrum, dann besteht die Ortseinfahrt aus einer Traktorenfabrik, einer „Fourrière“ und dem ArcelorMittal-Stahlwerk. 

Grober J-P.
6. Oktober 2022 - 9.08

"Im Gegensatz zum Handwerk werden die Arbeitsplätze in der Industrie fast ausschließlich durch Grenzgänger besetzt." Und warum wohl?