InterviewWas uns einzigartig macht: Juleen Zierath über Pääbos nobelpreiswürdige Erkenntnisse

Interview / Was uns einzigartig macht: Juleen Zierath über Pääbos nobelpreiswürdige Erkenntnisse
Die amerikanisch-schwedische Wissenschaftlerin Juleen Zierath ist Professorin am Stockholmer Karolinska-Institut. Sie ist Mitglied der Nobelversammlung des Instituts, das alljährlich die Preisträger in der Nobelpreis-Kategorie Physiologie oder Medizin kürt. Foto: Steffen Trumpf/dpa

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Der moderne Mensch hängt mit dem Neandertaler zusammen und hat ihn zugleich abgehängt. Auf dem Weg, die menschliche Evolution besser zu verstehen, hat der Schwede Svante Pääbo kostbare Arbeit geleistet. Eine Expertin erklärt, was seine Forschung so besonders macht.

Was macht den Homo sapiens so besonders und was hebt ihn vom Neandertaler ab? Diese Fragen begleiten die Menschheit schon lange. Einer, der Antworten gefunden hat, ist Svante Pääbo. Der Schwede wird dafür nun mit dem Medizin-Nobelpreis geehrt. Was er vor allem an deutschen Standorten herausgefunden hat und warum es kein Problem für die schwedische Vergabe-Institution ist, einen Schweden zu küren, das erklärt die Professorin Juleen Zierath vom Karolinska-Institut in Stockholm.

Warum ist es an der Zeit gewesen für einen Nobelpreis für Svante Pääbo?

Juleen Zierath: Er hat wirklich einige außergewöhnliche Entdeckungen in Bezug auf die Genome ausgestorbener Hominine gemacht. Diese hängen mit unserem Verständnis der menschlichen Evolution zusammen. Wir freuen uns, ihm in diesem Jahr den Preis für seine langjährige Arbeit auf diesem Gebiet zu verleihen. Er arbeitet seit über 35 Jahren daran.

Was sind denn ausgestorbene Hominine?

Unsere nächsten Verwandten. Svante Pääbo ist in der Lage gewesen, den DNA-Code von Neandertalern zu sequenzieren, und er hat auch eine neue menschliche Form identifiziert, den Denisova-Menschen. Was er zeigen konnte, war, dass die Denisova-Menschen und die Neandertaler Hunderttausende von Jahren in Europa lebten, bevor der Homo sapiens jemals dort war. Als wir als Homo sapiens aus Afrika auszogen, vermischten wir uns im Nahen Osten mit Neandertalern und bekamen Nachkommen. Wir tragen einen Teil der DNA der Neandertaler in uns.

Warum ist das für uns heute wichtig?

Die Frage, woher wir kommen und wie wir uns entwickelt haben, beschäftigt die Menschen seit wir denken können. Das ist auch eine wirklich große Frage: Was macht uns einzigartig? Durch das Verständnis der Genome unserer nächsten Verwandten – der Neandertaler und Denisova-Menschen – können wir besser verstehen, was uns denn einzigartig macht. Die Neandertaler hatten Werkzeuge, sie lebten in Gruppen, sie machten auch Kunst. Aber sie haben sich während dieser Zeit, in der sie in Europa lebten, nicht so sehr entwickelt. Wir als Homo sapiens hingegen entwickelten größere Gemeinschaften, wir waren Reisende, entwickelten figurative Kunst und erkundeten die Welt, reisten über das Wasser und wagten uns an andere Horizonte. Was uns von unseren nächsten Verwandten unterscheidet, muss in unseren Genen liegen.

Der Nobelpreis geht in diesem Jahr an einen Schweden. Ist es schwierig für eine in Stockholm ansässige Institution, den Preis an jemanden aus dem eigenen Land zu vergeben?

Nein, ich würde nicht sagen, dass das schwierig ist, eine schwedische Person auszuzeichnen. Ich persönlich habe nicht das Gefühl, dass wir eine größere oder kleinere Herausforderung haben, wenn es ein Schwede ist. Es ist ein Wissenschaftler. Und tatsächlich wurde der Großteil seiner preisgekrönten Arbeit außerhalb Schwedens gemacht – in Deutschland, an der Universität in München und am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig. (dpa)