GroßbritannienPremierministerin Liz Truss steckt in großen Schwierigkeiten

Großbritannien / Premierministerin Liz Truss steckt in großen Schwierigkeiten
Die britische Premierministerin Liz Truss und ihr Finanzminister Kwasi Kwarteng sind vergnügt dabei, die britische Wirtschaft einzureißen Foto: Dylan Martinez/Pool/AFP

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Nach etwas mehr als drei Wochen im Amt hat die neue britische Premierministerin Liz Truss eine erstaunliche Bilanz vorzuweisen: den Tod eines Monarchen, einen historischen Kursabsturz des Pfund Sterlings und eine ausgewachsene Krise der Staatsfinanzen. Jetzt kommen dazu die schlechtesten Umfrageergebnisse, die die Konservativen je hatten.

Die Regierungspartei liegt in einer Meinungserhebung des Instituts YouGov ganze 33 Prozent hinter der Oppositionspartei Labour, historisch ist gar kein Ausdruck für diesen Fall in der öffentlichen Zustimmung. Innerhalb der Fraktion ist schon die Rede von einem Fenstersturz. Am 25. Tag ihrer Amtszeit steckt Liz Truss in großen Schwierigkeiten. Das Politmagazin Economist zeigte sie in einem sinkenden Ruderboot und titelt: „Wie man ein Land nicht führt.“

Das Pfund hatte seine Talfahrt schon begonnen, bevor Finanzminister Kwasi Kwarteng am letzten Freitag die größten Steuersenkungen der letzten 50 Jahre verkündete. Immerhin hatten die Finanzmärkte etwas in dieser Richtung erwartet, nachdem Liz Truss im Wahlkampf um den Parteivorsitz ihre marktliberalen Absichten betont und versprochen hatte, die Abgabenlast senken zu wollen. Doch dass die Pläne dann so radikal ausfallen sollten, kam überraschend: Die geplante Erhöhung der Körperschaftssteuer wurde ebenso gestrichen wie die Erhöhung der Sozialversicherungsabgabe. Bei der Einkommenssteuer entfiel die höchste Steuerklasse von 45 Prozent ersatzlos. Zudem gab es Lockerungen bei der Grunderwerbssteuer und die Obergrenze für Banker-Boni wurde gestrichen. Das Paket belief sich auf Steuer-Mindereinnahmen von 45 Milliarden Pfund, zusätzlich zu einem Entlastungspaket für die Verbraucher bei den Energiekosten, das mit 60 Milliarden Pfund zu Buche schlug. Gegenfinanziert waren die Pläne nicht, stattdessen will man neue Schulden aufnehmen.

Die Reaktion der Finanzmärkte kam postwendend: Das Pfund ging auf weitere Talfahrt und die Kosten für die staatliche Kreditaufnahme schossen in die Höhe, weil massenhaft britische Staatsanleihen abgestoßen wurden und dadurch deren Zinsen stiegen. Die Zentralbank „Bank of England“ (BoE) musste am Mittwoch mit Stützungskäufen im Volumen von 65 Milliarden Pfund intervenieren, um eine Katastrophe abzuwenden. Der Immobilienmarkt geriet in Turbulenzen, nachdem die Banken seit Montag rund 1.200 Hypotheken-Angebote zurückgezogen haben. Sie sind beunruhigt, dass die Hypothekenzinsen kräftig steigen werden, denn es wird erwartet, dass die BoE den Leitzins anheben muss, um die Inflation zu bekämpfen, die neben anderen Faktoren gerade auch durch die Steuersenkungspläne der Regierung angefacht wird. Damit ziehen Zentralbank und Regierung in entgegengesetzte Richtung, wie der frühere BoE-Präsident Mark Carney kritisch anmerkte.

Regierung hat ihre „Reputation geschreddert“

Während die Briten fassungslos das chaotische Geschehen an den Finanzmärkten verfolgten, hielt sich Liz Truss im Hintergrund. Erst am Donnerstag meldete die Premierministerin sich in einer Reihe von Radio-Interviews zurück, in denen sie hartnäckig an ihrem Kurs festhielt. „Wir haben genau den richtigen Plan“, sagte sie und schloss eine Kehrtwende aus. Damit geht Liz Truss massiv ins Risiko: Sie wettet darauf, dass die Steuersenkungen, von denen im übrigen am meisten die Bessergestellten profitieren, sich durch ein Wirtschaftswachstum finanzieren lassen. Der Schönheitsfehler an dieser Rechnung ist, dass Großbritannien nach Ansicht der BoE schon jetzt in einer Rezession steckt.

Am Sonntag beginnt der Parteitag der Konservativen in Manchester und er könnte kaum unter einem unglücklicheren Stern stehen. Der Ruf für wirtschaftliche Kompetenz ist gründlich ruiniert. Dazu kommt, dass der marktliberale Kurs die ideologischen Differenzen zwischen Konservativen und Labour grell zutage treten lässt. Die Bürger lehnen die Radikalität von Truss ab, wie sämtliche 26 Meinungsumfragen zeigen, die seit ihrem Amtsantritt erhoben wurden. Der Economist fasste die Bilanz nach 25 Tagen so zusammen: „In ihren ersten Wochen hat die neue Regierung ihre Reputation geschreddert, zu den Zinskosten beigetragen, eine höhere Inflation ausgelöst und es schwerer gemacht, Wachstum zu erreichen. Man mag sich nicht vorstellen, was sie in einem Monat oder zwei anrichten kann.“