EditorialMosars Tweets und was es alles so zu durchschauen gibt – über Gratwanderungen von Politikern im Netz

Editorial / Mosars Tweets und was es alles so zu durchschauen gibt – über Gratwanderungen von Politikern im Netz
Laurent Mosar beschreibt sich als Politiker der klaren Worte. Nach einem Beitrag auf Twitter sah er sich nun dem Vorwurf ausgesetzt, Faschisten weniger schlimm als Grüne zu finden – Mosar findet das eigenen Aussagen nach nicht, der Schaden ist trotzdem angerichtet. Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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„Im Gegensatz zu Deutschland spielen in Schweden und Italien Grüne keine Rolle. Die Menschen haben dort wohl die Grünen durchschaut“, postete der CSV-Abgeordnete Laurent Mosar am Montag auf Twitter – und verbrachte dann die kommenden Stunden damit, jenen Schwachsinn wieder einzufangen, der klingt, als könne er auch vom Twitter-Account eines rechtspopulistischen Trolls stammen.

Wirklich überraschend kam der Beitrag nicht. Mosar ballert nicht nur auf Twitter vorzugsweise gegen Grün. Das kann man selbstverständlich machen, auch grüne Politik soll kritisiert werden, einige Grenzen sollten aber eingehalten werden. 

Nachdem mehrere Twitter-Nutzer den Luxemburger Abgeordneten darauf hingewiesen hatten, er impliziere da gerade, dass es schlimmer sei, Grüne in einer Regierung zu haben als Rechtsextreme und Postfaschisten, wie es nach den jüngsten Wahlen in Schweden und Italien bald der Fall sein wird, ruderte Mosar schnell zurück. Auf Tageblatt-Nachfrage hin sagte Mosar, er stehe zu diesem wie zu allen seinen Tweets. Die Politik einer Giorgia Meloni aber lehne er rigoros ab, so wie er es auch schon auf Twitter klargestellt hatte. Das sei alles nicht so gemeint gewesen, sagte Mosar. 

Am Tag nach besagtem Beitrag twitterte der CSV-Abgeordnete die an den deutschen CSU-Politiker Manfred Weber gerichtete Frage, ob Silvio Berlusconis Forza Italia in der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) bleiben könne, wenn er jetzt mit Giorgia Melonis Fratelli d’Italia koalieren würde. Wer weiß, wie sehr sich Weber als EVP-Chef im Italien-Wahlkampf für Berlusconi in die Waagschale geworfen hat und wie sehr Weber und Mosar sich eher am rechten als am linken Rand der Christlichsozialen befinden, weiß auch, dass das eine rhetorische Frage war. Mosar weiß beides und die Antwort ist sehr wahrscheinlich Ja.

Obwohl die Angelegenheit im Vergleich zu den vulgären Online-Schimpftiraden eines CSV-Gemeinderats gegen die grüne Jugend gravierender erscheinen könnte, weil Mosar schließlich Abgeordneter ist, blieb der Aufschrei aus; besagter CSV-Gemeinderat wurde flugs aus der CSV ausgeschlossen und schloss sich dann ebenso flugs der ADR an. Erstens scheint die Narrenfreiheit für Amtsträger auf Twitter wegen der (noch) geringen Reichweite in Luxemburg größer zu sein als zum Beispiel auf Facebook. Zweitens war es halt ein Mosar, wie man ihn kennt, ein Scharnier-Politiker, der zwar auch mal gegen die ADR austeilt, aber ebenso immer wieder mit Äußerungen an der Grenze zwischen Konservativen und Rechten navigiert – und eine gute Nase dafür hat, wo sich noch Sympathien beziehungsweise Wählerstimmen mobilisieren lassen, wie er sich auch nicht zu schade ist, diese Karte auch dort zu spielen, wo andere Anstand wahren und Abstand halten. 

In Luxemburgs sozialen Medien kriegen alle Parteien ihr Fett ab, am meisten Hass aber entlädt sich derzeit an den Grünen. Hier, bei den erklärten Feinden von „Linksgrünversifft“, scheint Mosar ein Stimmenreservoir zu orten, das er sich nicht entgehen lassen will. Doch Mosar ist ein gestandener Abgeordneter und erfahrener Politiker mit viel Fachwissen im Finanzbereich, den jeder für gewieft und niemand für naiv hält. Virtueller Hass aber, auch jener gegen Politiker, ist ein echtes Problem. Wer als Verantwortungsträger immer wieder nur pauschalisiert und alles auf einen schiebt, zündelt mit und trägt zu diesem Hass bei, auch wenn er ihn nicht selber direkt propagiert. Das sollte man durchschauen. Insbesondere dann, wenn dem Land ein Superwahljahr bevorsteht, das sich voraussichtlich in einer noch vom Krieg und den sozialen Verwerfungen sehr aufgeheizten Stimmung abspielen wird.

Verantwortungsvolle Politiker sollten nicht in diesem trüben Teich um Stimmen fischen. Die Gewinner sind selten jene, die es trotzdem machen, sondern die radikale Rechte, die dadurch noch salonfähiger wird.

Undine
1. Oktober 2022 - 22.45

Kein Wunder, dass die abgewählt wurden.

Zeehl
30. September 2022 - 11.53

Es gibt noch eine CSV?

Grober J-P.
30. September 2022 - 11.44

"Das sei alles nicht so gemeint gewesen, sagte Mosar. " Das sagen all jene die es wirklich so gemeint haben. Ich hasse solche Politiker die es nicht so meinen wie sie sagen. Dann noch die Kirchturmgockel bei denen man nie weiss wo West oder Ost ist.

JJ
30. September 2022 - 9.55

"..eine gute Nase dafür hat, wo sich noch Sympathien beziehungsweise Wählerstimmen mobilisieren lassen, wie er sich auch nicht zu schade ist, diese Karte auch dort zu spielen, wo andere Anstand wahren und Abstand halten." Das nennt man dann wohl Populismus. Es ist eine Sache der Ehre und Integrität wenn man eben nicht die Couleur wechselt wie ein Chamäleon je nach Gefühlslage und Umgebung. Und es ist auch gefährlich wenn das Phone smarter ist als sein Besitzer,siehe Trump.Auch das sind klare Worte.

Robert Hottua
30. September 2022 - 8.13

Seit 1933 gibt es eine irreversible Salonfähigkeit im luxemburger Parlamentarismus. Sie muss wissenschaftlich aufgearbeitet und entschärft werden. MfG Robert Hottua