ChamberParlamentarier debattieren über Tripartite-Abkommen – und kritisieren engen Zeitrahmen

Chamber / Parlamentarier debattieren über Tripartite-Abkommen – und kritisieren engen Zeitrahmen
Premierminister Xavier Bettel bei der Vorstellung des Tripartite-Abkommens im Chamber-Plenum Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Eine Stunde vor Beginn der Debatten erhielten Luxemburgs Parlamentarier das Tripartite-Abkommen, das die Sozialpartner und die Regierung kurz vorher unterschrieben hatten. Das war dann auch Hauptkritikpunkt während der Debatte – inhaltliche Kritik am Abkommen gab es nur punktuell, weshalb die CSV bereits signalisierte, das Abkommen mittragen zu wollen.

Kurz nach der Unterschrift am Mittwochnachmittag stellte Premierminister Xavier Bettel (DP) das Tripartite-Abkommen im Chamber-Plenum vor und hob vor allem die außergewöhnliche Krisensituation, in der sich die Dreierrunde getroffen hatte, hervor. „Zwei große Tripartite-Runden innerhalb eines Jahres ist außergewöhnlich“, sagte Bettel. „Dass zweimal ein Abkommen zwischen den Sozialpartnern erzielt werden konnte, zeigt, dass der Sozialdialog in Luxemburg funktioniert.“ Es sei nicht immer einfach gewesen – es sei „jedoch wichtig, dass wir das zusammen geschafft haben“. Der „Solidaritéitspak 2.0“ wurde sowohl von der Unternehmervereinigung UEL wie von den Gewerkschaften OGBL, LCGB und CGFP unterschrieben. Beim ersten Tripartite-Abkommen im März hatte sich der OGBL aufgrund der Index-Modulierungen geweigert, das Abkommen zu unterschreiben.

LINK Die Details zum Tripartite-Abkommen finden Sie hier

Nach den Ausführungen des Staatsministers kommentierten die Parlamentarier das Abkommen, wobei gleich mehrere Abgeordnete monierten, dass nur wenig Zeit zwischen der Verteilung des Textes und der Debatte zur Vorbereitung war. Die Vertreter der Regierungsparteien unterstrichen selbstredend die Vorzüge des Abkommens; die Kritik der Opposition hielt sich in Grenzen und war eher formaler Natur. Dass der Sozialdialog funktioniert, dass alle Sozialpartner das Abkommen mittragen, war einer der Aspekte, der von allen Parteien positiv hervorgehoben wurde, ebenso wie die Tatsache, dass der Index ohne Abstriche weiter als Instrument zum Ausgleich der Preissteigerungen funktioniert.

Gilles Roth, Fraktionssprecher der CSV, betonte, seine Partei stehe zu Tripartite und Index, trage das Abkommen denn auch mit. Allerdings seien die präsentierten Zahlen zu hinterfragen. Viele Menschen, so Roth, hätten Angst und fürchteten, den Winter finanziell nicht zu schaffen. Bereits jetzt reiche das Geld bei vielen nicht, dabei würden die Preise weiter steigen und im Oktober sei zudem eine Verteuerung der Kredite zu erwarten. Die Krise treffe mittlerweile nicht nur die sozial Schwachen, sie reiche bis in die breite Mittelschicht. 

Steuern belasten Bürger zu stark

Statt die Kaufkraft der Bürger im Land zu stärken, belaste der Staat sie immer stärker mit Steuern: Während der ersten acht Monate des laufenden Jahres wurden 495 Millionen mehr Lohnsteuer von den Arbeitnehmern verlangt als im Vergleichszeitraum 2021. Schuld hieran sei vor allem die sogenannte kalte Progression. Seit 2017 habe es fünf Indextranchen gegeben, so der Abgeordnete weiter; da die Steuertabelle nicht an den Index angepasst worden sei, würden die Beschäftigten allein durch dieses Phänomen 17,5 Prozent mehr Steuern zahlen. Die CSV tritt u.a. für eine fiskale Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen ein und schlägt eine zusätzliche Tranche für Großverdiener vor. Ab 500.000 Euro sollten 45 Prozent Einkommenssteuer fällig werden. 

„Die Bürger machen sich Sorgen, wir stehen ihnen zur Seite“, so Gilles Baum, Fraktionssprecher der DP. Es sei wichtig, jetzt entsprechend zu handeln. Die Unterstützung der Betriebe sei ebenfalls notwendig, es dürfe nicht zu krisenbedingten Konkursen kommen. Im Gegensatz zu mehreren Oppositionsrednern, die der Regierung vorwarfen, das Gießkannenprinzip anzuwenden, sieht Baum eine Reihe selektiver Maßnahmen in dem Solidaritätspaket. So etwa die erhöhte Energieprämie, die ebenfalls weiterhin erhöhte Teuerungszulage und die Erhöhung des Mindestlohnes ab dem 1. Januar 2023. Baum präsentierte abschließend eine Motion der Mehrheitsparteien, in der die Regierung aufgefordert wird, die Beschlüsse der Tripartite umzusetzen. Die legislative Arbeit wird in der Tripartite-Kommission weitergeführt. Die Motion wurde zum Abschluss der Sitzung ohne Gegenstimme, bei Enthaltung der ADR und der Linken, angenommen.

LSAP-Präsident Yves Cruchten beschrieb den Teufelskreis von hohen Energiekosten, die steigende Warenpreise bedingen und somit Kaufkraftverlust der Arbeitnehmer nach sich ziehen würden. Letztere kauften weniger, die Unternehmen hätten weniger Einnahmen … Die Energiepreisdeckelung sei das richtige Mittel gegen diese inflationsbedingte Entwicklung.

„Niemand soll frieren müssen“

Cruchten betonte, es seien zahlreiche Vorschläge seiner Partei bei der Tripartite umgesetzt worden. Die LSAP habe dabei keine Parteipolitik aus dem Thema gemacht und werde dies auch künftig (im kommenden Wahljahr) nicht tun. Die beschlossenen Maßnahmen seien die richtigen – niemand solle frieren müssen. Dass die Preisdeckelung auf Gas, Strom, Heizöl und Holzpellets vom Energiesparen abhalte, glaube er nicht, dafür seien die Preise zu hoch. Der LSAP-Abgeordnete schloss mit einem Plädoyer für eine Steuerreform, die bei Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen für mehr Gerechtigkeit sorgen könnte. 

Ein Viertel der Luxemburger Haushalte sei dem Armutsrisiko ausgesetzt, so Josée Lorsché, Fraktionssprecherin von „déi gréng“. Viele Menschen könnten keine finanziellen Rücklagen für den Winter bilden. Die Krise reiche bis in die Mittelschicht, die Energiekrise dürfe dabei die sozialen Probleme nicht verschärfen. Die Maßnahmen der Tripartite seien die richtigen, allerdings müsse auch die Ursache der Energiekrise gesehen werden und diese sei die Abhängigkeit von fossilen Energien, u.a. von russischem Gas. Die Transition hin zu nachhaltigen Energien sei dringend notwendig und werde von der Regierung vorangetrieben. 

Das aktuelle Tripartite-Abkommen sei besser als das vorige, so Fernand Kartheiser (ADR), der die Frage aufwarf, was ein Prozent weniger Mehrwertsteuer bringe. Er habe sich einen mutigeren Schritt, etwa die Halbierung, erwartet. Er forderte weiter soziale Maßnahmen und den Verzicht seitens Staat und Gemeinden auf Steuererhöhungen jeglicher Art.  

Preisdeckelung für Grundbedarf

Die Zeit zum Studieren des Textes des Abkommens sei einfach zu kurz gewesen, so Myriam Cecchetti („déi Lénk“). Die Partei wolle keine „Katze im Sack“ kaufen, weshalb sie die Mehrheitsmotion nicht mittrage, sondern sich enthalte. Dass die Regierung eine eventuell anfallende dritte Indextranche den Unternehmen rückvergüten wolle, bedeute, dass die Allgemeinheit diese Lohnkosten integral übernehme. Für eine Steuerreform sei hingegen kein Geld da. Statt eines Energiepreisdeckels, der nicht selektiv sei, schlägt „déi Lénk“ eine preisliche Obergrenze für den Grundbedarf an Strom, Gas usw. vor. 

Auch Sven Clement bemängelte, dass die Abgeordneten spät Einsicht in den Text des Abkommens bekamen. Die Piraten stehen hinter dem Tripartite-Abkommen, kritisieren aber, dass zu wenig selektiv vorgegangen worden sei. Clement warf weiter die Frage auf, ob die Rechnung aufgehe, sprich, ob die genannten 1,1 Milliarden für das Paket ausreichen werden. Er erwarte sich genauere Analysen und Antworten bei der Vorstellung des Staatshaushaltes. Weiter monierte er, dass das Thema Wohnen in dem Abkommen nicht vorkomme. Innovative Ideen, wie etwa die Möglichkeit zur steuerlichen Abschreibung eines Teils der Miete, könne er sich zum Beispiel vorstellen. 

Dass die Opposition das Abkommen mitträgt und die CSV ihre Zusammenarbeit angeboten hat, interpretierte Xavier Bettel im Anschluss an die Debatte als deutliches Zeichen für den Zusammenhalt der Luxemburger Gesellschaft.