Ukraine-KriegTodesgrüße aus Teheran – Russland setzt der Ukraine mit iranischen Kamikaze-Drohnen zu

Ukraine-Krieg / Todesgrüße aus Teheran – Russland setzt der Ukraine mit iranischen Kamikaze-Drohnen zu
Dieses undatierte Foto zeigt das Wrack einer iranischen Shahed-Drohne, die in der Nähe der ukrainischen Stadt Kupiansk niederging Foto: dpa/Ukrainisches Militär

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Drohnen spielen im Ukraine-Krieg eine wichtige Rolle, ob für Raketenangriffe, den Abwurf kleinerer Bomben oder das Auskundschaften des Gegners. Seit wenigen Wochen setzt Russland auch iranische Kamikaze-Drohnen ein. Für die Ukraine ist das ein ernsthaftes Problem.

Am Freitag und Sonntag erschütterten schwere Explosionen Odessa. Das ist an sich nichts Neues im Krieg in der Ukraine, dieses Mal aber sorgten weder ballistische Raketen noch Marschflugkörper aus Russland für die Zerstörungen in der ukrainischen Hafenstadt. Nach Angaben der Ukraine flogen die Russen ihre Angriffe mit im Iran hergestellten Drohnen. „Odessa wurde erneut von feindlichen Kamikaze-Drohnen angegriffen“, teilte die ukrainische Armee am Sonntag mit. Ein Verwaltungsgebäude im Zentrum der südukrainischen Hafenstadt sei dreimal getroffen worden. Tote oder Verletzte gab es den Angaben zufolge nicht. Am Freitag waren in Odessa nach Angaben Kiews bei einem ähnlichen Angriff zwei Zivilisten getötet worden.

Es waren nicht die ersten Angriffe mit den iranischen Shahed-136-Drohnen in der Ukraine. Ukrainischen Angaben zufolge wurden zuvor bereits in der Region östlich von Charkiw und damit dort, wo die Ukraine so erfolgreich ihre Gegenoffensive gestartet hatte, mehrere Haubitzen und gepanzerte Truppentransporter zerstört. Und im August habe eine Shahed-136 ein von den Amerikanern geliefertes M777-Geschütz getroffen. Jetzt also Odessa, jene Stadt, die für die Ukraine wegen ihres Hafens von so großer Bedeutung ist.

Nur der Name ist anders

Bereits Mitte Juli hatte die US-Regierung berichtet, dass Russland Hunderte Kampfdrohnen bei seinem Verbündeten Iran bestellt habe. Im August sollen die Drohnen dann erstmals in der Ukraine zum Einsatz gekommen sein. Inzwischen bereiten sie den Ukrainern richtige Probleme. Vor rund zehn Tagen veröffentlichte das ukrainische Verteidigungsministerium erstmals Bilder von Resten der Drohne. Ähnliche Bilder waren zuvor schon auf diversen Kanälen der Onlineplattform Telegram zirkuliert. Die Russen haben die Drohne demzufolge mit dem Namen Geran-2 versehen, doch eine Untersuchung der Bauteile beseitigte auch die letzten Zweifel – es waren die iranischen Shahed-136-Drohnen.

Der österreichische Militärhistoriker Markus Reisner erklärte kürzlich im Fachmagazin Zenith einige der Tücken der iranischen Kamikaze-Drohne. Demnach kann die Shahed-136 bis zu 2.500 Kilometer weit fliegen, um sich dann mit Sprengstoff beladen auf ihr Ziel zu stürzen. Im Experten-Jargon spricht man bei Kamikaze-Drohnen von sogenannter „Loitering Munition“, also einer Waffe, die herumlungert, die warten kann und sich dann bei der richtigen Gelegenheit ihrem Ziel widmet. Die Shahed-136 gilt dabei wegen ihrer recht geringen Dimensionen – sie ist rund 3,5 Meter lang und hat eine Flügelspannbreite von 2,5 Metern – als sehr kompakt und wendig, was die Abwehr der Drohnen erschwert.

Neu ist der Einsatz der Drohnen nicht, wie Militärexperte Reisner in seinem Artikel aufzeichnet. So sei der Angriff auf einen Öltanker im Golf von Oman Mitte 2021 mit einer Shahed-136 geflogen worden. Auch der Beschuss von Erdölanlagen des saudischen Konzerns Aramco vor einem halben Jahr, der wegen der Nähe zu einer Formel-1-Rennstrecke weltweite Beachtung fand, sei auf die Shahed-136 zurückzuführen. In Fachkreisen habe das, so Reisner, der iranischen Drohne den Beinamen „Aramco-Killer“ eingebracht. Auch im Jemen-Konflikt sei die Waffe eingesetzt worden.

Starten im „Doppelpack“

Reisner zufolge setzt Russland die Drohne in Kombination mit elektronischer Kriegsführung – also der Störung der ukrainischen Radar- und Abwehrsysteme – äußerst effektiv ein. So war die aserbaidschanische Armee bereits im Karabach-Krieg vom Herbst 2020 erfolgreich vorgegangen. Immer öfter würden die Russen die iranischen Drohnen auch im „Doppelpack“ starten lassen, wobei die erste Drohne sich auf Radargeräte stürze und die zweite dann anderes Kriegsgerät der Ukraine angreife. Ein weiteres Problem der Ukraine besteht darin, dass der Iran trotz aller Sanktionen offenbar über sehr viele dieser fliegenden Killer verfügt, was zukünftige Lieferungen an Moskau wahrscheinlicher macht.

Die Ukraine will nun einerseits dem iranischen Botschafter die Akkreditierung entziehen und die Zahl des diplomatischen Personals der iranischen Botschaft in Kiew deutlich reduzieren. Das ukrainische Außenministerium nannte die iranischen Waffenlieferungen einen „feindseligen Akt, der den Beziehungen zwischen der Ukraine und dem Iran schweren Schaden zufügt“. Um sich besser schützen zu können, hat die Ukraine bei den Amerikanern um Lieferungen moderner Anti-Drohnen-Technologie angefragt. Laut Reisner brauche Kiew eine „potente Fliegerabwehr, die kleine Radarquerschnitte erkennen kann“. Bis diese eintrifft, werden die Shahed-136 für die Ukraine ein maßgebliches Problem bleiben. Russland sei, so Reisner, „durch den Einsatz der iranischen Drohnen in der Lage, seinen strategischen Abnutzungskrieg gegen die Ukraine fortzuführen oder gar noch zu intensivieren“.