FinanzenBei einer hohen Inflationsrate gibt es nicht nur Verlierer

Finanzen / Bei einer hohen Inflationsrate gibt es nicht nur Verlierer
Während einer Inflation verlieren Schulden genauso an Wert wie das Geld selber Foto: Reuters/Clodagh Kilcoyne

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Hohe Inflationsraten sind für die Verbraucher und für Unternehmer eine Qual. Aus Sicht von Regierungen ist die Lage jedoch nicht so eindeutig: Mit höheren Preisen steigen ganz automatisch auch die Steuereinnahmen. Gleichzeitig drückt eine hohe Inflationsrate die nationalen Verschuldungsquoten nach unten.

Dass eine hohe Inflationsrate (Preise, die schnell steigen) schlecht für die Wirtschaft ist, ist unumstritten. Um mit den Schwierigkeiten für Unternehmen zu beginnen: Im Normalfall sind steigende Preise ein Hinweis darauf, dass es für das betreffende Produkt eine hohe Nachfrage gibt. Der Unternehmer kann dann investieren und seine Produktion ausbauen. In Zeiten einer hohen Inflationsrate ist das jedoch nicht mehr der Fall: Wegen der Ungewissheit und der Unsicherheit wird der Unternehmer daher vorsichtig bleiben und eher nicht investieren. Das ist schlecht für das Wachstum der Betriebe – und somit auch für den Wohlstand des betreffenden Landes.

Hinzu kommen für die Unternehmen die direkten finanziellen Folgen: Wenn die Kosten dessen steigen, was für die Produktion benötigt wird, dann wird der Unternehmer (sofern möglich) früher oder später seine Preise erhöhen müssen. Das wiederum schadet der Wettbewerbsfähigkeit der Firma und droht die Nachfrage nach dem hergestellten Produkt zu dämpfen. Für die Wirtschaftsleistung eines Landes kann das Folgen haben.

Die Entwicklung der Inflationsrate in der Eurozone
Die Entwicklung der Inflationsrate in der Eurozone Quelle: Eurostat

Deutlich härter getroffen als die Firmen werden jedoch diejenigen, die ein festes Einkommen erhalten. Im Gegensatz zu den Unternehmen haben sie nicht die Möglichkeit, die Preissteigerungen an jemanden weiterzugeben. Sofern sie keine Entschädigung erhalten, werden sie sich einfach Monat für Monat, mit ihrem Gehalt oder ihrer Rente, weniger leisten können.

Dabei sind es mittlerweile nicht mehr nur Gering-, sondern auch Normalverdiener, die die Preissteigerungen in ihren Geldbeuteln spüren. Immer mehr Menschen schauen beim Einkaufen auf die Preisschilder. Oder stellen Überlegungen an, ob sie sich den nächsten Urlaub noch leisten können. Das eingebrochene Verbrauchervertrauen spricht Bände.

Weiter verschärft wird die Situation dadurch, dass Geld, das auf Sparkonten liegt, mit den steil gestiegenen Inflationsraten nun noch schneller an Wert verliert als in der Zeit der Niedrigzinsen. Die rezenten Erhöhungen der Leitzinsen sind deutlich geringer als die Preissteigerungsrate. Gleichzeitig werden Haushalte (und Unternehmen), die Kreditnehmer (mit einem variablen Zinssatz) sind, hart getroffen. Sie müssen nicht nur mehr für Energie zahlen, auch ihre Kredit-Rückzahlungen schwellen an.

Der daraus folgende Kaufkraftverlust drückt den Konsum und ist somit ebenfalls schlecht für das Wirtschaftswachstum – und für den Wohlstand des betreffenden Landes.

Eine versteckte Umverteilung

Doch wie so oft bei wirtschaftlichen Entwicklungen gibt es auch bei hohen Inflationsraten nicht nur Verlierer. Es gibt auch Gewinner. Und das wären vor allem große Schuldner, die viel Geld zu festen Zinssätzen geliehen haben, etwa Staaten. Steigt nämlich die Inflation, dann sinkt der reale Wert von Schulden. Obwohl der nominale Wert gleich bleibt, lassen sich die Schulden auf diese Weise wegschrumpfen.

In der Eurozone hilft die hohe Inflationsrate den hoch verschuldeten Staaten bereits heute beim Verbessern ihrer Schuldenquote. Als Anteil der Wirtschaftsleistung (BIP) ist die Verschuldungsquote im Währungsraum zwischen März 2021 und März 2022 bereits um deutliche 4,4 Prozent auf 95,6 Prozent zurückgegangen.

Dabei wurden keine Schulden abgebaut. Im Gegenteil: Die Staaten haben sich 554 zusätzliche Milliarden geliehen. Nur hat das Zusammenspiel von etwas Wirtschaftswachstum mit viel Geldentwertung das nominale BIP derart ansteigen lassen, dass die Summe der Schulden – relativ gesehen – geschrumpft ist. Für Europas Volkswirtschaften ist die hohe Inflation demnach nicht nur ein Risiko. Sie kann sogar als Chance für manch überschuldetes Land angesehen werden.

Inflation bringt steigende Steuereinnahmen

Hinzu kommt, dass auch die Einnahmen des Staates durch die hohen Preise, solange es nicht zu einer heftigen Rezession kommt, nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Bereits Anfang Juni hatte Statec erklärt, dass zwei wichtige Steuerquellen, die Mehrwertsteuer und die Steuern auf den Einkommen der Haushalte, zusammen mit den steigenden Preisen praktisch automatisch in die Höhe getrieben werden. Auch wenn neue Indextranchen zusätzliche Ausgaben bedeuten, so erklärte sich Statec, was die Staatsfinanzen angeht „zuversichtlich für die Jahre 2022 und 2023“, so die Statistiker damals. Die Inflation dürfte automatisch für höhere Steuereinnahmen sorgen.

Bereits in den ersten sechs Monaten des Jahres haben sich die Einnahmen des Luxemburger Staates überaus gut entwickelt. Vor allem die gute Entwicklung des Arbeitsmarktes hat zu einem deutlichen Anstieg der Steuern auf Löhne und Gehälter geführt. Insgesamt handelt es sich um ein Plus von fast 445 Millionen Euro (oder 18,1 Prozent), auf über 2,9 Milliarden Euro. Auch sehr gut entwickelt haben sich die Einkünfte aus der Mehrwertsteuer: ein Plus von 200 Millionen auf 2,5 Milliarden Euro.

Weiterführende Lektüre:

Auch in Zeiten des Booms steigen in Europa die Schulden: Ende 2021 waren es 675 Milliarden mehr als vor einem Jahr

Die Mittelschicht schrumpft – in Luxemburg noch schneller als in Deutschland

MarcL
26. September 2022 - 13.02

Es ist nicht allein die gute Entwicklung des Arbeitsmarktes die zum Anstieg der Staatseinnahmen durch Steuern auf Löhnen und Gehältern führte. Man darf nicht vergessen, dass es auch die verdeckten Steuererhöhungen durch Nichtanpassung der Steuertabelle an die Teuerungsrate sind und waren. Aber auf diesem Ohr scheint unsere Finanzministerin taub zu sein.