Dritter VerhandlungstagHabemus Tripartite-Abkommen: Sozialpartner einigen sich kurz vor Mitternacht

Dritter Verhandlungstag / Habemus Tripartite-Abkommen: Sozialpartner einigen sich kurz vor Mitternacht
 Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Kein weißer Rauch, aber erleichterte Gesichter waren am späten Dienstagabend auf Schloss Senningen zu sehen. Nachdem ein am Montag schon fast sicher geglaubter Deal noch zu platzen gedroht hatte, kamen Regierung, Gewerkschaften und Patronatsvertreter am Dienstagabend auf einen gemeinsamen Nenner. „Wir haben eine grundsätzliche Einigung erzielt“, sagte ein sichtlich erleichterter Xavier Bettel nach Verhandlungsende.

Regierung, Patronat und Gewerkschaften konnten sich bei der Herbst-Tripartite nach insgesamt 30 Diskussionsstunden auf einen Maßnahmenkatalog einigen. Das verkündete Premierminister Xavier Bettel (DP) am späten Dienstagabend vor der Presse. „Ich freue mich mitteilen zu können, dass wir eine grundsätzliche Einigung gefunden haben“, sagte der DP-Politiker nach Verhandlungsende auf einer Pressekonferenz. Diese müsse noch von den einzelnen Verbänden abgesegnet werden. „Es ist wichtig, dass wir die Tripartite auch in schwierigen Zeiten noch gemeinsam beenden können.“ Der Sozialdialog sei nicht immer einfach – aber er funktioniere. Am Mittwoch kommender Woche soll das Tripartite-Abkommen von den drei Parteien unterschrieben werden.

„Wir werden den Bürger bei der Strom-, Gas- und Heizöl-Rechnung unterstützen“, stellte Bettel die Maßnahmen vor. „Damit stellen wir sicher, dass die angekündigten Preiserhöhungen ab Oktober zurückgenommen werden können.“ Diese Maßnahme würde also bereits für die für Oktober angekündigten Preiserhöhungen gelten und so auf die Inflation einwirken, dass nur eine weitere Indextranche fallen soll – im Februar 2023. Diese soll regulär ausbezahlt werden, die verschobene Indextranche aus dem Jahr 2022 soll wie geplant im April ausbezahlt werden. Falls eine dritte Indextranche fällig werden sollte, wird sich die Tripartite wieder auf Schloss Senningen zusammenfinden. „Wir investieren mit dem Maßnahmenpaket eine Milliarde Euro, die den Bürgern und der Wirtschaft zugutekommt“, bezifferte Bettel die Summe des vorgeschlagenen Maßnahmenpaketes.

„Anti-Inflationspakt“

Finanzministerin Yuriko Backes (DP) beschrieb das Abkommen als Anti-Inflationspakt. „Wir bremsen die Energiepreise und somit die Inflation“, sagte sie. Mit den Maßnahmen soll die Inflation um 4 Prozentpunkte auf 2,2 Prozent gedrückt werden. „Die Mehrwertsteuer wird flächendeckend um einen Prozentpunkt gesenkt“, sagte Backes. „Damit nehmen wir der Inflation den Wind aus den Segeln.“ Backes kündigte zudem an, dass die Energieprämie und die Teuerungszulage um ein Jahr verlängert werden sollen. Auch soll die Subvention auf Heizöl auf 15 Cent pro Liter angehoben werden und für das Jahr 2023 verlängert werden. Kleinen und mittleren Betrieben werden Energiehilfen in Höhe von 150 Millionen Euro in Aussicht gestellt, die bei maximal 400.000 Euro pro Betrieb gedeckelt werden sollen. Auch sollen Betriebe durch Steuerbonifikationen bei Investitionen in erneuerbare Energien und Digitalisierungsprojekte unterstützt werden.

Energieminister Claude Turmes („déi gréng“) erklärte, dass die Preiserhöhungen bei Gas auf maximal 15 Prozent gedeckelt werden – der Strompreis soll hingegen komplett eingefroren werden. „Ich bedanke mich bei den Gasversorgern, dass diese auch bei den Vorauszahlungen die Preiserhöhung bei einem 15-prozentigen Anstieg deckeln, selbst wenn das entsprechende Gesetz Anfang Oktober noch nicht in Kraft ist“, sagte Turmes. Das würde ein enormes Vertrauensverhältnis voraussetzen. „Das wird ein harter Winter, besonders bei der Gasversorgung.“ Es sei weiterhin wichtig, die von der Europäischen Kommission vorgegebenen 15 Prozent einzusparen.

Auch der OGBL, der das Abkommen im März nicht unterschrieben hatte, zeigte sich mit dem Verhandlungsergebnis zufrieden. „Wir stehen hier nach langen, nicht immer einfachen Diskussionen“, sagte OGBL-Präsidentin Nora Back am Ende von drei Verhandlungstagen. „Die Tripartite hat ihren Zweck als Anti-Kriseninstrument erfüllt.“ Wichtig sei vor allem, dass der Indexmechanismus bestehen bleibe. „Das ist die Grundlage dafür, dass der OGBL diese grundsätzliche Einigung mittragen kann“, so Back. Eine Forderung der Gewerkschaften sei zudem die Deckelung der Preise bei Alters- und Pflegeheimen gewesen – „diese Forderung konnten wir durchsetzen“, sagte Back. LCGB-Präsident Patrick Dury und CGFP-Präsident Romain Wolff sprachen ebenfalls von einer „guten“ Einigung nach teils „stürmischen“ Debatten, die sie von ihren jeweiligen Vorständen absegnen lassen wollen.

Michel Reckinger, Präsident des Unternehmerverbandes (UEL), sprach von einer schwierigen Einigung. „Wir sind heute Teil der Lösung und sind solidarisch“, sagte Reckinger und fügte kurz an: „Wir hoffen, dass unsere Unternehmen durch diese Krise kommen, ohne zu viel Federn zu lassen.“

Maßnahmenkatalog der Herbst-Tripartite 

– umfasst eine Milliarde Euro aus dem Staatsbudget;
– durch inflationsdrückende Maßnahmen soll nur eine Indextranche im kommenden Jahr fallen. Diese soll regulär ausgezahlt werden, die verschobene Tranche aus dem Sommer 2022 soll wie geplant im April ausbezahlt werden;
– Falls trotz Maßnahmen im Jahr 2023 zwei Indextranchen fallen, wird die Tripartite wieder einberufen werden;
– Teuerungszulage und Energieprämie werden für das Jahr 2023 verlängert;
– Die Mehrwertsteuer wird flächendeckend um ein Prozent bis Ende 2023 herabgesetzt;
– Gaspreise werden um maximal 15 Prozent erhöht;
– Strompreise werden gedeckelt;
– Heizöl wird mit 15 Cent pro Liter subventioniert, Subvention wird auf kommendes Jahr verlängert;
– Deckelung der Preise bei Alters- und Pflegeheimen;
– 150 Millionen Euro Hilfen für kleinere und mittlere Unternehmen;
– Steuerbonifikationen bei Investitionen in Energietransition und Digitalisierung

Krux am Montag

Die Krux der Tripartite erreichten die Verhandlungspartner Tageblatt-Informationen zufolge am Montagnachmittag, als die Regierung ein erstes, fertig geschnürtes Maßnahmenpaket auf den Tisch legte. Gewerkschaften und Regierung konnten sich schnell auf den Maßnahmenkatalog einigen – die Patronatsvertreter baten jedoch um Bedenkzeit, um die Vorschläge auszudiskutieren und zogen sich zwei Stunden lang zurück. Zur Enttäuschung von Regierung und Gewerkschaften kamen die Patronatsvertreter um UEL-Präsident Michel Reckinger nicht etwa mit der Zustimmung ihrerseits zurück, sondern legten eine neue Wunschliste vor, die es offensichtlich in sich hatte und die unter anderem auch eine Index-Moduation umfasste.

Dabei hatten auch Gewerkschaftsvertreter bis zum vorgelegten Deal der Regierung einige Zugeständnisse gemacht: So wurde während der Verhandlungen auf die Anpassung der Steuertabelle an die Inflation verzichtet, um sich einem finalen Kompromiss anzunähern. Ein Punkt auf der vorgelegten Wunschliste des Patronats umfasste hingegen eine zweitägige Lohn-Karenzzeit für krankgeschriebene Arbeitnehmer.

Statec rechnet nach

Damit rissen die Patronatsvertreter das eigentlich geschnürte „Gesamtpackage“ wieder weit auf – was in einem solch fortgeschrittenen Stadium der Diskussionen schon fast einem Affront an die beiden anderen Parteien gleichkommt. Premierminister Xavier Bettel, der nach einem Scheitern der letzten Runde unbedingt eine Einigung bei dieser Tripartite wollte, erbat sich Bedenkzeit für die Regierungsseite – und ließ die Statistikbehörde Statec die Punkte aus dem Forderungskatalog der Arbeitgeber in der Nacht auf Dienstag ausrechnen. „Ich will ein Tripartite- und kein Bipartite-Abkommen“, meinte Bettel gegenüber den Pressevertretern am Montagabend. Die Patronatsvertreter hatten sich nach Ende der Verhandlungen am Montagabend auch nicht wie die Gewerkschaftsvertreter aus Senningen verabschiedet, sondern waren noch in Diskussionen mit Finanzministerin Yuriko Backes verstrickt. Von der Einigung, der man sich wenige Stunden zuvor so nah sah, war man jetzt wieder kilometerweit entfernt.

Anzeichen darauf, dass die Patronatsvertreter ihre Blockadehaltung aufgeben würden, gab es auch am Dienstag keine. Im Gegenteil: Als die Sozialpartner gegen 13.30 Uhr eine Verhandlungspause einlegten und sich zu internen Beratungen zurückzogen, war klar, dass die Verhandlungen an einem Scheidepunkt angekommen waren. Eigentlich war den Pressevertretern zwischen 11.00 und 15.00 Uhr nämlich eine Pressekonferenz zum Abschluss der Verhandlungen in Aussicht gestellt worden. Aufgrund der Blockadehaltung vonseiten des Patronats musste diese jedoch vorerst auf abends verschoben werden – auf der dann gegen 23.00 Uhr der Erfolg der Verhandlungen verkündet werden konnte.

jeff
22. September 2022 - 7.02

Solle Mir der Politik elo dankbar sinn, oder nëmmen Gratuléieren? Politik ass verantwortlech fir des Situatioun!! Ugefaangen mat dem Gréngen Wandel, den dozou gefouert huet dass een de Gas iwwerdeiert um Marché keeft, iwwert joerzéngtelaang NATO Provokatiounen an déi oniwwerluechten Sanktiounen déi ons massiv treffen .... also ech weess net, fir mech gehéieren déi Politesch responsabel virun de Riichter........

lupus-canis
21. September 2022 - 19.28

also ëch kann do mam beschte Wëllen NÄICHT positives fiir de "normale" Bierger gesin, dee kann nëmme bleschen an déi mat den decke Paien komme rëm gud weg

Jill
21. September 2022 - 19.13

@Bux - Ich denke dass die meisten Menschen eh schon Energie sparen wo sie nur können. Diese Preise sind ja schon in den vergangen Wochen gestiegen, sie werden jetzt eben nur nicht weiter steigen oder nur wenig. Desweiteren besteht die Inflation ja nicht nur aus Energie, alle anderen Preise für zb Lebensmittel, Kleidung etc. werden ja weiter steigen und das wahrscheinlich bis mindestens Ende 2023. Da ergibt sich der Anreiz zum Energiesparen doch von selbst.

Bux /
21. September 2022 - 16.59

@ Jill / Und wenn dann alle einen Energiepreisdeckel haben, wozu dann noch Energie sparen?

Chrescht
21. September 2022 - 15.02

Wie sieht es mit Holzpellets aus? Diese kosten x3 x4. Davon steht nichts im Artikel.

Fern
21. September 2022 - 14.22

@Fred: Äre Kommentar seet eis: Dir hutt alles verstan.

Fred
21. September 2022 - 10.01

Firwat missten mär no Grenzgänger kucken déi hunn schonn genug Virdeeler hei am Land ann déi sollen sech an hiren Länner ennerstetzen losen....

Jill
21. September 2022 - 9.48

@Bux - In Frankreich und Belgien gibt es den Energiepreisdeckel schon, somit haben diese Menschen schon länger mehr Kaufkraft. Deutschland wird bestimmt auch folgen.

charlesplier1960
21. September 2022 - 9.06

Gudd geschafft. RESPEKT. Dat war och neideg fir sozial Onrouen ze vermeiden.

Bux /
21. September 2022 - 8.06

Das klingt ja alles schön und gut, aber wo ist hier der anreizt zum Energiesparen? Und wer kompensiert die Kaufkraft der über 200.000 Grenzgänger die durch den Index-Verzicht den Löwenanteil dieser Einigung tragen? Vielleicht habe ich da ja etwas übersehen und eine Aufklärung wäre hilfreich?

Beobachter
21. September 2022 - 7.40

Wir nehmen der Inflation den Wind aus den Segeln! Aber die fliegt längst mit Überschall!