KlangweltenSub Pop verbindet: Das Indie-Special

Klangwelten / Sub Pop verbindet: Das Indie-Special
Naima Bock – „Giant Palm“ – 9/10

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Naima Bock war bis 2019 Bassistin bei der wundervollen britischen Post-Punk/Indie-Rock-Band Goat Girl. Sie arbeitete danach als Gärtnerin und studierte Archäologie, kam aber wieder zurück zur Musik und ist nun als Singer-Songwriterin aktiv. Gleich für ihr Debütalbum „Giant Palm“ konnte die Musikerin mit griechischen (Mutter) und brasilianischen (Vater) Wurzeln das US-Label Sub Pop für sich gewinnen. Auf ihrem vor wenigen Wochen veröffentlichten ersten Album bricht sie musikalisch die Brücke zu Goat Girl ab und wandelt auf ganz eigenen Spuren. Sie verknüpft die Musik ihrer Jugend – sie lebte die ersten sieben Jahre in São Paulo und zog dann erst mit ihrer Familie nach London – mit Einflüssen aus den Bereichen Folk („Enter The House“), Jazz („Working“), und Electro („Dim Dum“). Als wäre diese Mixtur nicht außergewöhnlich genug, garniert sie diese mit ihrer prägnanten, teils heiser-gehauchten Stimme. Sie weiß, was sie macht, und mit dem psychedelischen Bossa-Nova-Stück „Campervan“ ist ihr sogar ein Meisterwerk gelungen. Von ihr wird man hoffentlich noch viel mehr hören.

Built To Spill – „When The Wind Forgets Your Name“ – 8/10
Built To Spill – „When The Wind Forgets Your Name“ – 8/10

In den Neunzigern legten Built To Spill eine beachtliche Schlagzahl vor. Zwischen 1993 und 1999 veröffentlichte die Band von Sänger und Gitarrist Doug Martsch vier Studioalben. Er ist das letzte verbliebene Gründungsmitglied und verfolgt eh die Idee eines sich stetig wechselnden Line-ups. Seit 2019 wird er begleitet von Melanie Radford (Bass, von Blood Lemon) und Teresa Esguerra (Schlagzeug, von Prism Bitch). Zwei Jahre zuvor trennte sich die Band nach 22 Jahren von dem Major Warner Bros., um für die Veröffentlichung von „When The Wind Forgets Your Name“, dem ersten regulären Album seit „Untethered Moon“ (2015), bei Sub Pop zu unterschreiben.

Die neuen Songs entstanden allerdings nicht mit Radford und Esguerra, sondern mit den Brasilianern Lê Almeida und João Casaes, beide von den psychedelischen Jazz-Krautrockern Oruã. Mit ihnen wurden die Grundgerüste der Songs aufgenommen und später von Martsch im Alleingang verfeinert und ergänzt. Und auch diese ungewöhnliche Konstellation konnte nicht verhindern, dass „When The Wind Forgets Your Name“ vom ersten Ton an als Built-To-Spill-Album identifizierbar ist.

Martsch, der vor Built To Spill Mitglied bei Treepeople war, gehört – wie auch Issac Brock von Modest Mouse – seit den frühen Neunzigern zur Creme de la Creme der US-Indie-Rock-Szene. Seine sanfte, etwas höher gelegene Stimme erkennt man gleich, und sein Gespür für Melodien hat mit den Jahren auch nicht nachgelassen. Auch hat er nie versucht, den seit 1992 eingeschlagenen Pfad zu verlassen – und das trotz zahlreicher Besetzungswechsel und damit einhergehend neuer Einflüsse und Ideen. Schön, wenn es noch Dinge gibt, die einem seit Jahren am Herzen liegen und Bestand haben. Wo Martsch wiederum gerne Neues ausprobiert, ist bei den kunstvollen Covergestaltungen. Diesmal konnte er die Comickünstlerin Alex Graham („Dog Biscuits“) gewinnen, die etwas quietschbuntes Verstörendes entworfen hat und damit das genaue Gegenteil zu den neun beseelten Songs.

The Afghan Whigs – „How Do You Burn?“ – 8/10
The Afghan Whigs – „How Do You Burn?“ – 8/10

Mit Sub Pop wurden seit den früheren Neunzigern auch The Afghan Whigs in Verbindung gebracht. Doch für ihr neuntes Studioalbum „How Do You Burn?“ wechselten die Alternative-Rocker zu Royal Cream/BMG. Das ist nicht die einzige Neuerung, denn pandemiebedingt wurden die Songs diesmal getrennt voneinander aufgenommen. Kopf Greg Dulli, Co-Produzent und Gitarrist Christopher Thorn (erst seit 2021 dabei) und Schlagzeuger Patrick Keeler arbeiteten zusammen in Kalifornien, Bassist John Curley, Gitarrist Jon Skibic und Keyboarder Rick Nelson in Cincinnati, New Jersey respektive in New Orleans, Louisiana. Beide Umstände scheinen die Band beflügelt zu haben, kreativ alles aus sich herauszukitzeln und ein Album vorzulegen, das ihre langjährigen Fans mit hohem Genuss hören können. Die Band zeigt ihre melancholische Seite („Please, Baby, Please“) und ihre wildere („I’ll Make You See God“) – beide hinterlassen mächtig Eindruck. So auch der im Februar viel zu früh verstorbene Sänger und Musiker Mark Lanegan, mit dem Dulli zwischen 2003 und 2011, als The Afghan Whigs ruhten, die Band The Gutter Twins hatte und der ein Freund und Fan der Afghan Whigs war. Er gab dem Album nicht nur seinen Titel, er singt obendrein in zwei Songs, dem sich langsam anschleichenden, swingenden „Jyja“ und dem hitverdächtigen „Take Me There“, im Hintergrund.

(Kai Florian Becker)