Nächste Pandemie?Affenpocken: Was Luxemburger Experten zur momentanen Lage sagen

Nächste Pandemie? / Affenpocken: Was Luxemburger Experten zur momentanen Lage sagen
Angesichts der schnellen weiten Verbreitung der Affenpocken hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die höchste Alarmstufe ausgerufen Foto: Niaid/Niaid/Planet Pix via ZUMA Press Wire/dpa

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Die Affenpocken sind schon seit mehreren Wochen in Luxemburg angekommen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt vor dem neuen Virus. Doch wie ernst ist die Lage wirklich – und wie nützlich sind die Impfungen?

Die Affenpocken machen auch vor den Luxemburger Grenzen nicht Halt. Nach Zahlen vom 10. August hatten sich in Luxemburg 41 Männer mit dem Affenpockenvirus infiziert. Das Durchschnittsalter lag bei 39 Jahren. Aktuellere Zahlen wird es wohl erst am Freitag geben. Das Gesundheitsministerium zieht nämlich um 14 Uhr Bilanz, wie sich die Affenpocken momentan in Luxemburg verbreiten. Die „Santé“ hat am Mittwoch (17.8.) allerdings schon einen Fall bei einem Kleinkind gemeldet. „Das Kind befindet sich in einem stabilen und nicht besorgniserregenden Zustand und wird isoliert“, schreibt die „Santé“ in einer Pressemitteilung. In Deutschland, wo laut DPA bislang mehr als 3.200 Fälle registriert sind, wurde noch keine solche Infektion bei einem Kind nachgewiesen.

Grund zur Sorge? „Mein Grundgefühl – aber das ist noch nicht wissenschaftlich belegt – ist, dass die Affenpocken vermutlich nicht zu der nächsten großen Pandemie werden“, sagt Alexander Skupin gegenüber dem Tageblatt. Er ist Biophysiker an der Universität Luxemburg und Mitglied der Covid-19-Taskforce von Research Luxembourg, die die Luxemburger Regierung während der Pandemie berät. In der Taskforce ist er vor allem für die Pandemie-Projektionen zuständig. „Wir betreiben momentan nur Betreuung aus der Ferne“, sagt Skupin am Donnerstag gegenüber dem Tageblatt. Heißt: Sie versuchen herauszufinden, ob die Monitoring-Systeme, die während der Pandemie entwickelt wurden, auch auf die Affenpocken angewendet werden können – und so einzuschätzen, wie kritisch die momentane Situation ist.

Genaue Prognosen sind schwierig

Es sei allerdings schwierig, eine präzise Projektion zusammenzustellen, weil bis jetzt sehr wenige Fälle festgestellt wurden. Deswegen sei es immer abhängig davon, zu welchem Zeitpunkt man die Projektionen zusammenstellt. „Manchmal gibt es Anzeichen dafür, dass es einen starken Anstieg geben wird – wenn man die Daten von zwei Tagen später dann nimmt, sieht es wiederum aus, als wäre die Situation nicht so dramatisch“, sagt Skupin.

So oder so: Luxemburg und die Welt sind jetzt besser vorbereitet. Der große Vorteil sei, dass man, falls die Situation sich verschlechtern sollte, wegen der Erfahrungen mit der Corona-Pandemie relativ schnell reagieren könne. Es müssten schon signifikante Mutationen auftauchen, damit die Affenpocken eine weitere Pandemie hervorrufen.

Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge wurden bis Mittwoch mehr als 35.000 Affenpocken-Nachweise aus 92 Ländern gemeldet. Zwölf Menschen kamen uns Leben. Innerhalb einer Woche waren es 7.500 Fälle, 20 Prozent mehr als in der Vorwoche. Mehr als 90 Prozent der Affenpocken-Fälle werden laut WHO bei Männern gemeldet, die häufigen Sex mit wechselnden Partnern haben.

Der Luxemburger Infektiologe Gérard Schockmel glaubt eher nicht an eine weitere Pandemie. Die betroffene Gemeinschaft sei mittlerweile weitestgehend sensibilisiert. „Das ist natürlich ein Bereich, der mit dem Geschlechtstrieb zu tun hat, und das ist natürlich etwas Irrationales – und deshalb nicht immer einfach zu kontrollieren“, sagt Schockmel gegenüber dem Tageblatt. Glücklicherweise gebe es auch schon eine Impfung.

Luxemburg hat möglicherweise nicht genügend Impfstoff

Impfung gegen Affenpocken – für wen?

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt eine Impfung zur Vorbeugung einer Infektion für Männer, die gleichgeschlechtlichen Sex mit mehreren Partnern haben, transgeschlechtliche Personen, die Sex mit mehreren Partnern haben, sowie Sexarbeiterinnen und -arbeiter. Auch nach dem Kontakt mit dem Virus wird eine Impfung empfohlen bei immunsupprimierten Personen, die in den letzten 21 Tagen einen Hochrisikokontakt hatten und Pflegepersonal, das keine angemessenen Schutzmaßnahmen ergriffen hat. Als Hochrisikokontakte gelten: Sexualkontakte, Kontakte mit Haut- oder Schleimhautläsionen einer infizierten Person, Kontakte innerhalb desselben Haushalts.

Wenn die Impfung innerhalb von vier Tagen nach dem Kontakt erfolgt, kann eine Infektion gänzlich vermieden werden. Bei einer Impfung innerhalb von fünf bis 14 Tagen kann der Krankheitsverlauf abgeschwächt werden.

Einen in der EU zugelassenen spezifischen Impfstoff gegen die Affenpocken gibt es nicht – aufgrund der Ähnlichkeit der Viren schützen auch die Impfstoffe, die gegen die Pocken entwickelt wurden. Der Impfstoff ist für Erwachsene ab 18 Jahre zugelassen.

Das Großherzogtum hat bis jetzt 1.440 Impfdosen gegen die Affenpocken erhalten, die Impfungen haben am vergangenen Dienstag begonnen. Die Lieferung sei über den europäischen Mechanismus des „Joint Procurement“ von der Health Emergency Response Authority (HERA) verteilt worden. Luxemburg hat allerdings 2.500 Dosen bestellt. Das schreibt Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) am Donnerstag als Antwort auf eine parlamentarische Frage von Piraten-Abgeordneten Sven Clement. Luxemburg erwarte „Ende dieses Jahres“ Nachschub. Ein genaues Datum oder die Menge seien noch nicht bekannt.

Momentan sei es noch nicht möglich, mit Sicherheit zu sagen, ob Luxemburg genügend Impfstoffe zur Verfügung stehen, um nach den Empfehlungen des „Conseil supérieur des maladies infectieuses“ (CSMI) zu impfen. Der Grund: Es gebe keine genaue Statistik über die Risikogruppen. Außerdem spiele die Impfbereitschaft der Bevölkerung eine Rolle. Frankreich habe geschätzt, dass sie laut CSMI-Empfehlungen 250.000 Menschen impfen sollen. Obwohl dort schon seit mehreren Wochen geimpft wird, haben sich laut Lenert bisher weniger als 40.000 Menschen den Impfstoff verabreichen lassen. „Zwischen Schätzung und der Realität liegt hier also ein großer Unterschied“, schreibt die Gesundheitsministerin.

Die Deutsche Presse-Agentur (DPA) schrieb am 10. August, dass der EU insgesamt 163.620 Impfdosen zur Verfügung stehen, die teilweise bereits an die Mitgliedstaaten verteilt wurden.

Doch nicht nur Luxemburg hat womöglich nicht genügend Impfstoff. Amerika kämpft laut Gérard Schockmel momentan auch mit einem Mangel an Impfungen. Deswegen hätten die US-Behörden ein neues Impfverfahren genehmigt, mit dem dieselbe Menge an Impfstoff für mehr Menschen reichen soll.

Normalerweise werde der Impfstoff subkutan gespritzt. „Heißt: Man drückt eine Hautfalte zusammen und pikst dann da rein“, erklärt Schockmel. Durch eine intradermale Injektion soll es nun möglich sein, fünfmal weniger Impfstoff zu verbrauchen. Dabei wird in die oberen Hautschichten gespritzt – also weniger tiefer als bei der subkutanen Injektion. „Das soll einen vergleichbaren Schutz liefern“, sagt Schockmel.

WHO warnt: Affenpocken-Impfung ist kein Allheilmittel

Gleichzeitig warnt die WHO nach Meldungen von Impfdurchbrüchen bei Affenpocken davor, das Impfen als Allheilmittel zu betrachten. Sie betont, dass noch keine randomisierten, kontrollierten Studien vorliegen, aber die Meldungen legten nahe, dass man sich nicht auf den Impfschutz alleine verlassen sollte, sagte die WHO-Affenpocken-Expertin Rosamund Lewis am Mittwoch in Genf.

„Wir haben von Anfang an gewusst, dass dieser Impfstoff kein Allheilmittel sein würde, dass er nicht alle Erwartungen erfüllen würde, die in ihn gesetzt werden“, sagte Lewis. Impfdurchbrüche würden sowohl bei Menschen gemeldet, die nach einem möglichen Kontakt mit einem Infizierten geimpft wurden als auch bei jenen, die sich vorsorglich hatten impfen lassen. Lewis betonte, dass Geimpfte mindestens zwei Wochen nach der zweiten Impfdosis warten müssen, damit der Stoff seine volle Wirksamkeit entfalten könne, ehe sie sich riskantem Verhalten aussetzen.

Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RK) erfolgt eine Grundimmunisierung für Erwachsene, die in der Vergangenheit keine Pockenimpfung erhalten haben, mit zwei Impfstoffdosen Imvanex im Abstand von mindestens 28 Tagen. Während die erste Impfstoffdosis bereits einen guten Basisschutz vermittle, diene die zweite Dosis dazu, die Dauer des Impfschutzes zu verlängern. Bei Menschen, die in der Vergangenheit gegen Pocken geimpft worden seien, reiche eine Impfstoffgabe aus.

jo
19. August 2022 - 12.49

Wie meldet man sich denn zur Impfung an? Oder gibt es eine Datenbank, wo die "Berechtigten" registriert sind? Wird der Staatsminister als erster geimpft?

Dr NO
19. August 2022 - 10.30

Stand nicht schon vor einem oder zwei Monaten in allen Medien, "Wir sind gut auf die Affenpoken vorbereitet"? Wie es jetzt scheint sogar s e h r gut!