DeutschlandAbbas und die „50 Holocausts“: Warum der diplomatische Fauxpas von Scholz schwerwiegend ist

Deutschland / Abbas und die „50 Holocausts“: Warum der diplomatische Fauxpas von Scholz schwerwiegend ist
Die Glaubwürdigkeit von Scholz in Israel hat darunter gelitten  Foto: AFP/Jens Schlüter

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Palästinenserpräsident Mahmud Abbas wirft Israel bei einer Pressekonferenz mit dem deutschen Kanzler vielfachen „Holocaust“ vor und löst einen Eklat aus. Olaf Scholz bedauert den Vorgang zutiefst.

Es ist genau das, was einem deutschen Bundeskanzler auf keinen Fall passieren darf. Da steht bei einer der üblichen Pressekonferenzen mit einem ausländischen Gast Olaf Scholz vor der blauen Wand im Kanzleramt, gemeinsam mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Zum Ende der Pressekonferenz fallen diese Sätze: „Israel hat seit 1947 bis zum heutigen Tag 50 Massaker in 50 palästinensischen Orten begangen“, sagt der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde und fügt hinzu: „50 Massaker, 50 Holocausts.“

Scholz widerspricht Abbas nach dessen Äußerungen nicht. Der Regierungssprecher Steffen Hebestreit beendet die Pressekonferenz Scholz schaut noch rüber zu Hebestreit, tritt dann aber von seinem Pult weg, schüttelt Abbas die Hände, Abgang von der Bühne. Aus Scholz’ Miene kann man, wenn man möchte, Missfallen ablesen. Dass Scholz seinem Gast aus Rücksicht auf diplomatische Gepflogenheiten nicht sofort ins Wort fällt, mag verständlich sein. Er hatte Abbas bereits wegen dessen Vorwurfs israelischer Apartheid in den Palästinenser-Gebieten deutlich widersprochen. Aber nach den Holocaust-Entgleisungen seinem Sprecher nicht zu signalisieren, dass er noch etwas erwidern möchte und Abbas danach die Hand zu schütteln, darf einem deutschen Regierungschef nicht passieren.

Regierungssprecher nimmt die Schuld auf sich

​An Scholz’ Haltung zu dem Thema Holocaust und Israel gibt es dennoch keinen Zweifel. Später zeigt er sich empört über die von seinem Gast erhobenen Vorwürfe. „Gerade für uns Deutsche ist jegliche Relativierung des Holocaust unerträglich und inakzeptabel“, betont er gegenüber der Bild-Zeitung.​ Doch die Sätze von Abbas sind in der Welt, der diplomatische Skandal wiegt schwer. Am späten Dienstagabend schaltet sich der israelische Ministerpräsident Jair Lapid ein. „Dass Mahmud Abbas Israel beschuldigt, ‚50 Holocausts‘ begangen zu haben, während er auf deutschem Boden steht, ist nicht nur eine moralische Schande, sondern eine ungeheuerliche Lüge“, schreibt Lapid und verweist auf die sechs Millionen Jüdinnen und Juden, die im Holocaust ermordet wurden.​

Am Mittwoch wird in Berlin dann hektisch Schadensbegrenzung geübt. Scholz distanziert sich erneut, macht seiner Empörung Luft über die „unsäglichen Aussagen“. Am Vormittag wird der Leiter der palästinensischen Vertretung in Berlin einbestellt. Am Mittag macht Regierungssprecher Hebestreit öffentlich einen Kotau, den es in dieser Form selten gibt. Er nimmt die Schuld für die verpatzte Pressekonferenz komplett auf sich, entschuldigt sich in breiter Form. Und richtet vom Bundeskanzler aus, dass Scholz bedaure, dass er auf der Pressekonferenz „nicht ein zweites Mal intervenieren und direkt auf die Angriffe Abbas’ reagieren konnte“.

Persönlich ist der Kanzler am Mittwoch allerdings nicht vor die Presse getreten. Es wäre besser gewesen. Denn es ist an einem Abend sehr viel diplomatisches Porzellan zerschlagen worden. Die Glaubwürdigkeit von Scholz in Israel hat darunter gelitten. Das ist eine schwere Bürde für einen deutschen Kanzler.