EditorialCannabis-Legalisierung ist nur ein Alibi

Editorial / Cannabis-Legalisierung ist nur ein Alibi
Konsumieren können künftig nur Menschen mit einem grünen Daumen und ganz viel Geduld Foto: APA

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Breit war das Echo, groß der Applaus, als die Regierung vor ihrer Wiederwahl 2018 zwei spektakuläre Ankündigungen machte: Zum einen sollte der öffentliche Verkehr kostenlos werden, zum anderen wollte man den Cannabis-Handel legalisieren. Gleich in zwei Feldern wollte das kleine Großherzogtum eine Vorreiterrolle in Europa übernehmen. Luxemburg war plötzlich in aller Munde. Doch erstens kam es anders und zweitens als man denkt. Das erste Projekt gelang. Für den zweiten Vorstoß fehlte der Regierung letztendlich aber die politische Courage.

Von der Absicht, Handel und Besitz von Cannabis generell zu legalisieren, um so den Schwarzmarkt zu bekämpfen und die Justiz zu entlasten, ist keine Rede mehr. Zwar wird der Besitz von kleinen Mengen im privaten Bereich entkriminalisiert. Der Rest des Vorhabens wurde aber derart abgeschwächt, dass die ganze Legalisierung quasi nur noch Alibi-Charakter hat.

Übrig bleibt die Entscheidung, dass Erwachsene künftig vier Hanfpflanzen für den Eigenbedarf anbauen können. Wie man an die Samen gelangt, ist der Regierung weitgehend egal. Probleme haben die Verantwortungsträger aber mit Pflanzen, die von Passanten auf dem Balkon, der Terrasse oder im Garten gesehen werden können. Dann wird aus dem frisch gebackenen Hobbybotaniker rasch wieder ein krimineller Drogenhändler.

Während sich der Verkauf und Konsum von Cannabis in vielen US-Staaten längst bewährt hat und nun auch Deutschland über eine Legalisierung des magischen Krautes nachdenkt, versteckt sich die Regierung hinter einem extrem entschärften Vorhaben, das den Verantwortungsträgern zwar erlaubt, auf die Erfüllung ihres Wahlversprechens zu pochen, die Bürger gleichzeitig aber so weit vom Konsum abhält, wie es unter diesen Bedingungen nur möglich ist.

Unglaublich kompliziert ist der Anbau von Cannabis zwar nicht. Wer die Pflanzen in der Wohnung züchten möchte, braucht nur wenige Utensilien, wie etwa ein Gewächshaus und spezielle Lampen. Wichtig sind zudem ein Filter, die Bodenbeschaffenheit, die Art der Samen und extrem viel Geduld, gepaart mit ganz viel Hingabe. Bis auf einige wenige Hardcore-Konsumenten haben aber nur wenige Erwachsene Zeit (und Lust), sich in Hortikultur einzulesen und mit optimalen pH-Werten und UV-Lichtern auseinanderzusetzen.

Die Vorteile einer Legalisierung sind unbestritten: Der Schwarzmarkt wird geschwächt, Polizei und Justiz werden entlastet, viele Menschen werden vor einer unverhältnismäßigen Strafverfolgung bewahrt und der Staat kann dafür sorgen, dass Konsumenten ein reineres und sicheres Produkt erhalten. Viele Kritiker halten es zudem für unlogisch, Cannabis zu kriminalisieren, während Alkohol und Tabak legal sind. Zudem gibt es für eine Legalisierung auch zahlreiche wirtschaftliche Argumente.

Natürlich gibt es auch Nachteile, wie etwa eine Zunahme des Konsums und möglicher Folgestörungen, eine Gefahr für junge Menschen und eine mögliche Zunahme der Verkehrsunfälle. Letztendlich aber wird der aktuelle Vorstoß weder dafür sorgen, dass der illegale Markt eingedämmt oder die Strafverfolgungsbehörden entlastet werden, noch dass sich die Qualität des Produktes verbessert. Der illegale Handel wird vielmehr florieren, vorausgesetzt die Hobby-Bauern wollen andere Konsumenten an der verbotenen Frucht ihrer Talente teilhaben lassen. Es bleiben also sämtliche Nachteile – von den Vorteilen aber keine Spur mehr.

Blanchet
17. August 2022 - 12.34

Ein Ästchen das abbricht und Wurzeln schlägt, ist ein krimineller Steckling.